Vom Wechseln des Arztes

fMFA: “Boss? Die Familie Bielck* möchte gerne zu uns wechseln, wegen Umzug und so. Aber ich seh grad, sie waren vorher bei Dr. Schwurbel* und die Kinder sind bisher nur Tetanus geimpft.” [5 Jahre, 3,5 Jahre und 17 Monate alt]
Ich: “Was haben Sie mit der Mutter besprochen?”
fMFA: “Dass sie gerne wechseln darf, wenn sie die STIKO-empfohlenen Impfungen durchführen lassen möchte. Will sie aber nicht.” [Wir tun niemandem einen Gefallen, wenn wir das nicht vorher klarstellen. Eltern sind sonst unnötig enttäuscht.]
Ich: “Warum bleibt sie dann nicht beim Kollegen Schwurbel? So weit weg wohnt der nun auch nicht.”
fMFA: “Sie meinte, der hätte wohl letztens eine Bronchitis übersehen.”
Naja. “Übersehen” wird ja gerne und schnell interpretiert. Wer weiß, wie zügig sich aus einer banalen Erkältung eine Bronchitis entstehen kann, dürfte großzügiger im Urteil sein. Und Kollege Schwurbel ist trotz seiner impfkritischen Einstellung ein erfahrener Arzt.

Die Mutter saß jedenfalls mit der Tochter im Sprechzimmer, es gab Ohrenschmerzen.
Also: Vorstellung bei Mutter und Kind, Untersuchung, Besprechung:
Ich: “Das Ohr ist ganz schön rot, da drückts ziemlich von innen ans Trommelfell. Tut bestimmt weh.”
Mutter: “Ja, Mira-Lou weint schon die ganze Nacht.”
Ich: “War’s denn nach einem Zäpfchen oder Saft etwas besser?”
Mutter: “Ach nein, gegeben habe ich nichts.”
Ich: “Alles klar. Dürfen Sie aber jederzeit. Sie muß das nicht aushalten.”
Mutter: “Ich dachte, es sei nicht so schlimm.”
Ich (nachdem ich bei der fMFA eine Dosis Ibu organisiert habe): “Jedenfalls schreibe ich Ihnen ein Antibiotikum auf, im linken Ohr staut sich schon der Eiter, das wird vielleicht noch aufgehen.”
Mutter: “Okay. Gibts da auch was…”, [von Ratio.pharm?] “… Natürliches?”
Ich: “Nichts, was ich Ihnen empfehlen würde.”
Mutter: “Ohrentropfen?”
Ich: “Nein.”
Mutter: “Warmes Öl?”
Ich: “Äh, nein.”
Mutter: “Aber Globuli?”
Ich: “Mmh, nein.”
Mutter: “Und wie kann ich Ohrenentzündungen verhindern?”
Ich: “Zum Beispiel mit Impfungen. Häufige Erreger sind Pneumokokken, und die kann man impfen.” Konnte ich mir nicht verkneifen.

Die Mutter hat das Rezept mit dem Antibiotikum zwar mitgenommen, nach diesen Gesprächen weißt Du aber manchmal nicht, ob die Kinder die nötigen Medikamente bekommen. Die Gesprächsebene hat nicht gepasst, die Erwartungen und Angebote waren nicht deckungsgleich, keine guten Voraussetzungen für Therapiecompliance. Dem Kind hilft es nicht, denn zwei Erwachsene haben ihre Positionen ausgetauscht. Die Mutter wollte keinen Paternalismus in der Behandlung ihrer Tochter, der Arzt verhielt sich unprofessionell. Eine Lösung ist schwierig zu finden. Schade. Das Thema Wechsel war zumindest auch kein Thema mehr.

*Namen wurden geringfügig geändert.

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