Doch, ich kann es schon verstehen, dass man zwei Kinder hat. Also, dass man das erste Kind mitbringt in die Kinderarztpraxis, wenn das zweite seine Vorsorgeuntersuchung hat, vor allem, wenn das erste Kind noch kein Kindergartenkind ist oder so alt, dass es bei der Omma bleiben kann für zwei Stunden. Das verstehe ich sehr gut. Wie soll man´s dann auch anders machen?
Was ich aber nicht verstehe, ist, dass das erste Kind, während ich das zweite Kind untersuche, die ganze Zeit unbeachtet durch die Mutter (aber sehr wohl registriert durch mich), sämtliche zur Verfügung stehende Schranktüren im Behandlungsraum (als da wären … Moment … sechs) und Schubladen (… äh, drei) mehrmals öffnen darf, um den dort befindlichen Inhalt genauestens zu untersuchen. Verbandsmaterial, Handtücher und Windeln sind sehr interessante Dinge während einer langweiligen Untersuchung des Geschwisterkindes. Spannend auch das Otoskop und die Ewingrassel, ganz zu schweigen von den Pflastern, Mundspateln und Ohrtrichtern – die nebenbei später eventuell bei anderen Kindern Verwendung finden sollen.
Ich verstehe, dass man in gewissen Situationen nicht multitaskingfähig ist. Und ich verstehe auch, dass Kind Nummer Eins einen gottgebenen Instinkt dafür hat, wann Mama abgelenkt ist – in diesem Fall durch die Untersuchung (durch mich) ihres Kindes Nummer Zwo.
Was ich nicht verstehe, dass ich das – im Gegensatz zur Mutter – sehr wohl wahrnehme und auch reagiere. Zunächst gegenüber Kind Nummer Eins, dann bei der dritten Bemerkung auch gegenüber der Mama. Nicht verstehen kann ich dann die rotzfreche naive Bemerkung der Mutter, sie dachte, sie sei in einer Kinderarztpraxis. Nun gut.
Meine Konzentration bei der Beurteilung von Kind Zwei ist ausreichend geschult. Sogar so sehr, dass ich (während ich Kind Zwei impfe: Eine Hand hält den Oberschenkel, die andere impft) schnell genug bin, um die Kanüle zu ziehen, außer Reichweite von Kind Zwei zu legen, um im gleichen Moment die Hand von Kind Eins zu erwischen, die bereits neugierig auf dem Impftablett rumgrapscht. („Aber, Leon-Malte-Moritz, dass darfst Du doch nicht, da kannst Du doch Aua-Aua bekommen.“ OT Mutter.)
Ich verstehe mich schließlich sehr gut, wenn ich nach diesem Moment kurz mal austickte.
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Dies ist ein Nostalgie-Posting – veröffentlicht erstmals vor fünf Jahren – für Euch, liebe Leser, recycelt und aufpoliert. Enjoy.
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