Unterschiedliche Auffassungen des Begriffs „Strategie“
Die Interpretationen des Begriffs “strategisches Denken” liegen bei niedergelassenen Ärzten weit auseinander: für die einen ist es ein Kaffeesatz-basiertes Stochern im Nebel, für andere eine Kunst, die nur wenige beherrschen. Doch beide Auslegungsarten beschreiben das Wesen und vor allem die Umsetzung nur unzureichend. Strategisches Denken bezeichnet eine vorausschauende Grundhaltung. Hierbei wird versucht, perspektivisch die Folgen von Handlungen oder Entwicklungen in ihren Auswirkungen durch die Bildung von Annahmen, deren Verdichtung zu Hypothesen und die Ableitung von Szenarien zu antizipieren. Das Ziel ist, die Praxisarbeit nicht passiv an die jeweils herrschenden Gegebenheiten anpassen zu müssen, sondern aktiv und vorausschauend handeln zu können.
Die Digital-Medizin benötigt einen strategischen Rahmen
Niedergelassene Ärzte, die Digital-Projekte in ihren Betrieben realisieren wollen, sind gezwungen, strategisch zu denken, denn es werden in absehbarer Zeit eine Vielzahl konkurrierender Angebote zur Verfügung stehen, die unterschiedliche Leistungsschwerpunkte und -möglichkeiten bieten. Um eine passende Auswahl treffen zu können, müssen sie in die Wege und Mittel, mit deren Hilfe die Praxisziele erreicht werden sollen, eingepasst werden. Das Problem ist jedoch, dass bislang nur ein Viertel der niedergelassenen Ärzte über eine ausformulierte Praxis-Strategie verfügt. Fragen der Positionierung, Zielgruppen-Bildung und zum Einsatzrahmen der betriebswirtschaftlichen Instrumente sind gar nicht explizit beantwortet, sondern ergeben sich rein zufällig. Wichtige Kalkulationsverfahren wie die Deckungsbeitrags-Rechnung sind vielen Medizinern unbekannt und wurden schon bei der Einfühlung von IGeL vernachlässigt. Dieses strategische Defizit erklärt auch die vielfach anzutreffende Orientierungs- und Perspektivlosigkeit von Praxisinhabern, wenn es um Entscheidungen zur Praxisführung allgemein und zur Digital-Medizin speziell geht.
Die Qual mit den Zielen
Auch die Zielbildung, die für die Implementierung von Digital-Lösungen eine große Bedeutung hat, ist für viele Mediziner ein Buch mit sieben Siegeln. Untersucht man die Verwendung von Zielen in Arztpraxen, so wird man nicht nur relativ selten fündig – nur wenige Praxisinhaber verfügen über ausgearbeitete Zielsysteme – , sondern stösst auch – analysiert man Praxis-Konzepte und Business-Pläne – auf grundlegende Fehler bei der Zielausarbeitung, denn:
– sie sind häufig unspezifisch formuliert,
– es fehlen eindeutige Messgrößen, die die beabsichtigten Resultate überprüfbar machen,
– viele Ziele sind unrealistisch, d.h. zu hoch oder zu niedrig angesetzt,
– der Zielhorizont ist nicht definiert,
– oft sind alle Ziele gleichwertig, es existieren keine Zielhierarchie und -prioritäten,
– Ziel-Zusammenhänge oder -Widersprüche bleiben unberücksichtigt,
– es werden keine Verantwortlichen benannt und
– es unterbleiben Angaben zum Turnus der Zielüberprüfung.
Hinzu kommt, dass die Medizinischen Fachangestellten die für sie relevanten Ziele oft gar nicht oder nur teilweise kennt, eine ungünstige Ausgangsposition für Arbeitszufriedenheit und exzellente Teamleistungen.
© Klaus-Dieter Thill / IFABS
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