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Lust auf 50 Euro in 20 Minuten?
50 Euro in 20 Minuten – schnell verdientes Geld sollte man meinen. Das offeriert eine Marktforscherin einigen Onkologen und Urologen per Massenfax.
(klick macht gross)
Die Gegenleistung: Ein paar Fragen zur Behandlung von Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom zu beantworten. Das Fax macht einen nicht sehr Vertrauen erweckenden Eindruck. Das Unternehmen ist im Internet praktisch nicht existent. Im Anschreiben wenig über die Marktforschungsfirma, keine Informationen zum Ziel der “Studie”, keine persönliche Ansprache, keine Angaben zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Das Fax macht den Eindruck eines “Kaufe-jedes-Auto-auch-defekt”-Angebot.
Ich traue ja Big Pharma vieles zu, aber hier würde ich andere Auftraggeber vermuten. Die grossen Pharmaunternehmen suchen sich ihre Dienstleister genau aus. Mal ins Blaue getippt, könnte ich mir es als eine Akquise-Strategie eines Medizinprodukteunternehmens vorstellen.
Trotzdem: Alles nicht die relevanten Gründe, warum das Fax im Papierkorb landete – wo es gefunden und dokumentiert wurde. Das eigentliche Hindernis sind die 50 Euro – kein motivierender Betrag. Für die Meinung von onkologischen oder urologische Fachärzten zahlt die Pharmaindustrie üblicherweise mehr.
Klosterfrau-Überzeugungstäter Bankhofer
Der ehemalige TV-Gesundheitsguru Hademar Bankhofer hat über Jahre verdeckt die Produkte der Klosterfrau-Gruppe angepriesen. Zu diesem Ergebnis kommt der Journalist Marcus Anhäuser hat in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung. Dafür hat Anhäuser sich insbesondere in der Fernsehzeitschrift rtv von Anfang 2007 bis Sommer 2008 angesehen. Da wimmelt es von eingetragenen Markenzeichen der Kosterfrau Healthcare Group.
Bei Bankhofers Rauswurf beim WDR im Sommer 2008 beteuerte der Naturheilkunde-Papst noch, dass er lediglich einen Beratervertrag habe, in dem stehe, dass er “keine Werbung und PR mache”. Mit diesen neuen Fakten konfrontiert verwies er nun darauf, das er Überzeugungstäter sei:
In einem weiteren Artikel wird die wissenschaftliche Qualität seiner Tipps noch einmal hinterfragt. Es verstärkt sich der Eindruck, dass der Medizinjournalist auf das Überprüfen von Quellen verzichtet, wenn die Message sich schön verkaufen lässt. Zwei Journalistik-Professoren halten dies für hochgradig unseriös. Hier könnte man Bankhofer sogar zur Seite springen, denn seine Arbeitsweise unterscheidet sich nicht besonders von der vieler anderer Kollegen. Medizinjournalismus in Deutschland verlässt sich zu oft auf die Ausagen der Pharmaunternehmen und der von ihnen bezahlten Forscher.
Wobei der Begriff “Journalist” eigenlich nicht auf Bankhofer passt. Wie Marcus Anhäuser in seinem Blog zu Recht bemerkt: “Sein Format ist ist die Kolumne”. Kolumne bezeichnet in der Presse sowie im Online-Journalismus einen kurzen Meinungsbeitrag als journalistische Kleinform. Meinung, nicht Evidenz und Objektivität ist das Geschäft von Bankhofer.
Dauerhaft zutrittsberechtigte Lobbyisten aus dem Gesundheitssektor im Schweizer Parlament
Jede Parlamentarierin und jeder Parlamentarier darf zwei dauerhafte Zutrittsausweise ins Bundeshaus vergeben. Die zugelassenen Personen können der Ehegatte, ein persönlicher Berater oder ein Lobbyist sein. Die Ausweise ermöglichen Lobbyisten direkten und dauerhaften Zugang zu den Schweizer Parlamentariern. Neu ab dieser Legislatur wird das Register der erlaubten Zutritte im Internet veröffentlicht. Die Internetveröffentlichung ermöglicht eine einfache Analyse der Interessenverflechtungen der Parlamentarier.
