Die Krankheit trägt einen langen Namen – und der ist genauso schwierig wie ihre Diagnose und Verlauf: Neuronale Ceroid Lipofuszinose, kurz NCL, ist die häufigste Form von Kinderdemenz. Ein schrittweiser Abbau von Neuronen führt bei den Betroffenen zur Erblindung, geistigem Abbau, motorischen Störungen, Epilepsie und einem vorzeitigen Tod – meistens noch vor dem 30. Lebensjahr. Dieser Krankheitsverlauf ist ebenso tragisch wie unausweichlich, denn die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen. Die NCL-Stiftung arbeitet daran, dass das nicht so bleibt: Sie möchte Betroffenen und Angehörigen eine Perspektive geben – und kümmert sich daher um die Vernetzung, Förderung und Koordinierung der verschiedenen Forschungsansätze.
Ihr Aufgabenspektrum reicht aber weit über die Wissenschaft hinaus: Da NCL sehr selten auftritt (in Deutschland schätzt man rund 700 Betroffene), informiert die Stiftung gezielt Augen- und Kinderärzte – damit die noch hohe Zahl an Fehldiagnosen zurückgeht und die Zeit der Ungewissheit für Betroffene kürzer wird.
Der lange Weg zur Diagnose
Der Krankheitsverlauf der Kinderdemenz ist trügerisch: „Bei der juvenilen Form der NCL entwickeln sich die Kinder erst mal ganz unauffällig“, erklärt Dr. Frank Stehr, geschäftsführender Vorstand der Stiftung. „Im Einschulalter geht es dann relativ harmlos mit einer Sehschwäche los, die Kinder erblinden dann aber rasant innerhalb von ein bis drei Jahren. Hier werden dann auch die häufigsten Fehldiagnosen gestellt, weil Augenärzte NCL in der Regel nicht kennen. Sie wird dann häufig mit anderen Augenkrankheiten verwechselt, wie Retinitis Pigmentosa.“ Weitere typische Symptome kommen hinzu: „Weil es sich um eine neurodegenerative Erkrankung handelt, haben Betroffene plötzlich Probleme in der Schule. Das Kurzzeitgedächtnis ist in Mitleidenschaft gezogen, es fällt ihnen schwerer zu rechnen und zu lesen. Mit zehn oder elf Jahren treten erstmals epileptische Anfälle auf.“
In der Regel schalten Eltern dann Neuropädiater ein, die schließlich die korrekte Diagnose stellen: Die Kombination aus Erblindung, Lernproblemen, Epilepsie und Einbußen in der Motorik ist typisch für NCL. „Irgendwann sind die Kinder dann an den Rollstuhl gefesselt. Eines der schwerwiegendsten Symptome ist aber der Verlust der Sprachfähigkeit, der im Teenager-Alter auftritt. Im Erwachsenenalter kommen Schluckbeschwerden hinzu, die so gravierend werden, dass Betroffene irgendwann die Nahrung verweigern. Dann stehen die Eltern vor der schwierigen Entscheidung, ob eine Magensonde gelegt werden soll. In diesem Fall können Patienten zwischen 20 und 30 Jahren alt werden“, so Stehr.
Auch der Unternehmensberater Dr. Frank Husemann befindet sich auf diesem schwierigen Weg: Sein Sohn Tim wurde mit NCL diagnostiziert. Aus dem Wunsch heraus, etwas gegen die kaum erforschte Krankheit zu tun, hat er die Stiftung 2002 mit Hilfe des Service-Clubs Round Table gegründet. „Herr Husemann hat sich entschieden, eine Stiftung zu gründen, um die Forschung voranzubringen und Informationsarbeit bei Ärzten zu leisten – obwohl er sehr schnell realisiert hat, dass unsere Arbeit Tim nicht mehr helfen wird“, sagt Stehr.
„Irgendwann erreicht die Forschung einen Stand, wo man nicht mehr mit Doktorandenstipendien auskommt“
Denn NLC zu heilen – das ist zwar erklärtes Stiftungsziel, liegt aber wohl noch in weiter Ferne. Daher kümmert sich Stehr, selbst Biochemiker und Molekularbiologe, um die Förderung, Initiierung und Vernetzung von Forschungsvorhaben. „Wir gehen gezielt auf Forscher zu und zeigen Schnittmengen zu ihrer eigenen Forschung auf. Wir wollen nicht nur vorhandene Projekte fördern, sondern Wissenschaftler proaktiv für die Forschung gewinnen.“ Das gelinge auch auf Fachkongressen, die Stehr und seine Mitarbeiter regelmäßig besuchen – ein Mal im Jahr richtet die NCL-Stiftung auch ein eigenes Treffen aus. Erste Erfolge haben sich eingestellt: „Manche der Projekte verlassen die Grundlagenforschung und kommen in die präklinische Phase“ – was mit steigenden Kosten verbunden sei: „Mit jedem weiteren Schritt, den wir tun, wird es teurer. Irgendwann erreicht die Forschung einen Stand, wo man nicht mehr mit Doktorandenstipendien auskommt“, so Stehr. Auch deshalb organisiert die NCL-Stiftung Benefizveranstaltungen und wirbt in der Öffentlichkeit für Spenden und Aufmerksamkeit. „Wir gehen auch an Schulen in den Biologie-Oberstufenunterricht. Mittlerweile sind wir Lernpartner für 12 Schulen in Hamburg“, so Stehr.
Die Heilung von NCL, so scheint es, ist also von vielen Faktoren abhängig: Ob Aufklärung, Forschung oder Fundraising – Erfolge in diesen Bereichen müssen ineinandergreifen, damit ein Sieg über diese seltene Krankheit möglich wird.
In diesem Video stellt die Stiftung sich und ihre Arbeit vor: