eChange: Nur 12% der deutschen Arztpraxen sind „digital ready“

Kaum Beachtung der Einsatz-Voraussetzungen
Wenn über den Einsatz von Digital-Lösungen in Arztpraxen gesprochen wird, dominieren technische Aspekte und die Beschreibungen der vielfältigen Vorteile. Kaum Beachtung finden hierbei jedoch die Anwendungs-Voraussetzungen in den Praxisbetrieben, d. h. das gegenwärtig praktizierte Praxismanagement. Funktioniert die Praxisführung nicht oder nur unzureichend, lassen sich e/mHealth-Applikationen aber nur schwer etablieren.
Beispiel „Praxis-Strategie“

Niedergelassene Ärzte, die eHealth-Projekte in ihren Betrieben realisieren wollen, benötigen hierfür beispielsweise eine Erweiterung ihrer Praxis-Strategien, denn es werden in absehbarer Zeit eine Vielzahl konkurrierender Angebote zur Verfügung stehen, die unterschiedliche Leistungsschwerpunkte und -möglichkeiten bieten. Um eine passende Auswahl treffen zu können, müssen sie in die Wege und Mittel, mit deren Hilfe die Praxisziele erreicht werden sollen, eingepasst werden. Das Problem ist jedoch, dass bislang nur ein Viertel der niedergelassenen Ärzte über eine ausformulierte Praxis-Strategie verfügt. Fragen der Positionierung, Zielgruppen-Bildung und zum Einsatzrahmen der betriebswirtschaftlichen Instrumente sind gar nicht explizit beantwortet, sondern ergeben sich rein zufällig. Wichtige Kalkulationsverfahren wie die Deckungsbeitrags-Rechnung sind vielen Medizinern unbekannt und wurden schon bei der Einfühlung von IGeL vernachlässigt. Dieses strategische Defizit erklärt auch die vielfach anzutreffende Orientierungs- und Perspektivlosigkeit von Praxisinhabern, wenn es um Entscheidungen zur Praxisführung allgemein und zur Digital-Medizin speziell geht.
Beispiel „Praxisorganisation“

Bereits jetzt wird der Einsatzrahmen von Online-Videosprechstunden intensiv diskutiert. Die technischen Möglichkeiten, ob nun von Praxisteams selbst geschaffen oder von Anbietern bezogen, stehen einsatzbereit zur Verfügung. Der Blick auf die Anwendungs-Voraussetzung, die Praxisorganisation, zeigt aber, dass viele Betriebe von ihrer defizitären Organisations-Situation her gar nicht in der Lage sind, diese Medium sach- und patientengerecht einzusetzen.
Bestimmung der digitalen Prädisposition

Vor diesem Hintergrund ist der Best Practice-Standard der Praxisführung, der die für ein reibungslos funktionierendes Praxismanagement notwendigen Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen beschreibt, das geeignete Instrument, um den Grad der Prädisposition von Praxisbetrieben für digitale Anwendungen zu bestimmen (Digitaler Prädispositions-Status DPS). Er gibt Auskunft darüber, wie ausgeprägt die gegenwärtige Einführungsbereitschaft und -fähigkeit von Arztpraxen für e/mHealth-Angebote ist.
Exploration in Arztpraxen
Um die aktuellen Prädispositions-Situation deutscher Arztpraxen zu bestimmen, wurden 1800 zufällig ausgewählte Praxismanagement-Deskriptionen der IFABS Valetudo-Community im Hinblick auf ihre Best Practice-Umsetzung untersucht und verglichen. Hierbei ergab sich folgendes Resultat:
– Liegt der DPS, d. h. die Erfüllung des Best Practice-Standards über 80%, handelt es sich um Praxen mit einer umfassenden digitalen Prädisposition. Sie verfügen über alle Voraussetzungen für eine systematische und planvolle Implementierung digitaler Konzepte. 12% der untersuchen Praxen zählen zu dieser Kategorie.
– Im DPS-Bereich zwischen 60% und 80% liegen die Betriebe mit einer entwicklungsfähigen Prädisposition (18%). Sie setzen einen Großteil der notwendigen Grundlagen um, einzelne Voraussetzungen fehlen aber noch. Wird dieser Mangel beseitigt, sind sie umgehend in der Lage, digital unterstützt zu arbeiten.
– Im DPS-Intervall von 40% bis 60% der Best Practice-Umsetzung sind die Arztpraxen mit einer Grenzbereich-Prädisposition angesiedelt. Ein Teil der notwendigen Praxismanagement-Bausteine ist vorhanden, ein ebenso großer nicht. Die betroffenen Praxisteams müssen zunächst einen systematischen Praxismanagement-Aufbau betreiben, um Digitaltechniken überhaupt nutzen zu können. Sie machen 39% des untersuchten Kollektivs aus.
– Ein DPS-Wert von unter 40% kennzeichnet Praxen mit geringer Prädisposition. Ihr Management ist in der gemessenen Konstellation grundsätzlich nicht für die Implementierung von e/mHealth-Lösungen geeignet. Ein Einsatz ist damit nicht aussichtslos, aber ohne eine grundlegende Veränderung der Praxisführung extrem unwahrscheinlich (31% der Praxen).

© Klaus-Dieter Thill / IFABS

Der Valetudo Check-up© „Patientenzufriedenheit Arztpraxis“ bietet eine Wichtigkeits-Zufriedenheits-Betrachtung der Leistungsqualität einer Praxis aus Sicht der Praxisbesucher im Benchmarking-Vergleich. Die aus der Untersuchung resultierende Praxis-Expertise beschreibt die Stärken und Schwächen der Arbeit und zeigt bislang ungenutzte Optimierungsmöglichkeiten auf. Ebenso wird eine Quervergleichs-Stichprobe zu Patienten-Bewertungen der Praxis in Internet-Portalen durchgeführt.

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