Produktivität plus Gesundheit
Der Arbeitsalltag in Arztpraxen ist für Medizinische Fachangestellten durch eine Vielzahl von Routinen und wiederkehrende Handlungen gekennzeichnet. Deshalb kommt es nicht nur aus motivatorischen, sondern auch unter Produktivität-Gesichtspunkten darauf an, das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass die Arbeit der Mitarbeiterinnen bestmöglich unterstützt wird.
Wo steht der Drucker?
Ein viel zu wenig beachteter Aspekt ist die Platzierung von Geräten. Der Verbesserungsvorschlag, den eine der MFA im Rahmen einer Valetudo Check-up©-Untersuchung in einer Allgemeinarzt-Praxis auflistete, veranschaulicht das Problem: sie bat darum, die Drucker in der Praxis höher zustellen, weil das täglich hundertfache Bücken zu Frust und Rückenschmerzen führte. Hinzu kommt, dass der Umgang mit ungünstig aufgestellten Geräten, ob nun für Büro- oder Medizin-Zwecke, zu deutlicher Zeitverschwendung durch eigentlich unnötige Arbeiten führt.
Die Analyse zum Thema
Niedergelassenen Ärzten, die die kleinen und großen, bislang ungenutzten Optimierungsansätze ihres Praxismanagements kennenlernen möchten, steht hierfür der Valetudo QuickCheck© “Best Practice-Praxismanagement“ zur Verfügung.
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„Die Arbeit in unserer Praxis und mit unserem Team macht mir meistens Spaß. Allerdings werden die Arbeitsfreude und die Arbeitsmotivation häufig durch das destruktive Verhalten unseres Chefs gemindert. Dazu kommt noch eine erhöhte Arbeitsbelastung durch Unterbesetzung.“ (Mitarbeiterinnen-Statement aus einer Benchmarking-Praxisanalyse http://bit.ly/OzmOiQ ) Mitarbeiterzufriedenheit und Teamharmonie sind nicht nur erstrebenswerte Zustände, um eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen, […]
Interessenkonflikte, psychologische Mechanismen und deren Ausnutzung
Interessenkonflikte entstehen bei bezahlten (nützlichen) Tätigkeiten und durch Gefälligkeiten. Diese finanziellen Beziehungen liegen im Bereich des Erlaubten und die ausgeführten Tätigkeiten können für die Allgemeinheit von Nutzen sein (z.B. Forschungsstudien), im Gegensatz zur Korruption.
Warum können Interessenkonflikte aus angemessen bezahlten Tätigkeiten (z.B. Forschungsstudien) und aus kleinen Geschenke zu verzerrten Urteilen oder Entscheidungen führen?
Interessenkonflikte spielen sich auf der psychologischen Ebene ab. Die Betroffenen sind sich der Auswirkungen nicht bewusst. Sie sehen keine Beeinflussung ihrer Handlungsweise. Sie sehen sich als objektiv handelnde Personen.
Es gibt im Menschen tief verankerte psychologische Mechanismen und Automatismen. Sie gelten über Kulturen hinweg.
Automatische Denk- und Entscheidungsprozesse tragen wesentlich dazu bei, den Alltag zu bewältigen.
Diese verkürzten Entscheidungswege, auch Heuristiken genannt, sind häufig effizient und zielführend.
Diese Mechanismen wurden in der psychologischen Forschung untersucht. Beispiele sind der Bestätigungs-Bias, die motivierte Auswertung, das Gegenseitigkeitsprinzip (Reziproziät) und die soziale Bewährtheit.
Es können zwei Gruppen von psychologischen Mechanismen unterschieden werden: Kognitive Einflüsse und soziale Einflüsse.
Kognitive Einflüsse
Framing („Rahmung“)
Wie etwas dargestellt oder ausgedrückt wird, beeinflusst Bewertungen und Entscheidungen. Der Mensch ist keine logische Maschine. Eine 50%-ige Überlebensrate ist für das Gehirn nicht dasselbe wie eine 50%-ige Sterbensrate. Je nach Präsentation wird der Mensch handeln oder nicht. Er wird sich beispielsweise für oder gegen eine Therapie entscheiden.
