Erleichtern oder Töten? (2) – Sterbehilfe zwischen den Argumenten

Der Tod am Ende des Lebens kommt für den einen überraschend, für den anderen kündigt ihn eine lange, oft schmerzhafte Zeit an. In dieser Zeit wünschen sich manche Patienten die Erlösung in Form eines assistierten Suizids – im Alltag auch Sterbehilfe genannt.

gesundheitshelden.eu_ Sterbehilfe _qWeil im Gesundheitswesen das Wohl und die Selbstbestimmung des Patienten im Vordergrund stehen sollten, haben wir uns im letzten und in diesem Blogartikel mit dem Thema beschäftigt, unter anderem die Rechtslage in Deutschland betrachtet und uns mit Argumenten von Befürwortern und Gegnern befasst. Nachdem wir Allgemeines geklärt haben, nehmen wir nun einige Argumente der Befürworter und Gegner unter die Lupe.

Wie sicher ist der Todeswunsch?

Sowohl Befürworter als auch Gegner der Sterbehilfe haben Beweggründe für ihre Einstellung. Allein die Möglichkeit aus dem Leben zu scheiden, könnte dazu führen, dass Schwerkranke gedrängt werden, sich beim Suizid Unterstützung zu suchen. Dieser Druck kann von zum Beispiel von Angehörigen ausgeübt werden, aber auch gesellschaftlich entstehen. Das wird besonders dann problematisch, wenn schwachen und totkranken Menschen die Alternativen zur Schmerzlinderung genommen werden und die angebotene Palliativversorgung reduziert wird, weil sie zu teuer oder zu lästig ist.

Ein weiterer kritischer Aspekt ist der Todeswunsch an sich. Wodurch wird er bei schwerkranken Menschen ausgelöst? Ist er die Folge einer Krankheit, wie zum Beispiel einer Depression, kann erwartet werden, dass mit der Gesundung des Patienten auch sein Todeswunsch erlischt. In so einem Fall wäre dem Patienten mit einer umfassenden psychologischen Betreuung besser geholfen. Besonders bei alten oder unheilbar kranken Menschen kann man jedoch entgegenhalten, dass der Todeswunsch wahrscheinlich das Ergebnis einer langen und durchdachten Abwägung ist und diese Personen nachvollziehbare Gründe haben, ihr Leben beenden zu wollen.

Lichtblicke und erheiternde Momente können den Wunsch nach Erlösung pausieren. Ein Tag mit Freunden und Familienmitgliedern kann sich auf den Gemütszustand insofern auswirken, als neuer Lebensmut gefasst wird. Wenn wir über Sterbehilfe nachdenken, müssen wir uns fragen, ob der Wunsch nach Suizid endgültig ist. Aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2010, für die hunderte Ärzte zu der Thematik befragt wurden, geht hervor, dass 69 Prozent der Ärzte nicht einschätzen können, ob der Todeswunsch endgültig ist oder sich noch ändert.

Zwischen ärztlichem Kodex…

Der Eid des Hippokrates verbot schon im ersten Jahrhundert aktive Sterbehilfe. Für heutige Ärzte ist er zwar nicht mehr verbindlich, aber wir müssen uns trotzdem fragen, ob wir den Ärzten zumuten zu können Leben zu beenden. Auch in der „neuen Version“ des Eids, der Genfer Deklaration des Weltärztebundes, steht die Gesundheit des Patienten im Vordergrund. Von denjenigen Ärzten, die an der oben genannten Umfrage teilnahmen und bereits mit unheilbar kranken Patienten zu tun haben, wurde etwa die Hälfte nach Hilfe gefragt. Etwas mehr als die Hälfte der Ärzte hätten oder hatten Verständnis für den Wunsch ihrer Patienten. Allerdings sind 65 Prozent der Meinung, dass Sterbehilfe gegen den erwähnten Eid spricht.

In Bezug auf Fragen, bezüglich der Auswirkungen der erlaubten Sterbehilfe, ist die Ärzteschaft ebenso geteilter Meinung. 53 Prozent sind der Ansicht, dass man ihnen Sterbehilfe nicht zumuten kann; es wäre eine zu hohe Bürde. Unter den Befragten Ärzten und Ärztinnen besteht also insgesamt eher kein Konsens und die Ergebnisse lassen sich nicht eindeutig für oder gegen Sterbehilfe auslegen.

Die genauen Ergebnisse könnt Ihr am besten der PDF zur Umfrage entnehmen. Ihr findet sie unter folgendem Link: Ärztlich begleiteter Suizid aus Sicht der deutschen Ärzteschaft.

… und Selbstbestimmung

Ärzte helfen Menschen, eine Krankheit zu überwinden oder zu ertragen. Die Patienten selber haben außerdem das Recht, über ihren Körper selbst zu bestimmen. Der Meinung sind auch 64 Prozent der befragten Ärzte. „Würde“ ist hier ein zentraler Begriff. Man kann mit Sicherheit darüber streiten, ob diese bereits verletzt wird, wenn der Lebensinhalt eines Menschen hauptsächlich in der Linderung seiner Schmerzen besteht. Wenn sich Kranke von einem in dem anderen Tag  schleppen, kann dann von einem würdevollen Leben gesprochen werden? Würde ist in unserer Gesellschaft eher mit Stärke verbunden, Schwäche hat in dem Begriff wenig Platz. Angemessene Pflege in Hospizen und palliativmedizinische Versorgung kann mit Würde vereinbar sein, wenn die Gesellschaft bereit ist, sie auch schwachen Menschen zuzugestehen. Der Philosoph Prof. Ralf Stoecker äußert sich dazu in der unten genannten Sendung.

Die Frage, ob man es Ärzten zumuten kann, Sterbehilfe zu leisten, lässt sich allerdings auch umkehren. Können wir Palliativmedizinern die Behandlung von unheilbar Kranken zumuten, die den starken Wunsch hegen, assistierten Suizid zu begehen? Ein Bericht der WDR Sendung „Quarks & Co“ lässt einen Palliativmediziner zu Wort kommen, der andeutet, dass ihn seine Arbeit mit teils Sterbewilligen auch belastet.

Hospize und Palliativmedizin

Nicht jeder der unheilbar krank ist, möchte auch sterben. Kranken und alten Menschen kann heute mit moderner Palliativmedizin und Hospizarbeit geholfen werden. Hospiz- und Palliativversorgung ist mehr als die Verabreichung von schmerzlindernden Medikamenten. Sie ist weitreichender und legt Wert auf das Wohlbefinden des Patienten in seiner letzten Lebensphase. Dabei kommt es in gleichem Maße auf menschliche Nähe, die individuellen Bedürfnisse des Sterbenden und Schmerzfreiheit an. Die Zahl der Hospiz- und Palliativreinrichtungen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Aktive Sterbehilfe ist keineswegs eindeutig richtig oder falsch. Die Selbstbestimmung des Menschen wiegt stark, andererseits müssen auch Beteiligte berücksichtigt werden. Suizid steht nicht unter Strafe, aber Sterbehilfe betrifft eben auch den Arzt, der die Medikamente verabreichen oder beschaffen muss.

Ihr habt den ersten Artikel zum Thema Sterbehilfe noch nicht gelesen? Hier entlang.

Note: There is a poll embedded within this post, please visit the site to participate in this post’s poll.

Bild: Euthanasia, Bildauschnitt, Alberto BiscalchinCC BY-SA 2.0

Der Beitrag Erleichtern oder Töten? (2) – Sterbehilfe zwischen den Argumenten erschien zuerst auf gesundheitshelden.eu – Deine Karriereplattform.