3 Gründe, warum stationär Pflegende frühzeitig den Beruf verlassen

Warum beenden Pflegende vergleichsweise häufig frühzeitig ihren Beruf? Eine Untersuchung des Instituts Arbeit und Technik (IAT) hat kürzlich genau das untersucht und sich die Frage gestellt, welche Faktoren für die Beantragung von Erwerbsminderungsrenten ursächlich sind. Soviel sei vorweg genommen: die Bezahlung ist nicht ausschlaggebend. Mehr lest Ihr im kommenden Blogartikel auf gesundheitshelden.eu.

gesundheitshelden.eu_ EM-Rente _Pflegende_qErwerbsminderungsrenten als Fluchttür

Erwerbsminderungsrenten, kurz EM-Renten, ermöglichen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, ihr Arbeitspensum aus gesundheitlichen Gründen zu verringern. Der Rente zuvor kommen medizinische Rehabilitationsmaßnahmen, weshalb sich die Autorin der Studie, Laura Schröer, diese näher angeschaut hat.

Demnach sind 25 Prozent der Pflegekräfte mit abgeschlossener Reha-Maßnahme jünger als 40 Jahre. In anderen Berufsgruppen liegt dieser Anteil zwölf Prozent niedriger; Pflegekräfte sind also früher berufsunfähig. Die Auslöser für Reha-Bedarf können selbstverständlich vielschichtig und psychischer sowie körperlicher Natur sein.

Die Autorin widmet sich besonders der Frage nach ursächlichen Faktoren, die stationär Pflegende in die EW-Rente treiben. Dazu stellt sie drei Vermutungen an, die einer Überprüfung unterzogen werden:

1. Aufwand und Nutzen stimmen nicht überein

Stress entsteht unter anderem, wenn der persönliche Einsatz für einen Job nicht mit dessen Entlohnung zusammenpasst, wenn also der Aufwand den Nutzen übersteigt. Eine faire Bezahlung, Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit und Entwicklungsmöglichkeiten sind hier wichtige Faktoren. Der Umfrage nach mangelt es in der stationären Pflege an jedem der vier Punkte. Die Bezahlung ist nicht besonders hoch, wodurch ebenfalls die gesellschaftliche Anerkennung leide. „Wenig Selbstbestimmung und geringe materielle und ideelle Anerkennung der eigenen Arbeitsleistung“ könne zudem zu Depressionen führen.

Dazu kommt, dass die Jobs von Pflegenden nicht immer sicher sind, denn der Stellenabbau in deutschen Kliniken fördere Zukunftsängste. Zusätzlich ist der Nutzen durch Fortbildungen gering und Aufstiegschancen gibt es wenige, heißt es weiter. Wissenschaftler sprechen gar von der Pflege als Sackgassenberuf.

Die von der Autorin befragten Personen nennen außerdem die hohe Motivation der Pflegenden als Ursache für Stress und Überforderung. Das klingt auf den ersten Blick merkwürdig, das Problem liegt hier vor allem in den Einschränkungen durch den Arbeitgeber. Die Arbeitsbedingungen ließen es oft nicht zu, so zu pflegen, wie PflegerInnen es gerne täten. Erwerbsminderungsrenten ermöglichen hier einen Ausweg aus dem Stress.

2. Demografischer Wandel und die Ökonomisierung der medizinischen Versorgung

Der demografische Wandel macht sich bemerkbar und die Alterspyramide könnte bald auf ihrer Spitze wanken. Dieser Prozess betrifft auch die Kranken- und Altenpflege. Wir können zwei Entwicklungen beobachten: Erstens steigt das Durchschnittsalter der Pflegenden und zweitens altern auch die Gepflegten, bei denen „chronisch degenerative Erkrankungen“ zunehmen werden. Der Pflegebedarf und –aufwand steigt und die „Arbeitslast in der Pflege [muss] in Zukunft […] zu einem großen Teil von Beschäftigten mit einem Alter von über 50 Jahren getragen werden“.

Zusätzlich bestätigten Befragte den negativen Einfluss von knappen Personalschlüsseln, die als Folge der Ökonomisierung der Pflege vorzufinden sind. Diese führten zu einer vorprogrammierten Überforderung.