Ein durch ein Hersteller vorgefertigtes Manuskript für eine Forschungspublikation kann die Fakten zu seinen Gunsten darstellen. Die Angaben sind nicht falsch. Die Leser werden jedoch aufs Glatteis geführt. Ein Forscher kann durch die Annahme der Gefälligkeit eines vorgefertigten Manuskriptentwurfes spätere Urteile verzerren.
Motivierte Auswertung (motivierte Evaluation, wish bias, self-serving bias)
Menschen kommen generell mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Resultaten, die ihnen angenehm sind.
Wenn meinem Porträt noch 10% „George Clooney“ beigemischt wird, erkenne ich mich darin schneller wieder, als wenn ich mein Original-Porträt sehen würde.
Eine uns materiell, sozial oder psychologisch vorteilhaft erscheinende Entscheidung oder Schlussfolgerung prüfen wir weniger streng, akzeptieren sie schneller, nehmen sie stärker wahr und geben ihnen mehr Gewicht.
Das Gegenteil ist der Fall bei uns unvorteilhaften Entscheidungen oder Schlussfolgerungen. Diese prüfen wir strenger, akzeptieren wir weniger leicht oder nehmen sie weniger stark wahr und geben ihnen weniger Gewicht.
Ein Forscher könnte zum Beispiel wichtige, aber (dem Sponsor oder ihm selbst) missliebige Informationen vernachlässigen oder falsch gewichten.
Diese verzerrte Informationsverarbeitung wird nicht wahrgenommen. Man spricht von einem blinden Fleck (bias blind spot).
Das Gefühl der Objektivität auf Seiten des Betroffenen (bias blind spot) ist ein wesentliches Merkmal der motivierten Evaluation.
Während motivierte Informationsverarbeitung im Alltag sinnvolle Funktionen haben kann, wie z. B. Erhalt oder Förderung des Selbstwertgefühls, stellt sie in der Wissenschaft ein Hindernis für die Generierung und Verbreitung valider Erkenntnisse dar.
Bestätigungs-Bias (confirmation bias)
Der Mensch tendiert die Daten zu seinen Gunsten zu interpretieren. Er versucht seine Erwartungen zu bestätigen. Je grösser die Erwartungen, desto resistenter werden wir gegenüber widersprechenden Erfahrungen.
Dieser Effekt wurde anhand eines schönen psychologischen Experimentes untersucht: Leute werden in verschiedene Gruppen eingeteilt und ihnen werden Zahlenreihen gezeigt. Den einen wird gesagt, es handle sich Kalorienaufnahme und Körpergewicht. Also je mehr man isst, desto schwerer wird man. Ein positiver Zusammenhang. Den anderen wird gesagt, es handle sich um Wetterdaten von unterschiedlichen Gegenden: die Regenmenge und die Anzahl Sonnentage. Ein negativer Zusammenhang. Den Probanden wurden nun verschieden präparierte Zahlenreihen gezeigt, unabhängig vom Gesagten: mit positiven Zusammenhang, mit negativen Zusammenhang und unzusammenhängend (unkorreliert). Die Leute wurden nun nach dem Zusammenhang gefragt. Die Leute tendierten einen Zusammenhang der Zahlenreihen zu erkennen, die mit der vorangegangen Schilderung zusammenpassten. Selbst dann wenn keiner Bestand. Ein tatsächlicher negativer Zusammenhang wurde komplett übersehen.
Verfügbarkeits-Heuristik
Der Mensch ist faul. Leichter verfügbare Informationen werden bevorzugt, auch wenn der Grund für die Verfügbarkeit sachlich irrelevant ist. Eine Strategie der Beeinflussung kann darin bestehen seine Informationen zu präsentieren oder gar die Person „einzudecken“. Stichwort „Werbung“.
