Kooperation im ärztlichen Team: 50% der Zusammenschlüsse sind problembelastet

Von der anfänglich positiven Ausgangslage bei Zusammenschlüssen niedergelassener Ärzte zu Kooperationen (Gemeinschaftspraxen, Praxisgemeinschaften, MVZ etc.) ist in knapp der Hälfte der Fälle nach wenigen Jahren nur noch wenig übrig. Fortwährende Unstimmigkeiten, Ärger und Streit bestimmen – verdeckt und offen – den Arbeitsalltag und wirken sich auch negativ auf die Praxisteams aus. Die Folgen: Arbeitsproduktivität und –qualität werden beeinträchtigt und der tägliche Leidensdruck für alle Mitarbeiter der Praxen steigt. Das Problem – so zeigen unsere Mediations-Analysen immer wieder – liegt in einer sehr „blauäugigen“ Einstellung zur Kooperation: ist das Vertragswerk adäquat geregelt und versteht man sich in den Grundzügen, wird der Rest schon funktionieren! Richtig ist: je detaillierter Funktionen und Kompetenzen vertraglich fixiert sind, desto mehr Probleme der Zusammenarbeit werden schon im Vorfeld ausgeschlossen. Aber fast noch mehr kommt es darauf an, wie die Kooperation konkret im Arbeitsalltag umgesetzt wird. Hierbei sind folgenden Punkte wichtig:
(1) Kooperations-Grundlagen: Kooperationen funktionieren nur dann reibungslos, wenn die Partner eine möglichst weitgehende Übereinstimmung in folgenden Aspekten aufweisen:
– sie sollten eine möglichst kommunikativ angelegte, kompromissbereite und konsensfähige Grundhaltung besitzen und tolerant und offen sein,
– ihre Ideen, Ansichten, Erwartungen und Ziele bzw. Zielhorizonte und Prioritäten sollten in der Grundausrichtung kompatibel sein; hierbei ist vor allem ein für alle gemeinsam verbindliches Zielsystem wichtig,
– ebenso ist es von Bedeutung, dass eine Vergleichbarkeit in Bezug auf Motivation, Handlungsinitiative und Risikobereitschaft besteht,
– nicht zuletzt ist eine der Grundvoraussetzungen die menschliche Kompatibilität. Als Grundregel gilt jedoch: Freundschaften sind kein Garant dafür, dass eine geschäftliche Kooperationen auf Dauer gut funktionieren.
Die genannten Aspekte sprechen aber grundsätzlich nicht dagegen, Kooperationen mit Menschen anderer Persönlichkeits- und Fähigkeitsmerkmale zu bilden, da unterschiedliche Talente und Ansichten auch synergistisch wirken.
(2) Arbeitsablauf: Der Arbeitsalltag zeigt, dass Kooperationen häufiger an Problemen in der gemeinsamen Arbeit als an Unterschieden in Zielen und Erwartungen scheitern. Dem kann durch folgende Verhaltensweisen entgegen gewirkt werden:
– Eindeutige Absprachen treffen und zuverlässig einhalten
– Fairness und Loyalität praktizieren
– stets den geforderten Arbeitseinsatz und die vereinbarte Arbeitsqualität zeigen, ist das einmal nicht möglich, dies rechtzeitig kundtun
– für Partner und Kollegen vorwurfsfrei im Sinne der Gesamtleistung mitdenken.
(3) Vertrauen: nur wenn alle Partner „an einem Strick“ ziehen, werden Irritationen und Gruppenbildungen innerhalb eines Teams vermieden, die zu deutlichen Einbussen bei der Arbeitsproduktivität führen können. Die wichtigste Einflussgröße des Kooperationsklimas ist Vertrauen, das wie folgt aufgebaut und gefördert werden kann:
– auch bei unangenehmen Dingen ansprechbar sein, nicht „mauern“, bei Fehlern der anderen diese ansprechen und nach Lösungen suchen, eigene Fehler eingestehen
– Neuem aufgeschlossen gegenüber stehen
– Diskretion und Ehrlichkeit als Handlungsprinzipien verfolgen
– offen und sachlich, aber nicht verletzend seine Meinung äußern
– zuhören können und Fehler eingestehen, sich entschuldigen
– eine klare Linie im Verhalten zeigen und „berechenbar“ sein
– einander regelmäßig Feedback zu allen arbeitsbezogenen Aspekten und Sachthemen und zum empfundenen Kooperationsklima geben
(4) Information und Kommunikation: die Arbeit in einer Kooperation ist umso erfolgreicher – in jeder Hinsicht -, je intensiver der Informationsaustausch zwischen den Partnern stattfindet. Information darf in Kooperationen kein Machtfaktor, sondern muss Allgemeingut sein. Das wird durch folgende Verhaltensweisen erreicht:
– Einrichten von Kommunikationsfluss-Standards: Wer – Was – Mit wem – Wann – Wie?
– Durchführung regelmäßiger Partner-Informationstreffen („Jour fixe“) mit Themenliste und Protokoll
– Durchführung regelmäßiger Besprechungen der Kooperationspartner
– Praktizieren einer förderlichen Gesprächskultur mit folgenden Kennzeichen:
— Ergebnisorientierung (keine Gespräche ohne Resultat)
— Partnerschaftliche Dialogführung: jeder kommt gleichwertig zu Wort
— Aktives Zuhören, Eingehen auf den Gesprächspartner

© Klaus-Dieter Thill / IFABS

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