Es war so 18.30 Uhr und ich war es: Der glorreiche Dienstarzt für den Abend. Die Hand am Telefon stand ich cool in der Notaufnahme als mich auch schon ein erster wichtiger Anruf erreichte: „Hallo, hier ist die Station 12. Bei uns liegt der Herr Grüller. Kennen sie den?“
„Nein.“
„Oh also, den Herrn Grüller haben wir so gegen 16 Uhr zum Ultraschall geschickt und jetzt ist er weg!“
„Wie weg?“
„Na der ist nie zurückgekommen! Wissen sie wo er ist?“
„Ich KENNE ihn ja nicht mal. Im Ultraschall ist er auf jeden Fall nicht. Da bin ich vorhin vorbeigelaufen. Da ist keiner.“
„Bei uns ist er auch nicht!“
„Könnte er weggelaufen sein?“
„Nein, nein. Der ist schwer krank. Der läuft nirgendwo mehr hin.“
In diesem Augenblick lief der Rettungsdienst an mir mit einer dehydrierten Patientin aus dem Pflegeheim vorbei. Ich kam mit Station 12 überein, dass Herr Grüller sich ja nicht in Luft aufgelöst haben könne und die Station nochmal alles durchsuchen würde.
Ich betreute dann die Patientin aus dem Pflegeheim und noch zwei weitere, weshalb ich Herrn Grüller völlig vergaß.
Gegen 21 Uhr verwickelte mich außerdem der Chirurg in eine verwirrende Diskussion, ob ich den Patienten, dem sie gerade den Appendix herausoperiert hatten, auf meine internistische Station nehmen wolle. „Aber warum? Ihr habt Sachen aus ihm herausgeschnitten, das erscheint mir ganz definitiv… oh… mein Telefon… Moment….“
Station 12 teilte mir nun verzweifelt mit, man habe echt überall gesucht, aber Herr Grüller sei wie vom Erdboden verschluckt.
Hier fiel mein ratloser Blick auf die Akte, die der Chirurg bei sich trug. Ein krumpeliger Kleber mit der Aufschrift „Oswin Grüller“ beschriftete diese. Sollte dies etwa der Gesuchte sein?!
„Yop, so ist es!“ sagte mein Chirurg.
Stellte sich heraus, Herr Grüller, der multimorbide auf unserer internistischen Station rumlag, war zum Ultraschall beordert worden. Ein kluger internistischer Arzt diagnostizierte dort eine Appendizitis, zack war Herr Grüller in einem OP gelandet. Nur Bescheid gegeben hatte man halt niemand.