Rechtliche Grundlagen der Behandlung im Psychiatrischen Krankenhaus
Die weit überwiegende Mehrzahl der Patienten in einem Psychiatrischen Krankenhaus, ich würde mal sagen mehr als 90 % der Patienten, befindet sich auf freiwilliger Rechtsgrundlage in Behandlung dort, wie in jedem anderen Krankenhaus auch.
Aber natürlich gibt es auch Behandlungen auf der Rechtsgrundlage des Betreuungsgesetzes und des Psych-KGs.
Das Psychiatrische Krankengesetz, kurz „Psych-KG“
Das Psych-KG regelt Zwangsunterbringungen im Psychiatrischen Krankenhaus bei akuter Eigen- oder Fremdgefährdung, wenn der Betroffene in einem Zustand ist, dass er die Notwendigkeit der Behandlung nicht erkennt, aber eine konkrete, akute und erhebliche Gefahr von ihm ausgeht. Ein typisches Beispiel wäre ein Patient mit einer akuten Psychose, der sich verfolgt fühlt, und versucht, sich mit einem Stock gegen unbeteiligte Passanten zu wehren, die er krankheitsbedingt fälschlich für eine Bedrohung hält. Dieser Patient würde sich nicht freiwillig behandeln lassen, da er sich nicht für krank hielte. Eine Behandlung ist aber erforderlich und geboten. In so einem Fall kann ein Arzt zunächst über das Ordnungsamt ein Psych-KG beantragen. Nach Zustimmung des Ordnungsamtes wird das zuständige Amtsgericht informiert und innerhalb von 24 Stunden kommt ein Richter zur Anhörung ins Krankenhaus, um darüber zu entscheiden, ob eine Behandlung auf der Rechtsgrundlage des Psych-KGs erforderlich und notwendig ist.
Die Psych-KG Besuchskommission
Was viele nicht wissen ist, dass jedes Krankenhaus, das Behandlungen auf der Rechtsgrundlage des Psych-KGs durchführt, von der zuständigen Bezirksregierung überwacht wird. Dazu gehört, dass die Bezirksregierung einmal im Jahr eine persönliche Begehung des Krankenhauses mit der Psych-KG Besuchskommission durchführt. Diese Kommission ist eine Abordnung, die einmal im Jahr einen unangekündigten Besuch bei jeder entsprechenden Klinik macht, und überprüft, ob das Psych-KG Gesetz korrekt angewendet wird, wie die Unterbringungsbedingungen sind und welchen Eindruck die Klinik insgesamt macht.
Der Besuchskommission gehören folgende Personen an:
- Ein Beamter der Bezirksregierung als Vorsitzender
- Ein juristischer Sachverständiger (oft ein Richter oder ein Jurist der Bezirksregierung)
- Ein psychiatrischer Sachverständiger (ein Facharzt für Psychiatrie, oft ein erfahrener Oberarzt oder Chefarzt einer anderen psychiatrischen Klinik)
- Ein Vertreter der Angehörigen (als Abgesandter eines Verbandes der Angehörigen psychisch Kranker) und
- Ein Vertreter der Psychiatrie-Erfahrenen (als Abgesandter eines Verbandes Psychiatrie-Erfahrener)
- Häufig ist auch ein Vertreter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt anwesend.
Ablauf der Überprüfung
Die Besuchskommission kommt einmal im Jahr unangekündigt in die Klinik. Da sie keinen Termin hat, kann die Zusammensetzung der Vertreter der Klinikseite etwas variieren. In der Regel wird die Klinik versuchen, folgende Personen zusammenzutrommeln:
- Den Chefarzt der Klinik
- Den Pflegedienstleiter
- Den Geschäftsführer
- Oft den Oberarzt, der die geschlossene allgemeinpsychiatrische Station betreut
Wenn sich alle zusammengefunden haben, verläuft der Besuch folgendermaßen:
- Zunächst spricht die Kommission ausführlich mit den Vertretern der Klinik, um sich zu erkundigen, wie Behandlungen auf der Rechtsgrundlage des Psych-KGs in dieser Klinik durchgeführt werden. Es wird besprochen, wie viele Behandlungen im letzten Jahr per Psych-KG durchgeführt worden sind, welche Diagnosen vorkamen, wie die Geschlechtsverteilung war, auf welchen Stationen die Behandlungen durchgeführt worden sind und ähnliches. Es wird nach besonderen Vorkommnissen im letzten Jahr gefragt und wenn im letzten Jahr Beschwerden an die Bezirksregierung herangetragen worden sind, werden diese besprochen. Die Kommission macht sich auch ein Bild von der Klinik insgesamt, etwa von neuen Bauvorhaben, Renovierungsplanungen, Erweiterungen der Klinik und ähnlichem.
- Dann wird das Krankenhaus besichtigt. Die Besuchskommission schaut sich insbesondere die geschützten Stationen, die Patientengärten der geschützten Stationen, die Bäder und Aufenthaltsräume an.
- Und schließlich wird mindestens ein per Psych-KG untergebrachter Patient befragt, wie er seine Behandlung wahrnimmt. Bei dieser Befragung sind nur der Patient und die Mitglieder der Besuchskommission anwesend, keine Vertreter der Klinik. Der Patient wird erst mal orientierend zu den allgemeinen Umständen seiner Behandlung befragt, wie die Bahandlung bislang verlief und wie er sich behandelt fühlt. Dabei werden auch Fragen besprochen, wie etwa, wie oft er Ausgang im Freien hat, ob er sein Handy behalten darf, wie oft er Besuch bekommt und ähnliches. Dann wird sehr genau die Dokumentation der Behandlung dieses Patienten in Augenschein genommen, etwa, ob täglich nachvollziehbar dokumentiert wurde, warum die Unterbringung per Psych-KG noch erforderlich war.
- Abschließend gibt es ein gemeinsames Gespräch der Kommission mit den Vertretern der Klinik, in der die Klinik eine explizite Rückmeldung und Beurteilung erhält. Wenn etwas nicht gut war, wird dies hier explizit besprochen und eine Verbesserung wird eingefordert.
- Einige Wochen nach dem Besuch erhalten alle Beteiligten den schriftlichen Besuchsbericht, der sehr detailliert nach einem festen Protokoll alle Punkte sowie eine ausführliche Gesamtbeurteilung wiedergibt.
Und man lernt auch als Mitglied der Besuchskommission immer etwas dazu…
Unlängst habe ich die LWL-Klinik in Herten als Psychiatrischer Sachverständiger einer Besuchskommission besucht. Ich darf hier gerne verraten, dass die Klinik sehr angemessen, reflektiert und in vielen Teilen sehr fortschrittlich mit allen Aspekten der Behandlungen im Rahmen des Psych-KGs umgeht. Besonders beeindruckt hat mich, dass die LWL-Klinik Herten auf der geschlossenen allgemeinpsychiatrischen Station folgendes Vorgehen etabliert hat: Jeden Tag prüft der Oberarzt, ob es wirklich erforderlich ist, die Stationstüre geschlossen zu halten. Wenn es keinen Patienten gibt, der gegenwärtig diese Sicherungsmaßnahme erforderlich macht, dann wird ein großes Schild an die Türe gehängt, auf dem steht, dass die Flurtüre nun tagsüber geöffnet ist, dass man sich vor Verlassen der Station bitte beim Pflegepersonal melden soll, und dann wird die Tür einfach aufgeschlossen. Im letzten Jahr sei das an ca. 30 Tagen möglich gewesen. Seit dies so gehandhabt werde, habe sich die Atmosphäre auf der Station sichtbar entspannt. Ausgezeichnete und vorbildliche Idee!
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