Es ist Samstagabend, 23 Uhr.
Wir haben eine kleine Patientin, die aufgrund eines chronischen Problems (das nur durch eine Operation behoben werden kann) schon seit längerer Zeit starke Schmerzen und daraus resultierend diverse Einschränkungen hat.
Natürlich fragen wir uns tief in unserem Innern grundsätzlich, warum Menschen bei (schon länger bestehenden) Schmerzen unbedingt immer bis zum Wochenende oder bis in die Nacht warten müssen, bevor sie beschließen, sich doch mal Hilfe zu suchen. Klar kommt es mal vor, dass man seine Schmerzen und die Schmerzentwicklung falsch einschätzt und es dann doch nicht mehr bis zum nächsten Morgen oder bis nach dem Wochenende aushält. Wenn der Schmerz akut aufritt ist es eh was ganz anderes, ebenso bei Kindern, aber bei manchen Menschen steckt tatsächlich System dahinter.
Es gibt Patienten, die am Wochenende oder am späten Abend ins Krankenhaus gehen, weil sie dem Irrglauben aufsitzen, dass dann weniger los ist und sie deswegen weniger warten müssen. Und in der Notaufnahme wartet man ja eh nicht so lang wie beim Hausarzt, weil man ja ein Notfall ist. *hust* 😉
Es kommt durchaus vor, dass Patienten, die von der Wohnung aus zum RTW gelaufen sind und dann sitzend gefahren wurden (“Auf die Trage leg ich mich aber nicht!”), dann in der RTW-Anfahrt des Krankenhauses doch noch schnell auf die Trage umsteigen wollen. “Dann denken die in der Notaufnahme nämlich, dass es dringender ist und ich komm schneller dran.”
„Machen Sie jetzt aber bitte mal das Blaulicht und das Martinshorn an, damit die wissen dass es wichtig ist!“
Ja. Nein.
Wir machen tatsächlich Übergaben an die Kollegen in der Notaufnahme. Überraschenderweise sind wir nämlich nicht nur “die Fahrer und Träger”, sondern wirklich echt ausgebildetes medizinisches Fachpersonal.
Und der Rettungsdienst ist eigentlich nicht als Blaulichttaxi für Leute gedacht, die sich für die normale Sprechstunde des Hausarztes zu fein sind, sondern in der Regel für Notfallpatienten.
Da ist es erstens wichtig, dass wir im Einsatz rausfinden, was das Problem ist (damit wir es angehen können) und zweitens, dass wir das, was wir rausgefunden haben und unsere Verdachtsdiagnose ans Krankenhauspersonal weitergeben – damit die nicht auch noch im Nebel stochern müssen.
Bei einem echten Notfall ist dafür nämlich keine Zeit.
Und sich vordrängeln wollen, vor Menschen, die vielleicht größere Probleme haben, das ist einfach grundsätzlich asi.
Ich habe mir angewöhnt, in der Notaufnahme völlig wertfrei mitzuübergeben, wenn Patienten den Wunsch geäußert haben, von mir ungerechtfertigterweise als dringender Notfall übergeben werden zu wollen, um schneller dranzukommen.
Was die Notaufnahme daraus macht, liegt dann nicht in meiner Hand, aber die Kollegen dort haben auf sowas in der Regel genauso viel Bock wie wir. 😏
So. Zurück zu “unserem” Kind. Die Kleine hat schon seit einigen Monaten Schmerzen, aber ein Besuch beim Kinderarzt oder in der Kinderklinik wurde bisher immer abgelehnt: “Da muss man doch auch so lange warten, und wirklich viel Zeit nehmen die sich ja auch nicht für uns.”, war Papas Begründung.
Und Mama erklärt “Wir haben es dann seit Februar mit Globuli versucht, und paar andere homöopathische Medikamente ausprobiert. Das hat aber leider auch keine Besserung gebracht.”
Meine Antwort war dann auch nur (recht undiplomatisch) “Gut, ist ja auch nicht anders zu erwarten bei wirkstofffreien Mittelchen.”
Das arme Kind. Monatelang bei Schmerzen mit Placebos behandelt werden und dann am Wochenende nachts wachgerüttelt werden, damit Mama und Papa nicht so lange im Wartezimmer sitzen müssen.
Bingo!?
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