Bestattung, Testament, Patientenverfügung, Vollmacht: Bernd Aretz erklärt, was er in Sachen Vorsorge für sinnvoll hält.
Designerin Jette Joop will als Seniorin Schnabeltassen und scharfe Rollatoren entwerfen. Rainer Schilling, ehemals langjähriger Schwulenreferent der Deutschen AIDS-Hilfe und zeitlebens Design-Liebhaber, findet es völlig richtig, dass ich mir im Vorgriff auf Jette Joops Entwürfe über ebay schon mal eine Schnabeltasse der Königlichen Porzellanmanufaktur in Berlin besorgt habe. „Das ist ein Muss!“, meint er.
Rainer hat an der Wand des Alten St. Matthäus-Kirchhofs in Berlin-Schöneberg das Grab schräg hinter der Ruhestätte der Gebrüder Grimm entdeckt. Hier möchte er einmal, beschienen von der Abendsonne, liegen. Ein angedeutetes griechisches Portal mit drei weißen marmornen Tafeln von der Erstbelegung und Platz für zwölf Urnen.
Zwei Vereine fürs künftige Grab
Für die denkmalgerechte Sanierung haben Rainer, Freunde und ich einen gemeinnützigen Verein gegründet und außerdem einen „Sparverein“, um die Belegung zu regeln und die Friedhofsgebühren anzusparen. Heute würde ich ihn anders nennen, weil er uns als „Sparverein“ nachdringliche Fragen der Bundesaufsicht für Finanzwesen einbrachte, die wissen wollte, ob wir nichtgenehmigte Bankgeschäfte betrieben. Sie war dann aber doch zu überzeugen, dass die Eröffnung eines Sparbuchs nicht genehmigungspflichtig ist.
Wenn man einen solchen Verein will, ist es ratsam, die Satzungsentwürfe vor der Gründungsversammlung mit dem zuständigen Finanzamt und dem Amtsgericht abzustimmen, weil die Vorstellungen der Zuständigen in diesen Ämtern davon, was zulässig sein soll, von Ort zu Ort leicht voneinander abweichen.
Ich halte eine Verfügung zur Totensorge für empfehlenswert und habe eine erstellt. Rainer ist das egal. Wichtig ist ihm sein letzter Platz unter Freunden. Einig sind wir uns beide, dass die Bestattung von Freund_innen und der Familie gestaltet werden sollte, da sie zu deren Trost dienen soll.
Verfügung zur Totensorge
Aus der Sicht des Juristen ist es sinnvoll, jemanden dafür zu bevollmächtigen, vor allem dann, wenn man keine juristisch abgesicherten und daher zuständigen Partner_innen hat. Dann nämlich sind, falls niemand testamentarisch erbt, erst einmal die Familie, die Eltern oder deren Abkömmlinge zuständig. Das mag für einige okay sein, wenn nicht, sollte man es regeln. Falls nichts davon existiert, werden sich das Ordnungsamt und gegebenenfalls das Sozialamt einschalten. Dann kann es allerdings passieren, dass man fernab der Heimat anonym beigesetzt wird.
Wer besondere Wünsche hat, sollte sie – leicht auffindbar – niederschreiben. Eine besondere Form gibt es dafür nicht, sie können handschriftlich oder am PC getippt und eigenhändig unterzeichnet oder aber auch notariell beurkundet sein.
Mit dem Tod ist das Erbrecht verknüpft. Auch Verheiratete oder Verpartnerte sollten ein Testament machen, denn sonst erben die Eltern oder deren Abkömmlinge mit. Näheres dazu findet sich in einer Broschüre des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.
„Bei mir gibt es doch nichts zu erben“, meint Rainer. Ich weise ihn darauf hin, dass eine_e Nachlasspfleger_in bestellt wird, wenn keine schnell auffindbaren Angehörigen existieren. Diese_r wird im Zweifel die Wohnung durch eine Entrümpelungsfirma freiräumen lassen. Ob das eine angemessene Verwertung für einen Nachlass ist, der zu weiten Teilen aus Originalarbeiten schwuler Künstler besteht, ist allerdings sehr fraglich. Ich habe, um meinem Partner das Leben zu erleichtern, ein notarielles Testament gemacht. Dann bedarf es in aller Regel keines Erbscheins.
Vor dem Tod steht das Sterben. In dieser Situation ist eine Patientenverfügung hilfreich. Ich habe noch jene Zeiten erlebt, als die Notarkammern von der Beurkundung abrieten. Das war absurd. Der Staat konnte einen fremden Betreuer oder eine fremde Betreuerin auch für medizinische Einwilligungen oder Widersprüche bestellen, wenn man selbst nicht mehr handlungsfähig war. Der Bürger sollte demnach nicht festlegen dürfen, wie er sterben will und wer seine Patientenrechte wahrnimmt.
