Mediziner haben Angst vor dem Ungewissen
Die Ablehnung digitaler Helfer für den medizinische Alltag durch niedergelassene Ärzte resultiert – wie die Ergebnisse unserer Gruppendiskussionen und Delphi-Befragungen zeigen – u. a. aus deren Befürchtung, die etablierten Arbeitsroutinen aufgeben und / oder technische Neuausrichtungen vornehmen zu müssen, beides Unterfangen mit unkalkulierbaren Folgen. Für eine Reihe von eHealth- und mHealth-Lösungen trifft diese Notwendigkeit größerer Veränderungen zu, allerdings besteht auch immer die Chance, dass sich aus ihnen ein neues, deutlich produktiveres Praxisgeschehen ergibt. Doch vielen Ärzten ist diese Perspektive zu unsicher und so warten sie mit einer Implementierung erst einmal ab.
Startup-Manager setzen auf die Überzeugungskraft ihrer Ansätze
Denjenigen Akteuren in Startup-Unternehmen, die sich zwar mit den Problemen des Gesundheitswesen, aber nicht mit der Verhaltenspsychologie der Mediziner beschäftigt haben, sind die geschilderten Abwehr-Überlegungen häufig fremd. Sie sehen den Nutzen des eigenen Angebotes, achten nicht unbedingt auf Simplizität und agieren in der Überzeugung, dass sich ihre Argumente bereits kurzfristig durchsetzen und auf entsprechende Zielgruppen-Akzeptanz stoßen werden. Für den Start von Projekten ist eine derartige Einstellung unproblematisch, da ohnehin zunächst mit eHealth-affinen Early Adoptern zusammengearbeitet wird. Doch spätestens zu Beginn der Breiten-Diffusionsphase werden die Restriktionen dann virulent.
Fallbeispiel Lifetime: Es geht auch einfach
Im Startup-Sektor finden sich aber auch Lösungen, die in ihrem Digital-Konzept Zielgruppen-Sensibilität, einfache Umsetzung und technische Funktionalität zu einem Nutzen-Gesamtkonzept verbinden. Ein Beispiel ist das LifeTime-Projekt der connected-health.eu GmbH. Sein Entwicklungsziel knüpfte am dem weit verbreiteten Problem an, dass bei verschiedenen Leistungserbringern (Hausarzt, Fachärzte, Krankenhäuser) patientenbezogene Unterlagen (Befunde, Röntgenaufnahmen etc.) erstellt werden, die i. d. R. aber an keinem Ort, schon gar nicht beim Patienten, zusammengeführt sind. Mit einer Smartphone-App für den Patienten und dem LifeHub für die Mediziner, einem Hardware-Modul, das mit jeder Praxissoftware kompatibel ist, wird dieses Problem lösbar. Statt einer „analogen“ Befundübergabe hält der Patient sein Smartphone an den LifeHub und die Daten werden drahtlos übertragen. Der Datenaustausch ist natürlich auch umgekehrt möglich. Das Besondere des Ansatzes liegt darin, dass er ohne jegliche Veränderungsnotwendigkeit der Praxis-EDV, der Arbeitsroutinen oder des Patientenverhaltens funktioniert, niemand muss sich umstellen oder umfangreich eingewiesen werden, das System funktioniert nahezu intuitiv.
Das sind auch Argumente, die sich bestens für das Marketing und den Vertrieb des Angebotes eignen. Es wird sich zeigen, ob es dem Unternehmen gelingt, die Problemlösung erfolgreich im Markt durchzusetzen.
Der Buch-Tipp zum Thema
Wie bereit sind Arztpraxen für eHealth? Facts & Figures aus der Gesundheitswirtschaft
© Klaus-Dieter Thill / IFABS