Anker-Heuristik
Numerische Urteile und Schätzungen orientieren sich an Vergleichswerten. Diese Anfangsvergleichswerte müssen keinen Zusammenhang mit der Schätzung oder dem Urteil haben. Beispielsweise hat eine vorgängig von einem Juristen gewürfelte Zahl einen Einfluss auf das zu verhängende Strafmass. Je höher die gewürfelte Zahl, desto höher das Strafmass. Dieser Effekt ist unabhängig, ob jemand auf einem Fachgebiet Laie oder Experte ist.
Unsere Urteile orientieren sich an Referenzwerten und je nach Verfügbarkeit können dies auch völlig unsinnige Werte sein.
Ein Fehler besteht darin, an die Unbeeinflussbarkeit des eigenen Urteils zu glauben.
Unterschiedliche Anfangsinformationen („Anker“) können zu unterschiedlichen Urteilen führen.
Weitere kognitive Einflüsse sind die Repräsentativitäts-Heuristik und der Rückschau-Fehler.
Soziale Einflüsse
Gegenseitigkeitsprinzip (Reziprozität)
Geschenke werden durch Menschen erwidert. Auch wenn man die Geschenke gar nicht wollte. Durch die Annahme von Geschenken wird die automatische „Geschenkrückzahlung“ in Gang gesetzt. Der Mensch probiert dem Schenker entgegen zu kommen. Er ist bestrebt ein Geschenk durch ein grösseres Geschenk zu erwidern. Kleine Aufmerksamkeiten können so gezielt eingesetzt werden.
Ein Arzt könnte so zum Beispiel als Entgegenkommen unbewusst ein teures Originalpräparat anstatt eines preiswerten Generikas verschreiben, obwohl beide Produkte medizinisch gleichwertig sind und eigentlich das preiswertere Generika zu bevorzugen wäre.
Soziale Bewährtheit (social proof)
Die Menschen orientieren sich bei Entscheidungen am Verhalten anderer Menschen. Welches Restaurant wählst Du, das fast volle oder das halb Leere? Mit welchen Argumenten wurden Leute in einem Experiment zum Stromsparen gebracht? Mit rationalen Argumenten, mit Geldanreizen oder mit dem Hinweis, dass der Nachbar auch Strom spart? Ihr könnt dreimal raten.
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit ist vermutlich eines der am meisten unterschätzten Einflussfaktoren unseres Handelns.
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit lässt eigenes Fehlverhalten mit dem Fehlverhalten Anderer rechtfertigen. „Die anderen machen es ja auch.“
Konsistenz und Commitment („Verpflichtung“)
Der Mensch ist bestrebt auf seinem Weg fortzufahren. Das Weiterfahren bestätigt und rechtfertigt die bereits getroffene Entscheidung. Eine Abkehr würde als Eingeständnis gewertet, dass eine frühere Entscheidung falsch war. Dies kann dazu führen, dass auf einem eigentlich falschen Weg weitergefahren oder geforscht wird.
Eine hohe Verpflichtung (Commitment) empfinden wir, wenn
- das Verhalten freiwillig war,
- das Verhalten mit Aufwand, Anstrengungen, Hindernissen oder Nachteilen verbunden war,
- wir uns schriftlich oder
- öffentlich engagiert haben oder
- wenn eigener Besitz mit betroffen ist.
Dieser Effekt ist auch als Fuss-in-der-Tür-Technik bekannt: nacheinander werden sich steigernde Bitten gestellt. Die erste ist so gewählt, dass man kaum widersprechen kann.
„Wir sind doch Freunde, oder?“ – „Ja.“ – „Und Freunde sollten einander helfen.“ – „Richtig.“ – „Und Geld sollte dabei keine Rolle spielen, nicht wahr?“ – „Nein, sollte es nicht …“ – „Kannst Du mir 100 Franken leihen?“
Das Prinzip wird zum Problem, wenn es dazu beiträgt falsche Entscheidungen oder Standpunkte beizubehalten.
Sympathie/Attraktivitäts-Bias
Anliegen von Freunden und attraktiven Personen werden bevorzugt. Dies kann dazu führen, dass Entscheidungen weniger auf objektiven Kriterien als vielmehr aufgrund von Freundschaft und Sympathie gefällt werden. Warum sind Pharmavertreter und Pharmavertreterinnen jung und hübsch?
