Netzkultur nach Paris und Brüssel: Trauerkritik, Terrorangst, Antisemitismus und das Gift der Menschenfeindlichkeit

Es war wohl mal wieder Zeit für einen neuen Verschwörungsvorwurf in meiner persönlichen Sammlung: Nachdem ich vor vielen Jahren mal als vermeintlich “heimlicher Muslim” ausgespäht, dann von Rechtsextremen als “Islamfreund” angeklagt und bei Antitheisten als “evangelikaler Religiot” ausgezeichnet worden war, darf ich mich nun auch über das Prädikat des “christlichen Zionisten” freuen. Vielen Dank! Hintergrund war eine Facebook-Debatte zur “Trauerkritik”, wie sie inzwischen nach jedem Terroranschlag in Europa seit Paris im Januar 2015 erhoben wird – entsprechend hat sich bemerkenswerterweise eine jeweils französische Schreibweise der Mitleidsbekundungen durchgesetzt. Der Vorwurf der “Trauerkritiker” lautet, dass viele angesichts europäischer Opfer “jetzt plötzlich” Betroffenheit zeigten, für die Toten der Anschläge etwa in Ankara oder Istanbul aber keine Empathie gezeigt hätten. Dagegen wird dann wiederum vorgebracht, dass dies doch wohl menschlich sei und beispielsweise Deutsch-Türken doch auch kaum Trauer um die Toten von Boston, Bagdad, Beirut oder Yola (Nigeria) demonstriert hätten. Unter dem Stichwort des “Empathy Gap” wird dieser Sachverhalt schon seit einiger Zeit und auch international diskutiert. Mit welchem Leid identifizieren wir uns mehr oder weniger? Hashtag-Sammlung rund zur Netz-Trauerkritik. Nun hatte ich mir also erlaubt, in diesen Debatten darauf hinzuweisen, dass ich auch emotional unterschiedliche Betroffenheiten je nach regionaler und kultureller Nähe (also klassischer Gruppenzuschreibung) durchaus nachvollziehen könne, es mir aber schon reichen würde, wenn sich niemand mehr über zivile Opfer von Terrorattentaten freuen würde – zum Beispiel auch in Israel. Der Terrorismus könne nur niedergerungen werden, wenn jede Unterscheidung in “gerechtfertigten” oder “ungerechtfertigten” Terror unterlassen und stattdessen Angriffe auf Zivilisten in jederweiter