Geburt nach Kaiserschnitt ist kein Widerspruch

In Deutschland kommen immer mehr Kinder durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Im Jahr 2014 waren es knapp 32 Prozent aller Geburten. Obwohl Mediziner und Medien den Kaiserschnitt kritischer als vor einigen Jahren bewerten und Studien die Aufmerksamkeit zunehmend auf Langzeitfolgen für Mutter und Kind lenken, scheint der Trend zur Schnittentbindung ungebrochen. Dabei ist die Zahl der Geburten, bei denen es zu einer erheblichen Gefährdung für Mutter oder Kind kommt und die deshalb einen Kaiserschnitt erfordern, gleich geblieben.

Die Rate an Kaiserschnitten nimmt in Deutschland stetig zu © HBR, creative commons

Die Rate an Kaiserschnitten nimmt in Deutschland stetig zu © HBR, creative commons

Verändert hat sich hingegen die Anzahl der sogenannten relativen Kaiserschnittindikationen bei denen ein Ermessensspielraum besteht. Hier fällen Ärzte immer öfter die Entscheidung für den Kaiserschnitt. Nicht-medizinische Gründe, die durch die Strukturen im heutigen Gesundheitswesen bedingt sind, gewinnen dabei zunehmend an Einfluss (Faktencheck Kaiserschnitt 2012).

Medizinisch lassen sich die hohen Kaiserschnittraten nicht begründen, denn obwohl der Anteil der Schnittentbindungen von ca. 20 Prozent im Jahr 2000 auf knapp 32 Prozent im Jahr 2014 stieg, hat sich das klinische Outcome bei Mutter und Kind in diesem Zeitraum nicht weiter verbessert (Faktencheck Kaiserschnitt 2012). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass vor allem die Anzahl der Erstkaiserschnitte gesenkt werden könnte, ohne Einbußen für die Sicherheit von Mutter und Kind.

Hinzu kommt: Kaiserschnitte reproduzieren sich selbst. Wird ein Kind mit Hilfe des Skalpells geboren, kommt das nächste Kind in 74 Prozent der Fälle ebenfalls per Kaiserschnitt zur Welt. Im europäischen Vergleich nimmt Deutschland damit einen Spitzenplatz ein: In kaum einem anderen Land Europas stehen die Chancen der Mütter auf eine natürliche Geburt nach Kaiserschnitt so schlecht wie bei uns.

Sicherlich gibt es vielfältige Ursachen dafür, dass in Deutschland nur 26 Prozent aller Frauen nach einem Kaiserschnitt natürlich gebären können. Dennoch spiegelt diese Rate weder eine medizinische Notwendigkeit noch den Wunsch der meisten Mütter wieder. Die möchten nämlich vor allem eines: die Geburt ihres nächsten Kindes möglichst unverletzt und selbstbestimmt erleben.

Doch welche Begleitung während Schwangerschaft und Geburt benötigen Frauen, die zuvor einen Kaiserschnitt erlebt haben?

Die Begleitung von Frauen nach Kaiserschnitt(en):

Frauen haben nach Kaiserschnitt(en) unterschiedliche Bedürfnisse und ihre Begleitung kann weit über medizinische Aspekte hinausreichen. Welche Begleitung sie benötigen, hängt unter anderem davon ab, wie die Mütter den operativen Eingriff erlebt haben und ob sie sich ein weiteres Kind wünschen.

Drei wichtige Schritte können in der Begleitung von Kaiserschnittmüttern hilfreich sein:

  1. Die vorherige Geburt besprechen und gegebenenfalls therapeutische Hilfe vermitteln
  2. Den möglichen Geburtsmodus gemeinsam diskutieren
  3. Frauen auf die gewünschte Geburt vorbereiten und Strukturen schaffen, die eine natürliche Geburt begünstigen sowie das Vertrauen der Schwangeren in ihren Körper stärken

Schritt 1: Über die Geburt sprechen

Viele Frauen wünschen sich besonders nach einem Kaiserschnitt ein Gespräch mit dem beteiligten Arzt beziehungsweise der Hebamme über die Geburt. Bei dieser Gelegenheit können offene Fragen beantwortet, mögliche Irrtümer ausgeräumt und die Ereignisse während der Geburt eingeordnet werden. Mütter, die nach einer Geburt traurig, verunsichert oder verletzt sind, brauchen einen geschützten Raum, in dem sie über ihre Erlebnisse sprechen können und manchmal auch eine therapeutische Begleitung. Unbewältigte traumatische Geburten können sich nämlich auf die Beziehung zum Kind, die Partnerschaft, die Erledigung von Alltagsaufgaben sowie auf die nächste Schwangerschaft auswirken. Oftmals hilft es schon, wenn Frauen ermutigt werden, ihre Erlebnisse rund um die Geburt aufzuschreiben oder sich mit anderen Frauen auszutauschen, zum Beispiel in Foren oder Müttergruppen.