During training, I was told, when you’re out to dinner with a doctor, „The physician is eating with a friend. You are eating with a client.“
Was macht einen Menschen sympathisch?
- Ähnlichkeit,
- Nähe und Verfügbarkeit,
- Gegenseitigkeitsprinzip (Reziprozität),
- Assoziation mit positiven Dingen,
- Sympathie uns gegenüber und
- physische Attraktivität.
Diese Merkmale lassen sich auch gezielt erzeugen und pflegen.
Fundamentaler Attributionsfehler
Es macht einen Unterschied, ob sie eine Frage am Familientisch oder vor laufender Kamera beantworten müssen.
Bei Beurteilungen werden situative Faktoren vernachlässigt. Es wird übersehen in welchen Situationen die Personen gehandelt haben. Die Handlungsfreiheit der Personen wird überschätzt. Es wird übersehen, dass Situationen oft einen starken Druck ausüben können.
Ausnutzung der psychologischen Mechanismen
Diese psychologischen Effekte sind kein Geheimnis. Sie werden seit langer Zeit in der Forschung untersucht und sind in zahlreichen Experimenten empirisch überprüft worden.
Die meisten Leute denken, dass Sie nicht oder zumindest weniger beeinflussbar sind als die anderen Menschen. (Auch Du? Dies wird als „Dritte-Person-Effekt“ bezeichnet.) Dieser Umstand kommt der Ausnutzung solcher Mechanismen stark entgegen.
Eines der grössten Probleme der verzerrten Urteilsbildung (Bias) ist die Zuversicht des Urteilenden, von der Verzerrung (Bias) nicht betroffen zu sein.
Diese psychologischen Effekte lassen sich gezielt ausnutzen. Die Pharmaindustrie hat grosse Marketingabteilungen. Diese verfügen über das notwendige Wissen, die notwendigen Leute und die notwendigen Ressourcen. Novartis hat beispielsweise 13 Mrd. USD im Jahre 2010 für das Marketing ausgegeben. (Das waren übrigens 45% mehr als für die Medikamentenforschung!)
Dr. Daniel Vasella und Joe Gimenz wären schlechte Chefs von Novartis, wenn sie so hohe Marketingausgaben hätten, die sich nicht rentieren würden. Die Aktionäre wären unzufrieden, wenn Geschenke ohne Wirkung verteilt würden.
Zusammenfassung
Interessenkonflikte spielen sich auf der psychologischen Ebene ab. Die Betroffenen sind sich der Auswirkungen nicht bewusst und erkennen keine Beeinflussung an ihren Handlungen und Urteilen. Diese psychologischen Mechanismen wie das Gegenseitigkeitsprinzip (Reziprozität) und soziale Bewährtheit können gezielt ausgenutzt werden. Die Zuversicht in die Unbeeinflussbarkeit des eigenes Urteilens und Verhaltens ist der grösste und gefährlichste Fehler. Sie verstärkt und ermöglicht zum Teil erst das Wirksamwerden der anderen Verzerrungen (Bias) und blinden Flecke.
Weiterführende Literatur
Der Artikel basiert auf dem Fachbuch Interessenkonflikte in der Medizin: Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten, Klaus Lieb, David Klemperer, Wolf-Dieter Ludwig, Springer, 2011. books.ch, amazon.de* Kapitel 3.
[Aktualisierung 17.03.2013: Ein illustratives Video (engl.), welches sechs Prinzipien der Überzeugung zeigen: Science Of Persuasion (11:50). Das Video basiert auf der Forschung von Professor Dr. Robert Cialdini (USA) und lohnt sich zu sehen. (NB. Die Angabe des Professors ist eine Anwendung, denn es entspricht Überzeugung durch Autorität.)]
Frage (Update 45)
Bin ich der einzige, der die gestrige ARD-Dokumentation über die von der bösen Pharmaindustrie seit 20 Jahren verhinderte rosafarbene Vitamin-B12-Salbe namens “Regividerm”, die Neurodermitis zu “heilen” in der Lage ist, spontan für einen aberwitzigen PR-Stunt erster Güte hält?