Welcher Parlamentarier gibt welchem Lobbyisten Zutritt ins Bundeshaus? Welche Lobbyisten aus dem Gesundheitsbereich haben Zugang? Wie viele Pharmalobbyisten sind es?
Ich bin einmal das Zutrittsregister der National- und Ständeräte vom Dezember 2011 durchgegangen. Dabei habe ich alle Organisationen und Vertreter herausgesucht, die etwas mit dem Gesundheitssystem zu tun haben.
Parlamentarier | Partei | Rat | Kanton | Name | Lobby |
---|---|---|---|---|---|
Barthassat Luc | CVP | NR | VD | Ricou Lionel | CURAVIVA SUISSE (Verband Heime und Institutionen Schweiz) |
Bortoluzzi Toni | SVP | NR | ZH | Martin Urs | Privatkliniken Schweiz |
Darbellay Christophe | CVP | NR | VS | Pilloud Xavier | Réseau future (hautes écoles, universités, EPF, …) |
Derder Fathi | FDP | NR | VD | Gaggini Cristina | economiesuisse |
Frehner Sebastian | SVP | NR | BS | Britt Jean-Christophe | Novartis International AG (Public Affairs) |
Fridez Pierre-Alain | SP | NR | JU | Wiesli Reto | Médecins de famille suisse |
Kiener Nellen Margret | SP | NR | BE | Glauser Rosmarie | Verband Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen- und Ärzte (VSAO) |
Landolt Martin | BDP | NR | GL | Näf Urs | economiesuisse |
Lehmann Markus | CVP | NR | BS | Sennhauser Marcel | scienceindustries |
Lustenberger Ruedi | CVP | NR | LU | Fischer Judith | SUVA |
Mörgeli Christoph | SVP | NR | ZH | Pletscher Thomas | economiesuisse |
Parmelin Guy | SVP | NR | VD | Cueni Thomas | Interpharma |
Reimann Lukas | SVP | NR | SG | Simonet Denis | Piratenpartei |
Schenker Silvia | SP | NR | BS | Tschirky Erich | Schweizerische Gesundheitsliga-Konferenz (GELIKO) |
Spuhler Peter | SVP | NR | TG | Gentinetta Pascal | economiesuisse |
Stahl Jürg | SVP | NR | ZH | Miescher Alex | SPORT/SFV |
Stahl Jürg | SVP | NR | ZH | Grichting Thomas J. | Krankenversicherer GROUPE MUTUEL |
Streiff-Feller Marianne | EVP | NR | BE | Loetscher Ivo | Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung (INSOS Schweiz) |
van Singer Christian | Grüne | NR | VD | Frund Vinciane | Médecins de famille Suisse |
Wandfluh Hansruedi | SVP | NR | BE | Peyer Hans | Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP) |
Hess Hans | FDP | SR | OW | Henggi Bruno | Interpharma Basel |
Maury Pasquier Liliane | SP | SR | GE | Güttinger Doris | Fédération suisse des sages-femmes (SHV/FSSF) (Hebammenverband) |
Dauerhaft zugangsberechtigte Lobbyisten aus dem Gesundheitssektor im Schweizer Parlament. Die Lobbyisten der Pharmaindustrie und der Krankenkassen sind rot markiert. Quelle: parlament.ch, Stand: Dezember 2011
Thomas Cueni, Cheflobbyist Interpharma, CC BY-SA 3.0 Interpharma
Interpharma ist die Pharmalobbyingorganisation in der Schweiz. Sie vertritt Novartis, Roche und weitere Pharmaunternehmen. Thomas Cueni ist Generalsekretär der einflussreichen Interpharma (Tagesanzeiger, 28. Juni 2007). Ihr Lobbying hat den Parallelimport von Medikamenten verhindert und damit überhöhte Preise für Medikamente gestützt. Dies hat schliesslich für jede Bürgerin und jeden Bürger (Krankenkassenprämienzahlern) höhere Krankenkassenrämien zur Folge (NZZ Online, 29. Mai 2009). Das Parlament gewichtete die Interessen der Pharmaindustrie höher als jene der Prämienzahler (= Bürger).
