Immer mehr Drogenabhängige nutzen Schmerzpflaster, um das dort enthaltene Opioid Fentanyl herauszulösen und zu injizieren. Eine neue Broschüre klärt über die Risiken auf.
Fentanyl ist für viele Schwerstkranke zu einem unverzichtbaren Medikament geworden, um schlimmste gesundheitliche Krisen zu überstehen. Das synthetische Opioid wird vor allem als besonders starkes Schmerzmittel Tumorpatient_innen verordnet, um ihre Dauerschmerzen zu linden. Fentanyl-Schmerzpflaster geben den Wirkstoff dann über mehrere Tage hinweg gleichmäßig ab.
Seit einigen Jahren aber werden diese Pflaster auch noch anders angewendet. Heroin- und Opioidabhängige kochen die verschreibungspflichtigen Pflaster aus, um so den Wirkstoff herauszulösen und ihn dann intravenös zu injizieren. Bisweilen werden die Schmerzpflaster auch zerkaut und ausgelutscht wie eine Frucht, denn die Mundschleimhäute nehmen den Wirkstoff noch schneller auf als die Haut oder das Blut.
Über 70 Todesfälle durch Fentanyl im vergangenen Jahr
Fentanyl-Pflaster sind zwar verschreibungspflichtig, doch Drogenabhängige haben andere Wege gefunden, um an sie heranzukommen. Manche durchsuchen den Abfall von Kliniken nach gebrauchten und entsorgten Schmerzpflastern, andere versuchen, sich die Pflaster verschreiben zu lassen, oder versorgen sich über den Schwarzmarkt.
Doch viele, die auf diese Weise an das schmerzlindernde und zugleich beruhigend wirkende Fentanyl gelangen, unterschätzen seine Wirkung, die bis zu hundertmal stärker als die von Morphin sein kann. Bei einer Überdosis werden Konsument_innen bewusstlos, die Atmung setzt aus, und schließlich versagt das Herz-Kreislauf-System. Das kann zu schweren gesundheitlichen Schäden bis hin zum Tod führen.
Nach aktuellen Infos wird Fentanyl besonders in Bayern von Drogen Gebrauchenden genutzt. Zehn der rund 70 Todesfälle, zu denen es 2015 infolge einer Fentanyl-Überdosis in Deutschland gekommen ist, entfielen allein auf den Einzugsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern.
Ursache für die beängstigende Zahl der Drogenunfälle und Todesfälle im Zusammenhang mit Fentanyl sei die enorme Potenz des Medikaments und eine fehlerhafte Umrechnung der Dosis, erklärt Dirk Schäffer. Der DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug/JES hat deshalb gemeinsam mit dem JES Bundesverband e.V. eine Aufklärungsbroschüre verfasst, die auf die besonderen Risiken beim Konsum von Fentanyl aufmerksam macht.
Safer-Use-Tipps
Es reiche allerdings nicht aus, allein auf die Gefährlichkeit hinzuweisen, denn „Fentanyl ist selbst für Substituierte und für Heroinkonsumenten sehr gefährlich und führt bei falscher Dosierung zu einer Überdosis“, betont Schäffer. „Fakt ist, dass dieses Medikament auf dem Markt ist und konsumiert wird. Also gilt es, Strategien der Risikominderung in die Szene zu transportieren.“
Folglich habe man sich dazu entschlossen, es nicht allein bei einem Warnhinweis zu belassen, sondern auch Safer-Use-Tipps zu geben. Die 50-seitige Broschüre im Postkartenformat liefert daher auch detaillierte Hinweise zur Dosierung bzw. zur Umrechnung von Fentanyl auf die normalerweise konsumierte Morphi- oder Methadon-Dosis.
Mit der Broschüre will JES nicht nur Drogengebraucher_innen erreichen, sondern auch Mitarbeiter_innen im Hilfesystem mit praxisnahen Informationen zu Fentanyl und zu Maßnahmen der Schadensminderung versorgen.
Die Broschüre „Fentanyl. Minimierung von Risiken“ kann über www.aidshilfe.de kostenfrei angefordert werden und steht auch als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.