Hier der Link zur Sendung.
Die Süddeutsche Zeitung glaubt die Geschichte.
Fefe, unumstrittener Experte für Verschwörungen jeglicher Art, glaubt sie auch.
Die Home-Page des Herstellers: www.regividerm.de
Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!
Update: Mehr über die Hintergründe gibt es in einem gut 5 Jahre alten Artikel der Boocompany.
Update 2: Vielleicht fehlt ja dem Autor auch ein wenig Abstand zu seiner Geschichte:
Update 3: Martens’ Rezeptbuch zur Doku erreicht Platz 5 der Amazon-Bestsellerliste.
Update 4, 14:30: Platz 3. Herta Müller ist gepackt. Da geht noch was.
Update 5, 17:45: Wer das Rezeptbuch noch nicht bestellt hat, kann sich auch gleich die fertig zusammengerührte Wundersalbe holen. Das ging ja dann doch erstaunlich fix, wenn man das resignierte Gejammer im Film noch vor Augen hat.
Update 6. 18:05: Die Süddeutsche Zeitung bringt einen weiteren Artikel und hat noch nicht Lunte gerochen:
So lange wird er jedenfalls nicht mehr auf Regividerm warten müssen, dem Mann kann geholfen werden. Siehe Update 5.
Update 7: Ich habe ja schon so manche Markteinführung von fragwürdigen Medikamenten und Medizinprodukten verfolgt. Aber diese Geschichte hier hätte man nicht besser inszenieren können. Allein das Timing ist schon ein Meisterstück.
Update 8: Meine absolute Lieblingsstelle im Film ist übrigens ein Zitat von Professor Peter Altmeyer, einem der verantwortlichen Wissenschaftler der beiden bislang bekanntgewordenen Regividerm-Studien (bei ca. 11:25):
Update 9: Hier hat sich jemand die beiden rosabedingt unverblindeten Studien genauer angesehen und ist nicht überzeugt.
Update 10: Die Süddeutsche Zeitung freut sich jetzt in ihrem dritten ahnungslosen Artikel mit uns, dass Regividerm überraschenderweise doch nicht erst in 14 Jahren zu haben sein wird.
TV wirkt.
Update 11: In einem hektisch nachgeschobenen vierten Artikel beginnt die Süddeutsche Zeitung jetzt, mit kräftigen Schlägen zurückzurudern. Aber sie glauben immer noch, dass die Studien verblindet gewesen seien:
Nein. Denn wir wissen ja:
[Edit: In der zweiten Studie ging es dann doch, obwohl “das rosa ist”. Der unglaubliche Trick: Die Placebosalbe war auch rosa!]
Und:
Hätte mich ehrlich gesagt auch überrascht.
Update 12: 21.10., 21:00 Jetzt übernimmt Spiegel Online die PR-Arbeit für die Wundersalbe.
Update 13: Martens bekommt bei Frank Plasberg mit einem seltsam deplaziert wirkenden Auftritt noch einmal eine Plattform für seine Wundersalbenmär, eiert aber gewaltig herum und kommt in der Diskussion mit den anderen Gästen schwer unter die Räder (gegen Ende der Sendung). Auch Markus Grill, nicht im Verdacht, ein Pharmalobbyist zu sein, zeigt sich überaus skeptisch. Er weist auf einen weiteren fundamentalen Denkfehler in der Geschichte hin: Der Preis der Zutaten bestimmt in diesem Markt bekanntermaßen nicht den Preis des Medikaments. Ganz im Gegenteil könnte ein Pharmaunternehmen, das die Patentrechte besitzt, nahezu jeden beliebigen Preis für die Salbe verlangen, wenn sie denn nur besser wirken würde als Vergleichspräparate (wofür es in den beiden vorliegenden Studien keinerlei Anhaltspunkte gibt). Eine zentrale Säule von Martens’ Verschwörungstheorie ist es ja, dass der “günstige” Preis der Salbe quasi vom Erfinder oder durch den geringen Preis der Zutaten vorgegeben sei, und dadurch im Falle einer Vermarktung der Salbe durch Big Pharma der bisherige große Reibach mit teuren (und schlechten) Präparaten ein Ende gehabt hätte.