„Nur mit weniger Personal können Sie die Leistung, die von ihnen erwartet wird irgendwann nicht mehr bringen. Und dann werden die Leute, die eigentlich in 10 Jahren wegbrechen, vielleicht schon in 5-6 Jahren wegbrechen und dann haben wir ein Problem.“ (Eine befragte Person)

Die Möglichkeit, weniger Arbeit zu leisten und das Arbeitspensum einzuschränken, sei vielerorts nicht gegeben.

3. Ein Alternativberuf ist nur theoretisch möglich

In größeren Einrichtungen besteht häufig die Möglichkeit, den körperlich anstrengenden Job des Pflegenden gegen eine kaufmännische Stelle einzutauschen; eine Umschulung vorausgesetzt. Das Angebot wird aber nicht der Nachfrage gerecht, wie eine Aussage aus der Untersuchung auf den Punkt bringt: „Ich sage es jetzt mal überspitzt –  man kann nicht alle ins Archiv (…), ins EKG oder in die Codierabteilung stecken, das geht einfach nicht.“ Wie viel die Umschulung berufserfahrener MitarbeiterInnen genau kostet, kann nur geschätzt werden; sie sei aber zumindest teurer als die Eingliederung von BerufsanfängerInnen, so Schröer. Warum sollte eine Klinik also umgliedern?

Auch hier spielt die Motivation der Pflegenden eine Rolle, die vor allem in ihrem eigenen Beruf arbeiten und wertgeschätzt werden wollen. Für viele wäre der Berufswechsel und infolge eine Tätigkeit außerhalb des Krankenhauses keine Lösung und käme schlicht nicht infrage; die EM-Rente dient an dieser Stelle als Fluchttür aus einer alternativlosen Situation.

Gibt es Lösungsansätze?

Geht es nach der Autorin, müssen die Ursachen für die Nutzung von Erwerbsminderungsrenten bekämpft werden. Doch wie stellt man das an?

Man könnte meinen, dass es ausreichen würde, die Bezahlung merkbar zu erhören. Die Befragten sehen darin aber nicht die Lösung und würden vor allem bessere Arbeitsbedingungen schätzen. Es ist also zum einen wichtig, die Tätigkeit der Pflege aufzuwerten. Man könnte dem Beispiel der Schweden folgen und die Pflege als eigenständige Profession anerkennen. Die Unterordnung der PflegerInnen unter die MedizinerInnen in einer Klinik würde dann der Vergangenheit angehören. Zusätzlich müsste Pflegekräften neben der „Einbindung […] in die Planung von Pflegeprozessen“,  Zeit für ihre Tätigkeit, ihre Profession, gegeben und der Personalschlüssel nach oben korrigiert werden.

Eine zweite Stellschraube befindet sich im Gesundheits- und Personalmanagement. Der Gesundheit der Pflegekräfte müsse mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, so Schröer. Sie stellt richtig fest, dass „die Wiederherstellung von Gesundheit der Patient(inn)en […] ohne eine Stärkung der Gesundheit der Beschäftigten nicht realisierbar“ ist. Zusätzlich wird auch das Verhältnis zu Vorgesetzten von den Befragten als kritisch angesehen und ist teils sogar ursächlich für die Beantragung der EM-Rente. Kurzum: auch Führungskräfte müssen für die Anforderungen und Belastungen der Pflegekräfte sensibilisiert werden.

Reha-Maßnahmen sind bekanntermaßen die Vorstufen zur EW-Rente. Folgt man der Autorin, lassen sich hier Schwachstellen entdecken. So finden Therapien zum einen vornehmlich in Kurorten statt, die weit vom Wohnort entfernt sind; eine Lösung könnte aus ambulanten Angeboten bestehen. Wie zuvor ausgeführt, ist die hohe und aufopfernde Leistungsbereitschaft der Pflegenden nicht ausschließlich positiv. Pflegekräften müssten im Rahmen von Reha-Maßnahmen aufgezeigt werden, dass „nicht erledigte Aufgaben nicht zwangsläufig auf individuelles Versagen“ zurückzuführen sind.

Fazit

Die Autorin liefert einige Gründe für Erwerbsminderungsrenten und zugleich Handlungsempfehlungen. So, wie sich die jetzige Situation in der Pflege gestaltet, kann es nicht weitergehen und das Wohl der Pflegenden muss in den Fokus rücken. Angemessene Personalschlüssel wären ein Anfang.

Wer sich nach diesem zusammenfassenden Blogartikel für die Untersuchung selbst interessiert, kann diesem Link folgen.

Bild: Pixabay, Bildausschnitt, CC0 1.0

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