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Transparenznotstand bei Altenheimstudie
Vor einigen Tagen stürmte das Thema “Mangelernährung im Altenheim” die deutschen Medien, vom Hamburger Abendblatt, der “Welt”, der “Rheinischen Post”, der “Netzeitung”, der “Saarbrücker Zeitung” über die “BILD” bis hin zum WDR-Fernsehen und dem ZDF. Anlass für die Berichterstattung war eine Pressemitteilung der Universität Witten/Herdecke über eine Befragung, nach der etwa die Hälfte aller deutschen Altenheimbewohner “Risiken für eine Mangelernährung” trage. Aus dieser Meldung hatte der evangelische Pressedienst (epd) eine Geschichte gestrickt, die dann offenbar auch von der Nachrichtenagentur AP aufgegriffen wurde.
Das Anprangern von Missständen im Pflegebereich ist auf den ersten Blick ein löbliches Ansinnen, und ein Kommentator unter dem Artikel auf “welt.de” bringt seine Freude so zum Ausdruck:
Heimbewohner haben normalerweise keine Lobby mehr.
Auch regiert Profit in der Regel über Menschlichkeit.
Hat es hier tatsächlich einmal ein Gesundheitsthema in großer Breite in die deutschen Medien geschafft, ohne dass man dahinter den PR-Coup eines solventen Unternehmens vermuten muss?
Weder in den Medienberichten noch in der Pressemitteilung wird darauf eingegangen, wer die alarmierende Befragung der Universität Witten/Herdecke finanziert hat. Dafür können etwa die “Berliner Morgenpost” und der “Kölner Stadt-Anzeiger” noch eine weitere Studie aufbieten, die die Dramatik der Situation unterstreicht:
Die serviceorientierte “Welt” verweist ihre Leser am Ende ihres Artikels auf das entsprechende Informationsangebot der “Deutschen Seniorenliga”.
Finanziert hat beide Studien (wie auch das Material der den Lesern dieses Blogs für ihre intransparente Firmen-PR bestens bekannten “Deutschen Seniorenliga”) die Pfrimmer Nutricia GmbH, eine Tochterfirma des multinationalen Lebensmittelkonzerns Danone. Pfrimmer Nutricia ist spezialisiert auf Produkte rund um die künstliche Ernährung durch den Magen-Darm-Trakt und beschreibt ihr Produktsortiment so:
Karikatur: Dr. COI behandelt im besten Interesse
In welchem Interesse handeln gesponserte Ärzte und Forscher? In jenem der Pharma, der Patienten oder der eigenen?
Bilder sprechen mehr als tausend Worte. Meine erste Karikatur:
Dr. COI (be)handelt im besten Interesse. COI = Conflict of interest = Interessenkonflikt | CC BY-SA Patientensicht.ch
Inspiriert von den Karikaturen von Widmer (WOZ) und Burki (24 heures) wollte ich es selbst einmal probieren.
Da die Arme etwas klein geraten sind, hier ein Ausschnitt mit den Armen:
Dr. COI Ausschnitt mit den Armen. | CC BY-SA Patientensicht.ch
Im Sport werden die Sponsoren offen und stolz aufs Trikot oder den Rennanzug aufgetragen, z.B. auf dem Trikot von Rennvelofahrer Fabian Cancellara oder dem Rennanzug von Töfffahrer Tom Lüthi. Das Sponsoring ist wahrscheinlich in der Medizin ungleich grösser als im Sport, beispielsweise gibt Novartis jährlich rund 15 Mrd. Dollar für das Marketing aus (unglaubliche 50% mehr als für die Forschung). Doch die Mediziner tragen alle ihre weissen Kittel. Die Sponsoren werden möglichst versteckt und verheimlicht. Von Transparenz gegenüber den Patienten keine Spur. Das sollte nicht sein.
Interessenkonflikte (conflict of interests, COI) entstehen, wenn eine Person neben der Hauptaufgabe, in weitere Aktivitäten involviert ist. Beispielsweise wenn Mediziner auf gesponserten Kongressen weitergebildet werden oder Geschenke erhalten. Insbesondere häufig treten Interessenkonflikte in der akademischen Medizin auf, da viele Studien von der Pharmaindustrie gesponsert sind. Beispielsweise wenn Professoren klinische Studien für die Marktzulassung von Medikamenten der Pharmaindustrie durchführen. Das Heimtückische ist, dass sich Interessenkonflikte subtil und unbewusst auswirken.
[Aktualisierung 19.09.2013: Interview mit Tagesanzeiger-Karikaturist Felix Schaad, Tagesgespräch SRF 19.09.2013. Zu Beginn macht er 5cm² Zeichnungen zum Herantasten.]