Arzneimittelstudien: Noch mehr bittere Pillen

Es gibt „bitteren Pillen und es gibt schlechte Nachrichten… Jetzt gibt es ganz schlechte Nachrichten. Und die basieren auf einem Skandal, der sich vor rund zwei Jahren in der Pharmabranche abspielte: Pharmaskandal – Gefälschte Arzneimittelstudien durch GVK Bio?

Diesen Artikel schrieb ich seinerzeit zu diesem Skandal. In diesem Beitrag sind weitere Links und Verweise auf ähnlich ausgerichtete Artikel aus meiner Feder, die belegen, dass diese Praktiken der Pharmaindustrie alles andere sind als „Ausrutscher“ oder „Einzelfälle“.

Danach hörte man nicht mehr viel von dieser „Panscherei“ aus Indien, wo sich namhafte Pharmafirmen ihre Zulassungsstudien und mehr haben stricken lassen. Mit dieser Strategie des Totschweigens wollte man Gras über die Sache wachsen lassen, auf dass man zu gegebener Zeit wieder als „evidenzbasierte“ Einrichtung vor die Öffentlichkeit treten konnte.

Aber: Jetzt gibt es sie wieder, diese Öffentlichkeit. Und die sieht alles andere als rosig aus. Die „Süddeutsche Zeitung“ behauptet nämlich: „Behörde: 52 deutsche Medikamente vorerst besser nicht zulassen“. Leider beziehungsweise Gottlob ist die Süddeutsche nicht die Einzige, die dies behauptet. Gleiches berichten uns „Focus“, Greenpeace, „Die Welt“ und Bionity, die sogar von 80 Medikamenten sprechen…

Und Grundlage für den Zulassungsstop ist eben dieser Medikamentenskandal in Indien von vor rund zwei Jahren. Insgesamt sind 16 Hersteller von Nachahmer-Präparaten mit 80 Produkten betroffen. Es handelt sich hier um Medikamente zur Behandlung von Hypertonie, Migräne, Depressionen und prophylaktische Mittel gegen Herzinfarkt. Wie das BfArM verlauten ließ, sind hiervon verschiedene Darreichungsformen und Packungsgrößen betroffen, für die jeweils gesonderte Zulassungen notwendig sind.

Während die Vertreter von GVK Biosciences Manipulationsvorwürfe zurückweisen, gilt es heute als erwiesen, dass die Firma im großen Stil manipuliert hat. Es sind Daten schön gerechnet und EKGs manipuliert worden.

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Inzwischen führt GVK keine Studien mehr durch. Man wartet hier ab, wie sich die Streitfrage um die Manipulationen entwickeln. Ich würde ja erwarten, dass solche Manipulationen als Betrug eingestuft werden – da sich dies ja (unter Umständen) nachhaltig auf die Gesundheit und vielleicht sogar das Leben (oder vielmehr vorzeitige Ableben) der Patienten auswirken könnte,  die solche „geschönten“ Medikamente einnehmen oder in Zukunft einnehmen sollen. Werden eventuell auftretende Todesfälle oder nachhaltige gesundheitliche Schäden dann als „Kollateralschäden“ behandelt oder als Totschlag beziehungsweise Körperverletzung? Wie gesagt, bestreitet GVK alle Anschuldigungen. Und damit werden mögliche Probleme beim Patienten, der so zugelassene Medikamente einnimmt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eben nicht auf die getürkten Zulassungsdaten zurückgeführt.

An dieser Stelle würde man die ersten juristischen Schritte gegen GVK erwarten. Aber so wie es aussieht freut sich die Firma, dass hier (noch) nichts in die Wege geleitet worden ist: „«Wir haben noch nicht von unseren Kunden gehört», sagte die [GVK] Sprecherin.“ Und wie es den Anschein hat, wird es auch keine juristischen Schritte geben. Denn die Auftraggeber-Firmen waren ja im Grunde mit den Ergebnissen der Zulassungsstudien (Bioäquivalenzstudien) zufrieden. Hätte es da nicht diese Entdeckung durch die französische Arzneimittelbehörde ANSM gegeben, dass hier im großen Stil betrogen wurde, wäre keiner der Auftraggeber aufgestanden und hätte sich beklagt.

Für die Vertreter der Schulmedizin hat aber auch dieser Tiefschlag gegen den eigenen Anspruch auf Allwissenheit und Evidenzbasiertheit noch ein Gutes. Der Präsident des BfArM formuliert das folgendermaßen: „Es ist gut, dass wir jetzt auch auf europäischer Ebene ein deutliches Signal für die Einhaltung unserer hohen ethischen und medizinischen Standards für klinische Prüfungen setzen.

Gut gebrüllt, Löwe! Immer wenn etwas fürchterlich „in die Hose geht“, dann werden Ideale und Standards auf höchster Ebene aus der Schublade gekramt. Aber Ideale und Standards haben ist die eine Sache – und ziemlich einfach dazu. Diese aber konsequent „evidenzbasiert“ in der Praxis durchsetzen, auch wenn es einmal teuer und kompliziert wird, das ist die Kehrseite, an der die Schulmedizin und vor allem die Pharmaindustrie regelmäßig (= sehr häufig) scheitern. Wer finanzielle Interessen als oberste Priorität gesetzt hat, für den sind Ideale und schöne Standards nichts als ideologische Begleitmusik zu kriminellen Praktiken.

Und da ist der „Unfall“ in Indien nur als ein leider allzu deutliches Bild von den Vorgängen in der Pharmaindustrie zu werten: Während man in Europa und den Staaten etwas geschickter und mit mehr Feigenblättern seine betrügerischen Aktivitäten umsetzt, haben sich die Inder wohl gedacht, dass Europa und die USA weit entfernt sind und dass man hier mit seinen Praktiken etwas unvorsichtiger/bedachtloser sein könnte.

Fazit

Der „Zulassungsskandal“ in Indien ist ein „Zulassungsunfall“. Die Inder haben der Welt zeigen können, ohne es zu wollen natürlich, wie man in der Pharmaindustrie arbeitet und was hier „evidenzbasiert“ heißt. Die Betrügereien waren so heftig, dass selbst die europäischen Zulassungsbehörden nicht in der Lage waren, die Augen zu verschließen und der Sache ihren Lauf zu lassen. Ein Grund für Jubel über die hohen ethischen und medizinischen Standards ist diese Angelegenheit nicht. Sie ist (für mich wenigstens) ein sehr gewichtiger Grund, mehr über gesundheitliche Prophylaxe und alternative Behandlungskonzepte nachzudenken. Denn sollte man einmal erkranken und dann solche (möglicherweise) krank machenden Medikamente erhalten, dann wird man evidenzbasiert den Kürzeren ziehen.

Für alle Freunde der Schulmedizin und Pharmaindustrie habe ich noch den Rat bereit: Bevor ihr verlangt, dass Homöopathie, Heilpflanzen (und so weiter) eine Zulassung durchlaufen sollten, seht erst einmal zu, dass eure eigenen Medikamente eine Zulassung durchlaufen, die den Namen verdient. Oder reicht hier der Schein aus Indien schon aus? Euer Laden stinkt derartig, dass die Rinderställe des Augias (bekannter als Sauställe der Auguren) für mich als allerfeinstes Parfum erscheinen…

Dieser Beitrag Arzneimittelstudien: Noch mehr bittere Pillen wurde erstmalig von Heilpraktiker René Gräber auf NaturHeilt.com Blog veröffentlicht.