Was unterscheidet erfolgreiche urologische Fachärzte von ihren Kollegen? Ein Merkmal, das sich in Praxisanalysen immer wieder zeigt, ist die Formulierung von strategischen und operativen Zielen im Rahmen der Praxisplanung. Als verbindliche Messgrößen dienen die der Praxis-Steuerung und geben dem gesamten Praxisteam Perspektive und Orientierung. Ein weiterer Aspekt, der den Unterschied ausmacht, ist die regelmäßige Überprüfung der eigenen Arbeit, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren und Verbesserungs-Chancen zu nutzen. Ein Instrument, dass jedes urologische Praxisteam unterstützt, derartige Analysen und Optimierungen des Praxismanagements einfach, unaufwendig und kostengünstig durchzuführen, ist der Valetudo Check-up „Praxismanagement“. Alle Informationen finden Sie hier.
Related Posts
Marketing ist die beste Medizin
Die Boulevardzeitung “Berliner Kurier” vermeldet in ihrer morgigen Ausgabe endlich einen Durchbruch im Kampf gegen den Krebs.
Auch den Namen des Wundermedikaments verschweigt der Artikel nicht:
Was Ärzte und Patienten auch sehr zufrieden macht: das Mittel hat kaum Nebenwirkungen
Dazu zeigt der Berliner Kurier ein Bild von Helmtrud Weber und ihrem Lebensretter: Prof. Kurt Miller von der Charité.
Was für eine Geschichte. Wenn sie auch in den Details nicht so ganz den Tatsachen entspricht.
Denn direkt entwickelt hat Miller das Medikament genau genommen nicht. Auch nicht die Charité. Sunitinib ist nämlich eigentlich vom weltgrößten Pharmakonzern Pfizer und unter dem Handelsnamen Sutent® käuflich zu erwerben.
Und ein echtes Wundermedikament ist Sutent® auch nicht. Zuletzt wurden auf der ASCO 2008 Ergebnisse einer Pfizer-finanzierten Studie vorgestellt, die bei metastasierendem Nierenzellkarzinom lediglich einen statistisch nicht signifikanten Trend (p=0.051) zu einer Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens zeigten (26 Monate gegenüber 22 Monaten unter Interferon-alfa).
Richtig ist aber, dass Miller am 22.2.2008 auf einer von der Pfizer GmbH veranstalteten Pressekonferenz zum Thema “Sunitinib: Überzeugend in der Anwendung, vielversprechend für die Zukunft” als Experte aufgetreten ist.
Linktipps der Woche: 725 Gesundheit in Museum, Workshop zu Gesundheitsdigitalisierung und immer am Ball beim Thema Gesundheit
Wöchentlich stellen wir eine Auswahl von interessanten Links zusammen, die derzeit die Gesundheitsbranche beschäftigen. Viel Spaß beim Lesen!
Multiple Sklerose: Langfristige Studien
Was ist der langfristige Nutzen der MS-Therapien? Was ist der langfristige Erfolg der MS-Medikamente? Welche Studien gibt es?
Multiple Sklerose ist eine chronische Krankheit. Die Krankheit ist lang und häufig langsam. Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr treten meistens die ersten Symptome auf, was dann schliesslich zu MS-Diagnosen führt. Durch die verbesserte Diagnostik mit MRI-Geräten verschiebt sich der Diagnosezeitpunkt stetig nach vorne. Multiple Sklerose ist nicht heilbar. Die Betroffenen leben 30 bis 40 Jahre mit der (sich stetig verschlechternden) Krankheit.
Verschiedene Medikamente, die zwischen 20‘000 und 30‘000 Franken kosten, sind zugelassen. Zur Zulassung notwendig waren zwei positive ein- bis zweijährige Studien. In den Studien wurden die Anzahl Schübe und die MRI-Aktivität gemessen. Statistisch weniger Schübe und weniger MRI-Aktivität (weniger Läsionen/Entzündungen) wurden positiv gewertet.
Weniger Schübe, weniger Läsionen. Ein langfristiger Nutzen ist plausibel.
Doch bis heute ist nicht klar, ob die Entzündungen und Schübe die Haupttreiber der Multiple Sklerose sind. Oder ob, nicht doch die Nervenzellen (Neuronen) aus einem anderen, unbekannten Grund absterben und die Entzündungen einfach eine Folge davon sind.
Die Cochrane Collboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten (sytematic reviews and meta analysis) zu medizinischen Behandlungen. Diese gelten als das beste vorhandene Wissen. Kürzlich wurde die Auswertung der MS-Medikamente1 überarbeitet.
It is important to consider that the efficacy and the risk-benefit of all these treatments beyond two years are uncertain, and this is a very relevant point for a lifetime disease such as MS.
Es ist wichtig einzubeziehen, dass die Wirksamkeit und Risiko/Nutzen aller Behandlungen über einen Zeitraum von über zwei Jahren unsicher ist und dass dies ein sehr relevanter Punkt für eine lebenslange Krankheit wie MS ist.
Es gibt also kein wissenschaftlich verlässliches Wissen über eine Zeitdauer von über zwei Jahren. Der langfristige Nutzen der MS-Medikamente ist unbekannt.
Schematische Darstellung der Zulassungsstudien im Vergleich zur weiteren Lebensdauer.
Ein früher Behandlungsbeginn wird dennoch empfohlen.