Schritt 2: Den Geburtsmodus gemeinsam diskutieren

„Kann ich das nächste Kind normal bekommen?“ fragen viele Mütter nach einem Kaiserschnitt. Dies sollte in einem ausführlichen Gespräch zwischen der Mutter und ihrem Arzt oder ihrer Hebamme erörtert werden. Es gilt hier gemeinsam die medizinischen Möglichkeiten mit den Wünschen und Vorstellungen der Mutter in Einklang zu bringen. Wichtig: Es sollte dazu unbedingt eine Kopie des OP-Berichtes und vielleicht auch des Geburtsjournals vorliegen.

Manche Ärzte raten aus Sorge vor Komplikationen recht schnell zum erneuten Kaiserschnitt. Doch in vielen Situationen ist eine vaginale Geburt möglich, z.B. bei:

  • Zwillingen,
  • Beckenendlage,
  • Zustand nach Kaiserschnitt wegen Geburtsstillstandes,
  • Vermutetem großem Kind,
  • Zustand nach mehr als einem Kaiserschnitt,
  • Zustand nach Kaiserschnitt mit T-Schnitt,
  • Zustand nach Kaiserschnitt und zusätzlicher Entfernung von Myomen (Operationsbericht),
  • Zustand nach Kaiserschnitt wegen Verdachtes auf Uterusruptur, sowie
  • Überschreitung von 41+0 Schwangerschaftswochen ohne Wehenbeginn.

Dennoch kann in manchen Fällen ein Kaiserschnitt empfohlen werden, wenn individuelle Umstände auf höhere Risiken hindeuten. Jedoch sollte jede werdende Mutter wissen, dass sie immer eine Zweitmeinung einholen kann!

Schritt 3: Mütter auf die Geburt vorbereiten:

Eine Geburt nach Kaiserschnitt braucht etwas mehr Vorbereitung, als eine „normale“ Geburt! Wählen Mütter den Ort der Geburt und ihre Hebamme sorgfältig aus und erleben während der Geburt eine wertschätzende Begleitung auf Augenhöhe, sind die meisten unter ihnen mit ihrer Geburt zufrieden, selbst dann, wenn es wieder zum Kaiserschnitt kommt. Ein wichtiges Kriterium bei Kliniken ist eine möglichst niedrige Eingriffs- und Kaiserschnittrate.

Vertrauen gewinnen

Viele Frauen, die nach Kaiserschnitt(en) natürlich geboren haben, können bestätigen, dass die mentale Vorbereitung auf die Geburt für sie entscheidend gewesen ist.

Diese Vorbereitung zielt unter anderem darauf ab, den Geburtsschmerz als physiologisch und für die Geburt notwendig annehmen zu können sowie ein gestecktes Ziel nicht vorschnell aufzugeben.

Kann eine Frau die Signale ihres Körpers interpretieren und hat sie ein gutes Körpergefühl, so wird sie auch während der Geburt selbstbewusster mit den Herausforderungen umgehen können, die möglicherweise auf sie zukommen.

Umgang mit Ängsten

Manche Mütter trauen sich besonders dann, wenn der Kaiserschnitt wegen eines Geburtsstillstandes erfolgte, die nächste Geburt nicht zu. Kam es im Vorfeld des Kaiserschnitts zu einer Notsituation, besteht häufig die Angst, dies könnte sich wiederholen. Es ist wichtig, solche Ängste ernst zu nehmen und gemeinsam mit der Mutter Strategien zu entwickeln, mit diesen Ängsten umzugehen.

Doch wieder ein Kaiserschnitt

Mütter sollten auch dann, wenn eine natürliche Geburt gewünscht und geplant ist, einen alternativen Geburtsplan für den Fall eines Kaiserschnittes haben. Die Auswahl der „richtigen“ Klinik spielt auch in diesem Fall eine große Rolle. Sind folgende Standards bereits etabliert, erleichtert dies Müttern und ihren Kindern den Start. Sie können als Auswahlkriterien dienen, wenn Mütter bereits wissen, dass sie einen Kaiserschnitt bekommen werden oder den wiederholten Kaiserschnitt einplanen möchten.

  • Im Falle eines Kaiserschnittes wird das Bonding im OP-Saal ermöglicht
  • Mütter werden beim Stillen unterstützt
  • Beim geplanten Kaiserschnitt wird in der Regel der Wehenbeginn abgewartet, weil die Kinder dadurch seltener unter Anpassungsstörungen leiden
  • Eine Trennung von Mutter und Kind wird konsequent vermieden

Fazit

Eine Geburt nach Kaiserschnitt braucht kompetente und achtsame Begleitung. Eine Mutter sollte auch mit dieser Vorgeschichte in erster Linie als gesunde, gebärfähige Frau behandelt werden.

 

Literatur: „Meine Wunschgeburt – Selbstbestimmt gebären nach Kaiserschnitt“; Ute Taschner, Kathrin Scheck, edition riedenburg 2012