Medizynicus auf Buchmesse

Stolz den Presseausweis um den Hals baumeln lassend schlendere ich durch die Heiligen Hallen.
Eine wichtige und richtig große Literaturagentur bietet eine Sprechstunde für Autoren an. Geh ich doch hin. Ich hätte da nämlich ein Exposé in der Tasche, weil ich hab da ja auch mal was geschrieben… der große Agent winkt ab. Wir suchen Qualität! Gute Qualität! Top Qualität! Ich erinnere mich an den berühmten Elevator Pitch und rassele den Plot meines neuesten Werkes schnell herunter. Nicht überzeugend genug offenbar. Ein bisschen Smalltalk noch, dann trolle ich mich ganz bedröppelt meines Weges.
Nebenan geht es um Self-Publishing. Die Dame, die den Stand betreut, sprüht vor Elan. Und dann tippt mir jemand auf die Schulter und das ist ein Bekannter aus Bad Dingenkirchen, der schon das eine oder andere Buch in einem guten Verlag untergebracht hat und da drüben, am Stand gegenüber, da steht der Inhaber eines kleinen, aber feinen Verlages, denn kennt er ganz gut, und wir schütteln Hände und machen Smalltalk und dann schüttele ich noch ganz viele Hände, mache noch mehr Smalltalk und tausche Visitenkarten aus.
Und natürlich wandere ich durch die Messehallenlandschaften, an kleinen und großen Ständen vorbei, von spannend bis langweilig. Da ist ein rechtsradikaler Verlag mit imposantem Auftritt und grimmig dreinschauenden Türstehertypen in dunklem Outfit. Schnell laufe ich davon. Bei einem linekn Verlag wird kubanischer Rum mit fair gehandelter Cola ausgeschenkt wird, während eine Autorin über die neuesten politischen Entwicklungen in Lateinamerika referiert. An einem islamischen Stand bekomme ich die jüngste Verlautbarung eines iranischen Religionsgelehrten in die Hand gedrückt und in christlichen Lese-Inseln wird über die Bibel diskutiert. Und es gibt sogar jemanden, der eine „Neue Bibel‟ verfasst hat, einen dicken Wälzer im A4-Format, herausgegeben im Selbsverlag und so kompliziert geschrieben, dass ihn wohl nur der Autor selbst versteht.
Bald ist es sechs Uhr und damit ist die Messe für heute beendet und alles wälzt sich dem Ausgang entgegen, wo ein vielstimmiger Chor fröhliche Gospel-Songs zum Besten gibt.
Die Straßenbahnen sind natürlich brechend voll und ich brauche eine halbe Ewigkeit, bis ich endlich mein Quartier erreiche, welches sich natürlich aus Sparsamkeitsgründen weit, weit außerhalb befindet und dort angekommen, brauche ich erstmal ein Bier, was ich auch kriege, aber das ist wieder eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll…..