Update 14: Jetzt ist die Story in den Nachrichten der ARD-Radiosender angekommen. Als Quelle für die Geschichte dient Spiegel Online. Märchen-Ping-Pong.
Update 15: Im Ökotest-Forum, in dem die Geschichte fachkundig kommentiert wird, ist ein weiterer eklatanter Widerspruch aufgefallen:
Er wurde gestern von Plasberg gefragt, was denn Klingelhöller von dem Spinner in der Garage unterscheide.
Martens (sinngemäß): er hat erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten.
Ja klar. Augenrollen
Für das angebliche “Jahr Recherche” ist das aber sehr mager. Er widerspricht damit sogar seinem eigenen Bericht. Aus dem Bericht geht klar hervor, dass die Mini-Studien erst nach 2000 angeleiert wurden.
Das Patent läuft dagegen auf 1994 und er hat das nach dem Bericht nach schon 1994 mehreren Firmen angeboten. hat Martens seinen eigene Film nicht gesehen?
Update 16: Ein Leser weist uns in den Kommentaren darauf hin, dass zur rechtzeitigen Erteilung der PZN (Pharmazentralnummer) für Regividerm eine Anmeldung spätestens am 25.9. notwendig war (links auf “Redaktionskalender” klicken). Dieser Termin liegt vor der ersten uns bekannten öffentlichen Erwähnung der Martens-Doku in einer KNA-Pressemeldung von 29.9. Ist noch irgendeine Aussage der Protagonisten übrig, die sich noch nicht als falsch entpuppt hat? (Siehe dazu auch diesen Kommentarthread. )
Update 17: Regividerm: Wenn die Ethikkommission Urlaub hat…
Update 18: Wir begrüßen fast drei Tage nach der Sendung die Deutsche Apotheker Zeitung als das erste “Mainstream-Medium”, das den Verstand wenigstens nicht komplett an der Garderobe abgegeben hat.
Update 19: Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die Augsburger Allgemeine – die seinerzeit sogar unser Bankhofer-Video eingebunden hatte – schenkt uns einen Link.
Update 20: Auch der zu Beginn des Artikels erwähnte Blogger Fefe rudert jetzt zurück:
Update 21: Nachdem die eidgenössische Presse erst in breiter Front unkritisch auf das Thema eingestiegen war, vernehmen wir jetzt deutliche Worte aus der Schweiz:
Update 22: Aus dem gleichen Text eine Passage, die meine Ausgangsthese noch einmal schwarz auf weiß bestätigt:
Update 23: Die dpa ist zwar spät dran, dafür hat sie trotzdem nichts kapiert. Erbärmlich.
Update 24: Wenigstens die Nachdenkseiten haben, wenn auch spät, das getan, was ihr Name verspricht.
Vielleicht auch ein Vorbild für andere?
Update 25: Der Deutsche Neurodermitis Bund meldet sich zu Wort:
[…]
Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.
Update 26: Unterdessen sackt der vom Lügengebäude übriggebliebene Trümmerhaufen noch weiter in sich zusammen (vgl. Update 16):
Update 27: Medienjournalist Stefan Niggemeier nimmt sich im FAZ-Fernsehblog den “Hart aber fair”-Moderator Frank Plasberg zur Brust:
Update 28: Hier noch ein pikantes Detail aus dem oben verlinkten Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung:
Das würde man bei einer Bankhofer-Sendung in einem dubiosen Spartenkanal mit finanziellen Verbindungen zur Medienaufsicht eher erwarten. Allerdings gibt’s solcherart CDs für den Anbieter des angepriesenen Produkts dort üblicherweise nicht umsonst.
Update 29: Auch der Deutsche Psoriasis Bund (DPB) meldet sich zu Wort und fordert eine Entschuldigung von der ARD:
[…]
Der DPB hat den Vorsitzenden der ARD-Intendanten aufgefordert, sich mediengerecht, öffentlich für die Missachtung publizistischer Grundsätze bei den Menschen mit Schuppenflechte zu entschuldigen und den Deutschen Presserat angerufen.