Wahrnehmung der Patientenrechte
Ich habe selbstverständlich beurkundet, vorher aber auch darauf hingewiesen, dass die notarielle Form nicht notwendig ist. Die Vorstellung, die betroffene Person könne ja ihre Wünsche geändert haben, ohne das niederzuschreiben, weshalb ihre Wünsche durch die Entscheidungen fremder Ärzt_innen ersetzbar seien, hat mir nie eingeleuchtet. Da hat sich glücklicherweise viel getan. Auch zum Thema Patientenverfügung gibt es eine Broschüre des Justizministeriums.
Allzu detaillierte Regelungen halte dabei für wenig sinnvoll. Ich bin ein Anhänger knallharter Vollmachten, wobei die Bevollmächtigten wissen sollten, welche Behandlung man mitzutragen bereit ist und wann in die palliative Begleitung gewechselt werden sollte. Man muss es ja nicht so machen wie in meinem hier hinterlegten Beispiel, aber es zeigt auf, worüber nachzudenken ist – etwa über die Zustimmung zu einer Organtransplantation, denn inzwischen werden auch Organe von HIV-positiven Spender_innen genommen.
Bei einer Vollmacht ist zu überlegen, wer bevollmächtigt werden soll. Bei mir ist es ganz klar der Hausarzt und nicht mein Lebenspartner, der damit völlig überfordert wäre – aber selbstverständlich soll alles im Gespräch mit ihm entschieden werden. Wer häufiger an Sterbebegleitungen beteiligt war, weiß, dass sich Probleme nur gemeinsam mit den Pflegenden und Behandelnden klären lassen, kaum jedoch durch detaillierte Anweisungen, wann der Strom abzuschalten ist.
„Wenn man Pech hat, ist es für Regelungen zu spät“
Auch für Rainer ist es hilfreich, dass er von seiner langsam dement werdenden Cousine, um die er sich kümmert, eine Vollmacht hat. Für sich selbst hat er sich noch nicht dazu aufraffen können. „In unserer Familie wird man 90, das hat noch Zeit“, winkt er ab. „Vielleicht habe ich aber auch einfach niemanden, dem ich das zutraue.“
Diese Haltung birgt Risiken, denn wenn man Pech hat, ist es für Regelungen zu spät, etwa nach einem überlebten Schlaganfall. Dann sollte es wenigstens eine Patientenverfügung (ohne Vollmacht) geben, in der niedergelegt ist, was man unter keinen Umständen ertragen will. Für ihre Umsetzung und die Regelung aller anderen rechtlichen Angelegenheiten bestellt das Gericht eine_n Berufsbetreuer_in, falls sich niemand aus dem Freundeskreis meldet, der das ehrenamtlich machen will, oder falls man sich vorher nicht schriftlich geäußert hat, wen man sich als Betreuung wünscht.
Der Vorteil einer Betreuung ist, dass die betreffende Person gegenüber dem Gericht finanzielle Rechenschaft ablegen muss, aber auch die örtlichen Fachhilfen für Betreuende in Anspruch nehmen kann. Kleine rechtliche Probleme wie etwa das dritte Zeitschriftenabonnement oder der fünfte Handyvertrag lässt sich durch den Nachweis einer nur sehr eingeschränkten Handlungsfähigkeit leichter lösen. Für manche Dinge wie beispielsweise eine Wohnungsauflösung, das Anbringen von Bettgittern oder für andere freiheitsentziehende Maßnahmen bedarf es immer der Zustimmung des Betreuungsgerichts.
Vollmacht erspart Schreibkram
Durch eine Vollmacht kann man derjenigen Person, der man den gesamten Verkehr mit den Behörden aufbürdet, viel Schreibkram ersparen. Wenn ein wirkliches Vertrauensverhältnis besteht, ist eine Vollmacht die bessere Alternative. Sie empfiehlt sich auch bei hetero- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren, denn aus der ehelichen Verbindung ergibt sich nur eine Vollmacht für Rechtsgeschäfte des alltäglichen Bedarfs, nicht aber für Außergewöhnliches, schon gar nicht für die Wahrnehmung von Patientenrechten.
Informationen:
Broschüren des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz:
- Erben und vererben (Stand 1. November 2015)
- Betreuungsrecht mit Informationen zur Vorsorgevollmacht und den dazugehörigen Formularen (Stand 1. Juli 2015)
- Patientenverfügung mit Formular (Stand 1. Juli 2015)
Deutsche AIDS-Hilfe: Informationen zum Thema „Vorsorge“
Beispiele von Bernd Aretz: