Da ich auf vielen Veranstaltungen erscheine, werde ich regelmäßig in immer neue Newsletterverteiler aufgenommen. Ich hasse es! Ich melde mich also geduldig ab. „Wollen Sie sich wirklich abmelden?“ – „Bist du sicher, dass du das tun willst?“ – „Bestätigen Sie Ihre Löschung – dazu nehmen wir Ihre Daten nochmals genau auf, Ihre Abmeldung ist aber ganz kostenlos, wenn Sie einen triftigen Grund beibringen.“ – „Bewerten Sie diesen Newsletter – wählen Sie Note ‚ausgezeichnet‘, wenn Sie mit der Aussendefrequenz zufrieden sind. Kreuzen Sie bitte ‚mangelhaft‘ an, wenn wir Ihnen mehr schicken sollen.“
Das hört sich wie eine Satire an, aber bei der gerade laufenden Sparkassenbefragung soll ich als ersten Punkt den Grad der … Selbstorientierung (?) beurteilen – ich zitiere wörtlich:
Die Eigeninitiative, d.h. inwieweit die Mitarbeiter(innen) von sich aus mit Angeboten auf Sie zukommen
Ich will sagen: Viele versuchen, unsere Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen und für ihre Zwecke zu nutzen. Es ist üblich geworden, für das Newsletter-Ertragen Extra-Belohnungen anzubieten, also ein paar Payback-Punkte oder einen Hundert-Euro-Gutschein beim Kauf eines sofort verfügbaren Halden-Luxusautos zum Listenpreis. Sie locken uns mit allen Mitteln!
Ich finde, wir sollten das selbst in die Hand nehmen. Nix mehr mit Hervorlocken! Wir schrecken sie einfach ab. Ich möchte … „Hallo Google?“ Ach, geht so nicht. Noch ein Versuch. „Ok Google? Ich möchte in meiner Mailbox einstellen können, dass Mails an mich bezahlt werden müssen.“ – „Google?“ Noch nichts.
Wie wäre das? Wir könnten zum Beispiel beschließen, dass jeder mit jeder verschickten Mail einen Cent Gebühr mitschickt. Wenn ich dann zehn Mails am Tag verschicke, kostet es mich zehn Cent. Für die hereinkommenden Mails bekomme ich viel mehr Cents, weil ich ja mit Werbung zugedröhnt werde. Die großen Newsletterversender sind in einem solchen Modell mit hohen Kosten konfrontiert und überlegen sich jetzt wohl das ganz hemmungslose Versenden. Die Spam-Versender, die uns täglich betrügen wollen oder infizierte Anhänge schicken, müssen jetzt Geld mitschicken – das Spam-Gewerbe kann aufgeben.
Ich denke, es sollte technisch möglich sein, bei den Versender-Adressen jeweils individuell festzulegen, wie viel Geld sie mir zahlen sollen. Freunde und normalen Mailverkehr stelle ich kostenfrei, die Newsletter schraube ich gebührlich bis ungebührlich hoch. Ich könnte ja bestimmte Mails (von meinen Kindern) auch „liken“, dann bekommen sie von mir einen Cent zurück, Enkel mehr.
Dazu brauchen wir auch eine Enterprise-Edition: In allen Unternehmen wird ja geklagt, dass viele Leute immer die ganze Firma auf Kopie setzen oder bei ihren Mails grundsätzlich die Option „Antwort an alle“ wählen. Solche Spammer würden dann hohe Gebühren auf ihrer Kostenstelle ansammeln und folglich ein ernstes Gespräch mit ihrem Vorgesetzten einfangen. Es wird geklagt, dass Vorgesetzte ihren Mitarbeitern am Wochenende oder am Abend Mails schicken. Das könnten man sehr hoch auf der Preisliste ansetzen… Vor den Unternehmensnewslettern würde sich die Kommunikationsabteilung nun wirklich einmal überlegen, was sie schreibt! Ach, es hat nur Vorteile!
Tolle Idee von mir, oder? Ich muss noch einmal kurz über den Missbrauch nachdenken. Stellen Sie sich vor, ein Schummel-Software-Ingenieur in einer Automobilfirma möchte eine Mail an den CEO schreiben: „Wir schummeln und schaufeln uns damit gerade ein Massengrab.“ Na, es könnte im neuen Modell gut sein, dass er diese Mail nicht schickt, weil er sonst seinen Mail-Cent-Etat überzieht. Das wäre dann eine Erklärung, warum die da oben nie wirklich wissen, was in der Firma abgeht.
Es könnte nun auch Trickbetrüger geben, die eine Mail dieser Art versenden: „Ich habe Geburtstag und würde mich über Gratulationen sehr freuen, aber ich glaube, mich mag niemand. Deshalb verrate ich niemandem, dass ich Geburtstag habe. Ich bin so traurig, und das schreibe ich nur dir allein, damit nur du weißt, dass ich weine.“ Dann kommen viele Mails zurück und ein Riesenprofit! Der Trick ist, nur einer Person zu mailen! Bitte nicht allen, weil sich ja dann die gegenseitigen Kosten aufheben!
Mist, ich habe jetzt dann doch Nachteile gefunden. Da kommen die zwanghaften Deutschen sofort wieder mit „das ist nicht sicher“ und sie lassen mich Vorträge halten – mit dem Titel „Mailgebühr – Fluch oder Segen?“ oder „Mailgebühr – Chance oder Risiko?“ Sie mäkeln und wehren ab. Ich verzweifle. Noch ein letzter Vortrag: „Müllgebühr – Vertrauen oder Missbrauch?“ Ich erwähne, dass hier im Kreis einige Tausend Haushalte niemals (!!) die Restmülltonne raustellen, immer nur die anderen beiden Tonnen, die beide kostenlos geleert werden. Sie zucken mit den Achseln. Aber bei meiner Mailregelung wollen sie ganz sicher sein, dass sie nicht missbraucht werden kann. Hilft mir denn keiner?