Ist das die Stimme der Pflegenden? – Mit einer Pflegekammer zu mehr Gehör

Deutsche Pflegekammern sind ein aktuelles Thema. Derzeit gibt es in zwei der 16 Bundesländer eine Pflegekammer. Wir haben uns dem Thema diese Woche gewidmet und uns mit den Chancen und Befürchtungen beschäftigt.

gesundheitshelden.eu_ Pflegekammer _qEine Pflegekammer ist landesweit organisiert und rechtlich gesehen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie übernimmt vielseitige Aufgaben: Dazu zählt unter anderem, den Beruf in der Öffentlichkeit zu vertreten, sowie die Interessensbündelung der Pflegenden, die dazu genutzt werden soll, an Gesetzgebungsverfahren mitzuwirken, Gesetze aber nicht zu beschließen. Zusätzlich dient eine Pflegekammer der Beratung, regelt Fort- und Weiterbildungen, nimmt Berufsprüfungen ab und führt ein Register über alle Pflegenden.

Dagegen nimmt sie den Gewerkschaften nicht die tariflichen Aufgaben ab, stellt keine Pflegenoten aus, die ohnehin in der Kritik stehen, und sorgt sich ebenso nicht um die Altersvorsorge der Mitglieder und Mitgliederinnen. Jeder aus dem Berufsstand der Pflegenden ist Zwangsmitglied der Pflegekammer. Der Beitrag pro Person und Monat wird in Niedersachsen auf im Schnitt zehn Euro geschätzt; er richtet sich nach dem Gehalt.

Derzeit gibt es in zwei Bundesländern Pflegekammern, in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Mitte Mai zog die Presse, 100 Tage nach Gründung der bundesweit ersten Pflegekammer, ein bescheidenes Fazit. Mit ihren 40.000 Mitgliedern hatte die Pflegekammer in Rheinland-Pfalz nicht nur positive Reaktionen hervorgerufen. Die ver.di wirft der Kammer beispielsweise vor, Probleme zu beschreiben, die bereits allgemein bekannt seien und eventuelle Lösungsvorschläge ohnehin nicht umsetzen zu können. Sie geht sogar so weit und unterstellt den Vorstandsmitgliedern eigennütziges Verhalten. So sollen diese sich in den ersten 100 Tagen vornehmlich um Entschädigungen gesorgt und deshalb reihenweise Abmahnungen und Aufforderungen zur Mitgliedschaft versandt haben, obwohl der Mitgliedsbeitrag noch gar nicht feststand. Viele Pflegende im Internet sind sich einig, dass damit einhergehende Bußgelder und ein drohendes Berufsverbot unangemessen waren.

Pflegekammern in anderen Ländern

Der große Erfolg und der Durchbruch von Pflegekammern blieb in Deutschland bisher aus. In anderen Teilen Europas ist das zum Teil anders. In vielen Ländern gibt es bereits eine Pflegekammer, die die Interessen der berufstätigen Pflegenden vertritt, beispielsweise in Dänemark, Schweden, Frankreich und Großbritannien. Letztere Kammer wurde bereits vor gut 100 Jahren gegründet.

Was ist zu befürchten und wo liegen Chancen?

Die aktuellen Probleme in der Pflege sind weitgehend bekannt: Knappe Personalschlüssel, eine geringe Bezahlung, hohe körperliche Belastung und vergleichsweise viele Fälle von Frührenten. Bei all diesen Themen treffen verschiedene Interessen und Verbesserungsvorschläge aufeinander, die eine Einigung erschweren. Es ist zu vermuten, dass auch die Mitglieder einer Pflegekammer sich nicht einig sind. Um die Interessen zu bündeln, müssten also demokratische Strukturen in den Kammern Einzug halten. Man sollte bedenken, dass das einige Zeit der Organisation in Anspruch nimmt, in der Probleme noch nicht gelöst werden können.

Die Gründungen der zwei deutschen Pflegekammern sind anscheinend nicht ideal verlaufen. Das fehlende Verständnis für die Zwangsmitgliedschaft und die damit zusammenhängenden Beiträge zeigt, dass im Vorfeld nicht genügend Aufklärung betrieben wurde und die Ziele einer Kammer anscheinend nicht jedem bewusst  gemacht worden sind.

In der Gründungsphase, sei es nun die einer Pflegekammer oder einer anderen Organisation, fallen Verwaltungsaufgaben an. Diese behindern die regulären Aufgaben, weshalb die gesetzten Ziele erst nach einiger Zeit verwirklicht werden können. Eine Pflegekammer kann theoretisch durchaus Vorteile für die Bevölkerung und die Pflegenden bringen. Denn sie kann sich für eine qualitätsorientierte Pflege einsetzen, das Ansehen des Pflegeberufes erhöhen und den Pflegenden eine Stimme verleihen. Ersteres ist mit einer gezielten Mitsprache bei der Gesetzesgestaltung umzusetzen. Verbesserungswürdig wären zum Beispiel die Arbeitsbedingungen. Stichwort: Personalschlüssel. Würde er erhöht, hätten Pflegende mehr Zeit für die Pflege, die Zufriedenheit würde steigen und die Anzahl der Erwerbsminderungsrenten in der Pflege würde sinken.

Können Gewerkschaften flächendeckend bessere Arbeitsbedingungen bewirken?

In einem unserer letzten Artikel haben wir herausgestellt, dass der geringe Verdienst in der Pflege nicht hauptursächlich für Erwerbsminderungsrenten beziehungsweise Frührenten ist. Die ver.di, als große Gewerkschaft und als Vertreter der Arbeitnehmerinteressen, kann mit der Aushandlung von Tarifverträgen und angemesseneren Gehältern flächendeckend eher wenig an der hohen Anzahl an Frührenten, einem Problem der Branche, ändern. Es scheint, als bräuchte man dafür eine Organisation, die beratend an Gesetzen mitwirkt, die für jede Institution des Gesundheitswesens bindend sind, und so die Lage in dieser Hinsicht und die Arbeitsbedingungen verbessert.

Den angesprochenen Artikel über Gründe, warum stationär Pflegende frühzeitig den Beruf verlassen, verlinken wir hier. Feste Quoten sind zwar auch nicht das Allheilmittel, wie dieser Artikel darlegt, aber schon ein erster Weg in die richtige Richtung. Ver.di hält entgegen, dass Pflegekammer nicht mehr Einfluss als Gewerkschaften nehmen könnten. Pflegekammern hätten allerdings aufgrund der Pflichtmitgliedschaft in jedem Fall mehr Mitglieder als Gewerkschaften.

Man kann hoffen, dass es einer großen Gemeinschaft leichter fällt, etwas zu bewegen, eine Veränderung und ihre Ziele durchzusetzen. Wie oben dargestellt, ist der Anreiz, einer Pflegekammer beizutreten momentan nur sehr gering. Das Zauberwort scheint Aufklärung zu heißen, um die Zweifel zu beseitigen, schnell handlungsfähig zu werden und die Ziele in Angriff zu nehmen.

Bild: Pixabay, Bildausschnitt, CC0 1.0

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