Update 30, 23.10.: Eine recht nette Zusammenfassung der Ereignisse. Auszug:
Update 31: Es wird noch besser:
Update 32: Der WDR dokumentiert einige “kritische Reaktionen”. Vom Eingeständnis des eigenen Versagens keine Rede.
Update 33: Ein Betroffener berichtet, wie er die Kampagne erlebt hat.
Update 34: Einen schönen Überblick über den Fall mit lehrreichen Hinweisen für angehende Medizinjournalisten gibt es übrigens bei den Kollegen vom Esowatch-Blog.
Update 35: Die Kollegen von den ScienceBlogs haben sich die dürre Studienlage zu Gemüte geführt. Eine weitere Einschätzung hatten wir schon bei Update 9.
Update 36 Die Kollegen von Esowatch haben in kurzer Zeit einen beeindruckenden Artikel zum Stichwort Regividerm auf die Beine gestellt, der die bislang bekannten Fakten in klarer Sprache zusammenstellt. (Wenn man das jetzt mit dem vergleicht, was der preisgekrönte Starjournalist Klaus Martens nach “einem Jahr Recherche” herausgefunden hat…)
Update 37: Löscht der WDR kritische Kommentare zum Regividerm-Märchen?
Update 38, 24.10., 11:15: Spiegel Online rudert endlich zurück, hält es aber bislang nicht für notwendig, seine erste Version des Märchens wenigstens mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen. (vgl. Update 12)
Update 39, 18:45 Danke.
Update 40 Wahrheit unerwünscht: WDR löscht kritische Kommentare zu Regividerm
Update 41, 25.10., Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” hat in seiner morgigen Ausgabe auf S. 105 ein Stück mit dem Titel Übler Nachgeschmack: In einer Dokumentation und bei “Hart aber fair” propagierte die ARD eine Paste, die gegen Neurodermitis helfen soll. Doch wem nutzt die wirklich? Den Artikel habe ich noch nicht gelesen. Es ist jedoch absehbar, was uns erwartet. Zum einen räumt Plasberg Fehler ein und Martens zeigt sich verkatert, aber uneinsichtig. Das kann bei Spiegel Online nachgelesen werden. Zum anderen haben die Hamburger gewohnt knallhart recherchiert. Mit neuen Fakten ist daher eher nicht zu rechnen:
Das hatten wir schon am Donnerstag (bei Update 16) wesentlich genauer.
Die ARD macht bislang keine Anstalten, auf die bevorstehenden Ausstrahlungen der Wundersalben-Werbesendung am 30.10. und 4.11. zu verzichten, warnt aber in ihrem Videotext-Angebot seit Samstag vor Regividerm.
Update 42, 26.10.: Noch einmal Stefan Niggemeier: Das Wundersalbenmassaker
Update 43.: Und gleich noch einmal:
Sogar Journalisten.
Update 44:: Ebenfalls in der FAZ ein ordentlich recherchierter Beitrag zum Thema mit Schwerpunkt auf den medizinischen Hintergründen:
Update 45: Ein offenkundig in Biochemie bewanderter Kommentator auf der Seite Psoriasis-Netz.de hält die Salbe für gefährlich und potentiell krebserregend und begründet dies im Detail. Seine Vermutung ist, dass es aufgrund der speziellen Absorptionseigenschaften von Vitamin B12 im Zusammenwirken mit Tageslicht zur Bildung von hoch reaktivem Singulettsauerstoff kommt, der auf der Haut zur Schädigung von Zellen führt. Die in einer der Studien beschriebenen Nebenwirkungen könnten durch diesen Effekt zu erklären sein. (Seine Aussagen zum Singulettsauerstoff sind nach meinem Kenntnisstand korrekt; das Thema hat mich in einem anderen Zusammenhang schon einmal interessiert. Wir würden uns über eine Kontaktaufnahme freuen.)