Orgasmus und seine Mythen
Klitoral, vaginal, G-Punkt – um den Orgasmus – insbesondere jenen der Frau – ranken sich viele Mythen. Aber auch bei Männern gibt es einige Ungereimtheiten, die den sexuellen Höhepunkt betreffen.
Der Orgasmus: Höhepunkt und Ende der sexuellen Erregung. Befreiung, Befriedigung und Entspannung. Männer kommen fast immer, Frauen dagegen haben häufig ihre Schwierigkeiten mit dem ersehnten Höhepunkt. Um kaum etwas ranken sich allerdings auch so viele Mythen, wie um den Orgasmus, vor allem den weiblichen. Um zu verstehen, was ein Orgasmus ist, sollten wir den Vorgang erst einmal von physiologischer Seite betrachten.
Orgasmus der Frau
Der Orgasmus der Frau beginnt – wie jede sexuelle Aktivität – im Gehirn. Das Belohnungszentrum ist für das Erleben des Höhepunkts wesentlich. Und natürlich sind wie immer jede Menge Botenstoffe am Erleben des Orgasmus beteiligt. Der Orgasmus wird gerne mit einem „neuronalen Feuerwerk“ verglichen. Seinen Ursprung hat der sexuelle Höhepunkt in einem der entwicklungsgeschichtlich ältesten Teile des Gehirns, der Amygdala (Mandelkern), die etwa auch für Angstreaktionen zuständig ist.
Körperlich (physiologisch) kommt es bei einem Orgasmus zu rhythmischen Muskelkontraktionen in der Vagina, im Bauch und im Beckenboden. Auch der Uterus zieht sich rhythmisch zusammen. Diese Kontraktionen setzen sich bis zu einer Minute fort. Frauen können, im Gegensatz zu Männern, auch rasch hintereinander mehrere Orgasmen erleben, weil sie nach einem Orgasmus nicht sofort eine Erholungspause benötigen.
Im Anschluss an einen Orgasmus werden die „Kuschelhormone“ Prolaktin, Oxytocin und Vasopressin ausgeschüttet, die an der Bindung an den Partner/die Partner beteiligt sind.
Orgasmus des Mannes
Natürlich wird auch der Orgasmus des Mannes durch das Sexzentrum im Gehirn aktiviert. Es kommt zu Muskelkontraktionen der Samenleiter, der Samenblase, der Prostata, der Muskeln des Beckenbodens sowie der Peniswurzel und letztlich des Penis selbst. In den meisten Fällen wird beim männlichen Orgasmus auch das Ejakulat aus der Öffnung der Eichel nach außen geschleudert. Neueste Forschungsarbeiten haben allerdings ergeben, dass Orgasmus und Ejakulation physiologisch zwei verschiedene Vorgänge sind, die einander nicht unbedingt folgen müssen.
Die überwiegende Anzahl der Männer benötigt nach einem Orgasmus eine sogenannte „Refraktärphase“, eine Erholungsphase also und kann nicht sofort wieder zum Orgasmus kommen.
Geschichte des weiblichen Orgasmus
Neben Nähe, Intimität und schlichtem Vergnügen stellt wohl der Orgasmus einen wesentlichen Bestandteil der weiblichen Sexualität dar. Jahrhunderte lang war der weibliche Höhepunkt verpönt. Noch zu Zeiten Sigmund Freuds waren sexuell aktive Frauen, die leicht zum Orgasmus kamen, als „hysterisch“ verrufen. Und nicht selten wurde das, was heute als „barbarisch“ verurteilt wird, nämlich die sexuelle Verstümmelung von Frauen, wie Sie vor allem in Afrika und in islamischen Ländern immer noch durchgeführt wird, auch bei uns gang und gäbe – als Kur für die „weibliche Hysterie“ wurde den Frauen einfach die Klitoris entfernt.
Vaginaler und klitoraler Orgasmus
Ein zweites wesentliches Thema, über das auch heute noch diskutiert wird, ist die Unterscheidung zwischen vaginalem und klitoralem Orgasmus. In diesem Zusammenhang muss Sigmund Freud, den Begründer der Psychoanalyse, erwähnt werden: Er hat die Mär von den klitoralen und vaginalen Orgasmen nämlich in die Welt gesetzt. Er sprach davon, dass Frauen zuerst – als junge Mädchen – „unreife“, also klitorale Orgasmen hätten. Erst wenn sie dann Sex mit einem Mann hätten, würden sie sich zu „reifen“ Frauen mit „reifen“, also vaginalen Orgasmen entwickeln. Das ist schlicht und ergreifend Blödsinn.
Die meisten Orgasmen sind, das haben ForscherInnen herausgefunden, durch die Reizung der Klitoris ausgelöst – je näher dieses empfindliche Organ übrigens am Scheideneingang liegt (was individuell von Frau zu Frau unterschiedlich ist), desto eher wird eine Frau auch beim Geschlechtsverkehr einen Höhepunkt erleben.
Orgasmusmythen
Leider geistern immer noch Orgasmusmythen durch die Öffentlichkeit. Nachfolgend finden Sie die häufigsten angeführt:
Finde Deinen G-Punkt, dann wirst Du immer zum Orgasmus kommen!
Wenn Du beim Geschlechtsverkehr nicht „kommst“, machst Du etwas falsch!
Nur ein vaginaler Orgasmus ist das Wahre – und er ist auch intensiver als ein klitoraler Orgasmus!
Entspann Dich – dann klappt`s auch mit dem Orgasmus!
Wenn Du keinen Orgasmus beim Sex mit Deinem Partner/Deiner Partnerin erreichst, bist Du schlecht im Bett und Dein Partner/Deine Partnerin hat versagt!
Die schönsten Orgasmen sind jene, bei denen Ihr gleichzeitig „kommt“!
Alle diese Mythen sind jedoch Unsinn! Vieles davon wird über die Medien getrommelt. Wir sehen Filme, in denen ein Mann eine Frau kaum berühren muss und sie erlebt schreiend einen unglaublichen Höhepunkt. Die Realität sieht jedoch vollkommen anders aus! Auch der gleichzeitige Orgasmus ist ein Mythos. Natürlich ist es schön, gemeinsam zu kommen, es ist aber vollkommen unerheblich. Männer und Frauen haben unterschiedliche Reaktionszeiten, sie kommen unterschiedlich schnell und intensiv. Auch der gleichzeitige Orgasmus wird häufig als „Trophäe“ präsentiert, die unbedingt errungen werden muss und die Stress und Leistungsdruck erzeugt.
Reden
Wer beim Geschlechtsverkehr keinen Orgasmus erlebt, wohl aber, wenn sie/er sich selbst stimuliert, bei dem gibt es eigentlich kein wirkliches Problem. Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings, das Gespräch mit der Partnerin/dem Partner zu suchen, um herauszufinden, wie die sexuelle Stimulation erfolgen kann, damit beide PartnerInnen einen sexuellen Höhepunkt erreichen können.
Und noch etwas zum Schluss: Es gibt keine „Pflicht“ zum Orgasmus. Vielleicht gehören Sie zu den Frauen, denen ihr eigener Höhepunkt gar nicht so wichtig ist oder die ihn nur erreicht, wenn sie sich selbst stimuliert. Jede Frau ist eben anders – sie empfindet anders, sie erlebt sich und ihre Sexualität anders – und das ist auch gut so.
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