Das Pilotprojekt „Ja, ich will … arbeiten!“ der Perspektive A Plus, einer Tochter der Berliner Aids-Hilfe, will Menschen ohne Krankenversicherung in den Arbeitsmarkt und die Gesundheitsversorgung bringen
Der Regierende Bürgermeister von Berlin höchstpersönlich machte am 16. Juli 2016 den entscheidenden Klick, um das Projekt „Ja, ich will … arbeiten!“ zu starten. Mit seiner kleinen Fingerbewegung setzte Michael Müller auf dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest eine einmalige Online-Sammelaktion in Gang: Noch bis Mitte September 2016 kann man über das Crowdfunding-Portal Startnext Geld für einen Arbeitsplatz bei Perspektive A Plus, einer gemeinnützigen GmbH der Berliner Aids-Hilfe e.V., spenden.
Das Ziel: 20.000 Euro. Das reicht, um für ein Jahr eine zusätzliche Halbtagsstelle für einen bislang nicht krankenversicherten Menschen mit HIV und je nach Fähigkeiten und Notwendigkeit einen Sprachkurs, Fort- und Weiterbildung sowie die Teilnahme an weiteren Fördermaßnahmen zu finanzieren. Eingesetzt werden soll der_die neue Mitarbeiter_in im Team für den Bereich Service, Wartung und Organisation im A-Plus-Büro, bei Inhouse-Veranstaltungen und beim Eventmanagement.
Neue Arbeitsplätze, neue Lebensperspektiven
Schon mit 9,90 Euro ist man dabei – damit kann man eine halbe Arbeitsstunde finanzieren, mit 19,80 Euro eine ganze und mit 385 Euro eine Arbeitswoche. Und nicht nur das: „Durch die Schaffung von Arbeitsplätzen für unversicherte HIV-positive Menschen gelingt über die dann bestehende Krankenversicherung eine Versorgung mit den notwendigen antiviralen Medikamenten“, erklärt A-Plus-Geschäftsführer Lothar Klein.
Derzeit beschäftigt die vor rund einem Jahren gegründete gemeinnützige GmbH bereits vier HIV-Positive – finanziert aus Spenden und selbst erwirtschafteten Mitteln. Das Unternehmen kümmert sich vor allem um die Organisation von Wohltätigkeitsevents der Berliner Aids-Hilfe wie etwa den Benefizlauf „Life Run“ und die Gala „Künstler gegen Aids“. Darüber hinaus übernimmt Perspektive A Plus auch für andere Organisationen und Auftraggeber Aufträge im Bereich Event- und Projektmanagement, Crowdfunding und Sponsoring. Zudem sind Bildungsangebote in Planung.
Im ersten Monat seit dem Startschuss zur Schwarmfinanzierung konnten gut zehn Prozent der angestrebten Summe erreicht werden. Allein über die Online-Plattform werde das Ziel bis zum Ende der Aktion am 15. September womöglich nicht zu schaffen sein, vermutet Geschäftsführer Klein. Deshalb werden parallel auch auf herkömmlichen Wegen, zum Beispiel mit Briefen, Firmen um Unterstützung gebeten. Der Gedanke: Unternehmen, die selbst keine Möglichkeit sehen, Stellen zu schaffen oder zu vermitteln, können zumindest über den Weg einer Spende ihren Beitrag leisten. Noch viel mehr würde man sich aber natürlich über konkrete Arbeitsangebote oder die Vermittlung von Arbeitsstellen für Menschen mit Schwerbehinderung oder Menschen mit HIV freuen, die dadurch wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.
Der Bedarf dafür ist enorm. Das von der BAH in Zusammenarbeit mit ViiV Healthcare Positive Action initiierte Projekt „Unversichert mit HIV“, mit dem die Perspektive A Plus gGmbH eng zusammenarbeitet, hat allein im vergangen Jahr rund 150 HIV-positive Arbeitssuchende ohne Krankenversicherung betreut. So unterschiedlich und individuell ihre einzelnen Schicksale auch sein mögen – die Ursachen für den Nichtversichertenstatus sind häufig recht ähnlich.
HIV-positive EU-Bürger_innen ohne Krankenversicherung
Rund zwei Drittel der hilfesuchenden Menschen mit HIV sind EU-Bürger_innen, beispielsweise aus Griechenland, Spanien, die bei ihrer Suche nach festen Arbeitsverhältnissen wenig Erfolg hatten oder nach einer Erkrankung oder längerer Arbeitslosigkeit nicht mehr ins Berufsleben zurückgefunden haben. Hinzu kommen Tourist_innen, die in Berlin hängengeblieben sind und sich mit nicht versicherungspflichtigen Jobs über Wasser halten. Für sie wird nun die Behandlung ihrer HIV-Infektion ebenso zum Problem wie für internationale Studierende, deren Studentenversicherung nicht die Kosten für chronische Krankheiten abdeckt.
Das Team von „Unversichert mit HIV“ hilft seinen Klient_innen unter anderem mit Sprachkursen und Weiterbildungsangeboten, um die Chancen und Möglichkeiten bei der Jobsuche zu verbessern, bemüht sich aber auch ganz konkret bei Firmen und Einrichtungen um Stellen. Das ist allerdings nicht immer einfach, zumal die Zahl der Unversicherten, die sich hilfesuchend an die Berliner Aids-Hilfe wenden, konstant hoch bleibt. Die Gründung der gGmbH kann daher nur ein kleiner Baustein zur Bewältigung dieser riesigen Aufgabe sein, könnte aber Schule machen – und macht zugleich auf das Problem der Nichtversicherten aufmerksam. In diesem Sinne ist die Startnext-Aktion von Perspektive A Plus auch als Info-Kampagne zu verstehen.
Geschäftsführer Lothar Klein hofft, die geplante halbe Stelle spätestens zum 1. Oktober besetzen zu können. An Bewerber_innen mangelt es nicht: Unter den Hilfesuchenden bei „Unversichert mit HIV“ gäbe es gleich mehrere geeignete Personen.
Internetseite von Perspektive A Plus