Seit 2013 findet in Berlin einmal im Jahr der Bundeskongress Gender-Gesundheit statt. Am 12. und 13. Mai 2016 stehen wieder geschlechtsspezifische Aspekte im Mittelpunkt gesundheitspolitischer und medizinischer Diskussionen. Über diese und andere Fragen zu Potenzialen und Herausforderungen einer geschlechtsspezifischen Gesundheitsversorgung diskutieren Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, der Pflege und Gesundheitsberufe, aus Wissenschaft und Gesundheitspolitik.
Mit Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales, hat zum ersten Mal ein Mann die Schirmherrschaft für den Bundeskongress Gender-Gesundheit übernommen.
Medizinisch wird sich der vierte Bundeskongress Gender-Gesundheit nach den Themen „Herzinfarkt bei Frauen“, „Depression bei Männern“ und „geschlechtsspezifischen Aspekten bei Diabetes“ der onkologischen Versorgung zuwenden. Gerade im Bereich Diagnose und Therapie ist die personalisierte Medizin zu neuen Erkenntnissen gekommen, um Therapien möglichst speziell anzupassen und das Risiko von Nebenwirkungen weiter zu minimieren.
Ähnlich wie der Diabetes Typ 2 gehört Krebs leider zu den so genannten Volkskrankheiten. 2012 wurden weltweit 14 Millionen Neuerkrankungen gezählt – an den Folgen von Krebs starben ca. 8,2 Millionen Menschen. Die WHO schätzt, dass sich die Zahl der Neuerkrankungen im Jahr 2030 nahezu verdoppeln wird. (Quelle: Weltkrebsbericht)
Lungenkrebs führt mit 1,8 Millionen Erkrankten dabei die Rangliste an, gefolgt von Brustkrebs mit 1,6 Millionen und Darmkrebs mit 1,3 Millionen Erkrankten. Bei näherer Betrachtung des „Klassikers“ Lungenkrebs zeigt sich leider eine negative Entwicklung bei Frauen, die zum großen Teil auf eine veränderte Lebensführung zurückzuführen ist. Noch sind zwar Männer überwiegend von dieser Krebsform betroffen, aber mit steigendem Nikotinkonsum werden künftig Raucherinnen bei den Neuerkrankungen aufholen. Jede dritte Frau zwischen 25 und 69 Jahren greift regelmäßig zur Zigarette. Dazu Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg: „Die Lungenkrebssterblichkeit wird mit Sicherheit im nächsten Jahrzehnt bei den Frauen noch weiter ansteigen.“ Im Hinblick auf den Kongress freue ich mich, dass auch Frau Dr. Martina Pötschke-Langer mit dem Thema: „Lungenkrebs keine Männersache“ dabei sein wird.
Unterschiedliche Wirkstoff-Aufnahme zwischen den Geschlechtern
In der Krebstherapie sind, wie neue Erkenntnisse zeigen, gleichfalls Unterschiede bei den Geschlechtern zu berücksichtigen. Vor allem bei der Dosierung von Schmerzmitteln wird die unterschiedliche Verstoffwechselung zunehmend zu beachten sein. Der höhere pH-Wert eines weiblichen Magens führt zu einer langsameren Magenentleerung, was bei „festen Darreichungsformen“ zu einer höheren Arzneistoffkonzentration führt, zum Beispiel bei Diazepam. Abgesehen vom Körpergewicht tragen auch geschlechtsbedingte Unterschiede in der Verteilung von Fett und Muskelmasse zu einer unterschiedlichen Aufnahme und Verarbeitung der Wirkstoffe bei. Zolpidem, ein Wirkstoff in Schlafmitteln, wird bei Frauen deutlich langsamer abgebaut als bei Männern, was unter anderem auch nach Stunden der Einnahme für Fahruntüchtigkeit sorgen kann (Quelle: Dr. Dirk Keiner, „Dosisanpassung selten erforderlich“ in: Pharmazeutische Zeitung, sechsundvierzigste Ausgabe, 12.11.2015, Seite 28 bis 29). Dr. Dirk Keiner wird zu diesem Thema einen Workshop im Rahmen des Kongresses leiten.
Immer noch mangelt es an Studien, auch zu lange im Einsatz befindlichen Medikamenten, die die nötigen Informationen zur Verfügung stellen. Hier bietet sich noch viel Forschungspotenzial. Speziell dieses Thema wird Prof. Dr. Petra Thürmann vom HELIOS Klinikum Wuppertal, behandeln. Sie ist mit dem Beitrag: „Was wissen wir? – Geschlechteraspekte in klinischen Studien“ vertreten.
Auch hat uns Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorstandsvorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) mit dem Thema: Geschlechteraspekte der Arzneimitteltherapie in der Onkologie, zugesagt. Des Weiteren wird Frau Prof. Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender Medizin und Direktorin des Frauengesundheitszentrums an der Universitätsklinik Innsbruck mit dem Thema „Krebs: Männer schneiden schlechter ab“, vertreten sein. Neben der medikamentösen Krebstherapie spielt auch der persönliche Umgang mit der Erkrankung eine besondere Rolle im Alltag – und auch hier gibt es geschlechtsbedingte Strategien, was von der Berliner Krebsgesellschaft beim vierten Bundeskongress Gender-Gesundheit vorgestellt wird.
Beide Geschlechter in den Fokus nehmen
Der Bundeskongress Gender-Gesundheit möchte eine Plattform für den interdisziplinären Austausch der Akteurinnen und entsprechend sensibilisierter Akteure im Gesundheitswesen etablieren. Ziel ist es dabei ausdrücklich nicht, gegen ein bislang eher männlich ausgerichtetes Gesundheitssystem zu polemisieren, sondern vielmehr die unterschiedlichen Zugänge und Versorgungsnotwendigkeiten beider Geschlechter in den Fokus zu nehmen und damit eine möglichst zielgenaue Versorgungseffizienz der auf allen Ebenen knapper werdenden Ressourcen zu erreichen. Gerade im Gesundheitswesen müssen geschlechterspezifische Aspekte auf allen Ebenen (Medizin, Wissenschaft, Ausbildung, Versorgungsstrukturen) noch viel stärker ins System miteinbezogen werden, um auch zukünftig eine maximale und zielgruppengerechte Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Gemeinsam mit profunden Praktikern möchte der Gender-Kongress hier Aufmerksamkeit generieren und Lösungsansätze skizzieren, die beiden Geschlechtern zugute kommen. Des Weiteren bietet der Kongress auch Vorträge und Gesprächsrunden zu Themen wie Kompatibilität von Familie und Beruf(ung), Frauen in Führungsgremien und Leitungspositionen sowie Frauen & Karriere an.
4. BundesKongressGenderGesundheit 2016 in Berlin
Schirmherrschaft: Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales (Berlin)
Präsidentin und Organisatorin: Dr. Martina Kloepfer
Donnerstag, 12. Mai 2016 und Freitag, 13. Mai 2016
09:00 Uhr – 22:00 Uhr
09:00 Uhr – 13:00 Uhr
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften | Jägerstr. 22| 10117 Berlin
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