Ein CI bringt das Gehör zurück – doch welcher Klinik vertraue ich mich an?

Cochlea Implantate (CI)  erlauben tauben und fast tauben Menschen zu hören. Taub geborene Babies, denen schon im ersten Lebensjahr ein CI implantiert wird, lernen von Anfang an zu hören und zu sprechen. Ältere Menschen, die ihr Gehör verloren haben, können dank CI in ihr vertrautes soziales Leben zurückfinden. Doch Vorsicht: So ausgereift die CI-Technik heute ist – das Einsetzen und Aktivieren eines Hör-Implantats stellt mitnichten Routine dar und reicht nicht aus. Der Hörerfolg stellt sich nicht von selbst ein. Umso wichtiger ist es, dass taube oder ertaubende Patienten die für sie richtige Klinik, das für sie richtige Implantat und den für sie richtigen Therapeuten finden. Das ist nicht leicht. Denn die Zahl der Anbieter wird immer unübersichtlicher.

 

700.000 potentielle CI-Träger

Cover der Zeitschrift Schnecke

Die publizistische und fachliche Güte der Zeitschrift „Schnecke“ wird durch die Stiftung Gesundheit zertifiziert.

Die Zahl der CI-Träger in Deutschland wird heute auf rund 70.000 geschätzt. Doch zehn Mal so viele Menschen könnten nach dem Stand der Technik von einem CI profitieren. Bei beidseitiger Schwerhörigkeit kann es heute sinnvoll sein, an einem Ohr ein Hörgerät zu tragen, im anderen ein Implantat.  Der Frequenzbereich „verstandener“ Töne wächst dann oft deutlich.

Gut zu hören hilft in Schule und Ausbildung und erlaubt die Verfolgung fast jeden Berufswunschs. Die zunehmende Nutzung von Cochlea Implantaten ist ein immenser Beitrag auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen daher auch aus guten Gründen meist anstandslos die nicht geringen Kosten einer Implantation und der notwendigen audiologischen und therapeutischen Nachsorge.

Die Zahl der implantierenden Kliniken wächst rasant

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die Zahl der Hals-, Nasen-, Ohrenkliniken stetig wächst, die Cochlea-Implantationen anbieten. Die Implantate sind ausgereift, eine komplikationslose OP kann in zwei Stunden erledigt sein. Die Fallpauschalen mögen locken. Doch darin liegt nicht nur eine Chance, sondern auch eine Versuchung. Aus Sicht des Patienten: eine Gefahr.

Denn nicht jede OP verläuft komplikationslos. Jedes Ohr ist anders. Wie intakt der Hörnerv im Innenohr ist, wird oft erst während der OP klar. Manche Fragen kann nur der Neurobiologe beantworten, andere vielleicht nur ein erfahrener Psychologe. Ein interdisziplinäres Ärzteteam sollte bei jeder OP zumindest in der Nähe sein. Je CI-erfahrener der Chirurg ist, umso wahrscheinlicher wird der Erfolg der OP. Ein eventuell noch vorhandenes Rest-Gehör sollte heute bei der OP erhalten bleiben.

Oft entscheidend: die Qualität der Nachsorge

Außerdem ist es beim CI mit dem Implantieren nicht getan. Ebenso wichtig für den Hörerfolg des Patienten wie die der OP folgende Einstellung (Erstanpassung) des Prozessors, ist eine auf die spezifischen Fähigkeiten und Bedürfnisse des Patienten eingehende lerntherapeutische Begleitung (Nachsorge). Denn: Zum Hören gehört die Deutung des Gehörten. Und die findet nicht im Ohr, sondern im Gehirn statt. Es ist wie bei einer Fremdsprache: Wenn ich die Bedeutung der Wörter nicht kenne, nehme ich nur Töne wahr, ohne zu verstehen. Ein gut funktionierendes Implantat und eine gelungene OP ermöglichen das Hören, doch wie gut das Hören gelingt, das hängt vor allem von den individuellen Voraussetzungen des Patienten und von der Qualität der Nachsorge ab. Für das Verstehen ist das Hören eine notwendige, aber eben keine hinreichende Bedingung.

Nicht jede Klinik ist zur Nachsorge fähig

Doch viele der derzeit wohl rund 70 Kliniken, die in Deutschland Cochlea-Implantationen  anbieten (es werden stetig mehr), sind gar nicht in der Lage, selber eine geeignete Nachsorge sicherzustellen. Sie behelfen sich, indem sie Kooperationspartner suchen. Aber längst nicht jede Therapie-Einrichtung und längst nicht jeder Hör-Akustiker, der sich dafür anbietet, verfügt über die dafür nötige Ausbildung und Erfahrung.

Die Berufsbilder des Audiologen, „CI-Akustikers“ oder CI-Therapeuten sind nicht geschützt. Wie erkennen Patienten (und Kostenträger), wer sich zu Recht so nennt – und wer nicht? Die derzeit beste Antwort auf diese Frage lautet: Indem sie sich auf der Homepage der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft e.V. (www.dcig.de) oder auf www.schnecke-online.de informieren. Schnecke (deutsch für Cochlea) ist die Zeitschrift der als gemeinnützig anerkannten Selbsthilfeorganisation DCIG.

Jede Ausgabe informiert über den aktuellen Stand der CI-Versorgung aus medizinischer, aus wissenschaftlicher und aus Patientensicht. Auch finden sich hier  Adressen von CI-Selbsthilfegruppen überall in der Republik. Die Zeitschrift Schnecke – Untertitel: Leben mit CI und Hörgerät – wird seit vielen Jahren von der Stiftung Gesundheit zertifiziert.

Runder Tisch für Qualität

Um die hohe Qualität der deutschen CI-Versorgung auf Dauer sichern zu helfen, hat die Redaktion Schnecke ein Gespräch am Runden Tisch initiiert. Teilnehmer einer ersten Runde Ende Juni  waren Vertreter von Kliniken, Therapieeinrichtungen, Hörakustikern, Audiologen, Herstellerfirmen und des Medizinischen Dienstes der Kassen. Im Mittelpunkt stand das Patienteninteresse.

Die Ergebnisse des Gesprächs werden in der September-Ausgabe der Schnecke dokumentiert (Nummer 93). Erklärtes Ziel ist es, über weitere Gespräche und Verabredungen zu einer zu einer Art Kodex leitliniengerechter CI-Versorgung zu gelangen. Es gilt, Patienten und Eltern hörgeschädigter Kinder in die Lage zu versetzen, ohne Umwege und Abenteuer die für sie optimale CI-Versorgung zu finden. Immer und überall.