Deshalb starten die MS Behandlungen früh. Häufig wenn die Betroffenen noch wenig Symptome und eine gute bis ausgezeichnete Gesundheit haben. Die MS-Medikamente sind nicht nebenwirkungsfrei.
Sollen Betroffene wirklich «heute» ein Medikament nehmen, damit es womöglich/hoffentlich «morgen» weniger schlimm wird?
Die Frage kann nicht beantwortet werden. Verlässliche Daten fehlen. Alle tappen im Dunkeln. Deshalb fordert Cochrane langfristige Studien:
Thus, studies on the long-term efficacy and safety of immunotherapies for MS are urgently needed.
Also, Studien über den langfristigen Nutzen und die Sicherheit von Immuntherapien für MS werden dringend benötigt.
Die ersten der heutigen MS-Medikamente gibt es seit den frühen Neunziger-Jahren. Es eine Schande, dass praktisch kaum langfristige wissenschaftlich verwertbare Daten erhoben wurden. Mich erstaunt, dass sich die Neurologen bisher mit den kurzfristigen Daten zufrieden gegeben haben und dass es keinen grossen Aufschrei gegeben hat.
Ist einmal ein Medikament zugelassen, hat ein Pharmaunternehmen wenig Interesse an weiteren Studien, ausser der Ausweitung auf weitere Patientengruppen. Sie dürfen das Medikament verkaufen. Wirtschaftlich macht es wenig Sinn den Verkauf durch weitere Studien zu gefährden.
Patienten und Ärzte brauchen langfristigen Daten dringend. MS-Gesellschaften oder Staaten müssen selbst handeln. Einerseits können die Staaten die Regulation für Pharmaunternehmen verändern und beispielsweise langfristige Studien verlangen und MS-Gesellschaften können selbst solche Studien durchführen lassen. Gesetze ändern ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess.
Erfreulicherweise ergreifen die MS-Gesellschaften neuerdings selbst die Initiative und starten langfristige Studien. Beispielsweise wurden
- die Schweizerische Kohortenstudie Swiss MS Cohort Study (SMSC) von der MS-Gesellschaft und
- die European Register for Multiple Sclerosis (EUReMS) – A tool to assess, compare and enhance the status of people with MS throughout the EU von der European Multiple Sclerosis Platform (EMSP).
gestartet.
Die beste Zeit um einen Baum zu pflanzen wäre vor zwanzig Jahren gewesen, die zweitbeste Zeit ist heute. Afrikanisches Sprichwort
Diese Studien sind sehr begrüssenswert.
Auf die Studien werde ich in kommenden Artikeln weiter eingehen.
Kanada
Kanada ist eine löbliche Ausnahme. Dort wurde vor dreissig Jahren, noch vor den heutigen Medikamenten, mit dem systematischen Erfassen von Krankheitsdaten begonnen. Diese Daten stehen heute zur Verfügung und können ausgewertet werden.
Volkswirtschaftlicher Nutzen
MS wird früh diagnostiziert und die Krankheit dauert lange. Mit über 8‘000 MS Betroffenen ist über ein Promille der Bevölkerung (1 auf 1000 Personen) von der Krankheit betroffen. MS Betroffene scheiden früher aus dem Erwerbsleben aus.
MS-Medikamente sind mit Jahreskosten von über 20‘000 Franken teuer. Die Krankheit verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten. Wegen den Medikamenten und wegen den Invaliditätskosten.
Die Gesellschaft muss ein Interesse an Daten über den langfristigen Nutzen von MS-Behandlungen haben.
Fazit
Verlässliche langfristige Daten sind für MS-Betroffene von grösster Wichtigkeit. Doch langfristige Studien wurden bislang vernachlässigt. Das ist ein enormes Versäumnis. Und dies bei einer Krankheit mit über dreissig Jahren Krankheitsdauer.
Wegen der frühen und langen Krankheit und den hohen Kosten der Medikamente von über 20‘000 Franken bei über 8‘000 Betroffenen sind Daten über den langfristigen Nutzen volkswirtschaftlich von Interesse.
Es braucht mehr langfristige Studien zu Multiple Sklerose.
[Aktualisierung 15.08.2013: Langfristige Studien sind ebenfalls in der Psychiatrie eine Notwendigkeit, siehe Forum Gesundheitspolitik-Artikel Weniger ist mehr, was man aber erst nach einiger Zeit bemerkt: Ein Beispiel aus der Behandlung von psychisch Kranken , 13.08.2013.]
[Aktualisierung 17.08.2013: «Das Fehlen von Langzeitstudien bedeute aber, dass wir nie genau wissen werden, was solche Medikamente später in Erwachsenen bewirken.» Psychopillen für Zappelkinder, Tages-Anzeiger. 17. Aug. 2013. Für viele Krankheiten reichen kurzfristige Studien einfach nicht. Langfristig könnten die Folgen der Medikamente schlimmer als der Behandlungsgrund sein. «Wir führen ein unkontrolliertes Experiment mit der Gesundheit unserer Kinder durch», sagt Allen Frances.]
-
Filippini G, Del Giovane C, Vacchi L, D’Amico R, Di Pietrantonj C, Beecher D, & Salanti G. Immunomodulators and immunosuppressants for multiple sclerosis: a network meta-analysis. The Cochrane database of systematic reviews 2013, Issue 6 Art. No.: CD008933. DOI: 10.1002/14651858.CD008933.pub2 PMID: 23744561
In einem Blogartikel habe ich geschrieben, wie mit einem Trick ganze Cochrane Reports gelesen werden können. ↩