Ein Muster lässt sich erkennen: Die SP- und Grünenparlamentarier sind mit den Gesundheitsberufen (Hebammen, Haus-, Assistenz- und Oberärzte) verbunden. Die SVP- und FDP-Volksvertreter sind mit der Pharmagrossindustrie (Novartis und Interpharma) verbunden. Die SVP Vertreter ermöglichen also den «Kassiern» des Gesundheitssystems den Bundeshauszutritt und Lobbyingzugang bei den anderen Bundesparlamentariern. Die Mitteparteien CVP und BDP ermöglichen den Wissenschaftsvertretern (Réseau future und scienceindustries) Zugang.
Ob die Berufsangaben der Zutrittsberechtigten in der Liste stimmen, ist ein anderes Thema (20 Minuten, 21.12.2011).
Guy Parmelin, SVP Nationalrat und Weinbauer © Das Schweizer Parlament
Wie kommen die Lobbyisten und die Parlamentarier zu einander? Was ist der Ausschlag, dass beispielsweise der SVP Nationalrat und Weinbauer Guy Parmelin dem Interpharma Cheflobbyisten Thomas Cueni einen Zutritt ins Parlament verschafft? Ist es Idealismus?
«Es würde mich bei manchen Einträgen interessieren, ob die Ausweise verkauft oder einfach so abgegeben wurden. Denn es soll vorkommen, dass für eine Zutrittskarte 10’000 Franken oder mehr geboten werden.» Denis Somonet, Präsident Piratenpartei
Diese Liste erfasst nicht alle Lobbyisten, denn einige Parlamentarier treten für Verbände selbst als Lobbyisten auf und ehemalige Parlamentarier haben lebenslangen unbeschränkten Zutritt ins Bundeshaus. Aus diesem Grund werden ehemalige Parlamentarier gern als Lobbyisten eingespannt. Der bekannteste darunter ist sicher der ehemalige FDP Nationalrat Gerold Bührer. Er ist Präsident von economiesuisse, dem schlagkräftigsten Wirtschaftsverband der Schweiz.
Bemerkenswert ist, dass Lukas Reimann, der Initiator der Transparenzinitiative, einem anderen Parteipräsidenten Zutritt ins Bundeshaus verschafft. So hat Denis Simonet, Präsident der neuen und noch kleinen Piratenpartei, Zugang ins Bundeshaus. Wie es dazu kam hat Denis Simonet in seinem Blog beschrieben. Die Piratenpartei tritt für einen transparenten Umgang von Behördeninformationen und für den Schutz der persönlichen Daten ein.
Denis Somonet hat in seinem Blogartikel Wer geht mit wem? ebenfalls eine Auswertung der Lobbyingzutritte gemacht.
Der Beobachter hat einen Artikel zu diesem Thema gedruckt, siehe dazu den Blogartikel Volksvertreter oder Firmenvertreter? Im früheren Blogartikel Geht wählen! Achtet auf die Interessenbindungen der Kandidaten! habe ich auf das Interessenbindungsregisters der Parlamentarier hingewiesen.
Zusammenfassung
Die SVP Vertreter ermöglichen den grossen «Kassierern» des Gesundheitssystems den dauerhaften Bundeshauszutritt und ermöglichen so dauerhaftes Lobbying bei den gewählten Bundesparlamentariern (= Volksvertreter).