Fatigue bei COPD: welchen Einfluss hat die Psyche?

 

Fatigue (allgemeine Müdigkeit, Erschöpfung) ist ein multidimensionales Phänomen mit erheblichem Einfluss auf das Befinden von Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen (COPD, Lungenfibrose, Sarkoidose, Pulmonale Hypertonie). Die Erfahrung von Fatigue und ihre Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit scheinen bei COPD-Patienten hauptsächlich mit psychischen Faktoren verknüpft zu sein. Depression und Schlafstörungen sollten deshalb – neben der Atemnot – gezielt erfaßt und behandelt werden.

 

Was bedeutet eigentlich Fatigue?

Ursache (Ätiologie) und Entstehungsgeschichte (Pathogenese) der Fatigue sind komplex und bisher nicht vollständig geklärt. Eine Definition der Fatigue (Ream und Richardson, 1996) schließt sowohl Erfahrung wie Auswirkungen dieses Phänomens ein:

„Fatigue ist ein subjektives, unangenehmes Symptom, das körperliche Empfindungen von Ermüdung bis zu Erschöpfung umfaßt, die unerbittlich das gesamte Befinden so beeinflussen, daß die normale Leistungsfähigkeit nicht erreicht werden kann.“

Fatigue ist also – wie Atemnot und Schmerz – ein subjektives, den Menschen in seiner Ganzheit betreffendes Phänomen (total fatigue).

 

Fatigue bei COPD – ein „blinder Fleck“?  

In seiner Bedeutung für den Verlauf von chronischen Lungenerkrankungen wird Fatigue bisher  unterschätzt. Zusammenhänge sind nachgewiesen für

  • Fatigue und physiologische Faktoren (wie körperliche Leistungsfähigkeit und Muskelfunktion)
  • Fatigue und psychologische Faktoren (wie Depression, Angst und Schlafqualität)
  • Fatigue und soziodemographische Faktoren (wie Alter und Geschlecht)

Es fehlen bisher belastbare Studien zum komplexen Zusammenspiel dieser Faktoren mit Fatigue bei COPD.

 

Wie wirken die Einflussfaktoren auf Fatigue bei COPD zusammen?

Die Studie von Kentson M et al. vergleicht eine Patienten-Gruppe mit stabiler COPD (überwiegend GOLD II bis III) mit einer altersgleichen Kontroll-Gruppe ohne COPD im Hinblick auf das Zusammenwirken der Einflussfaktoren.

Die COPD-Patienten leiden signifikant häufiger unter Fatigue als die Kontroll-Personen. Die Autoren unterscheiden zwischen

  • Fatigue-Erfahrung
  • Fatigue-Auswirkungen.

 

Fatigue-Erfahrung

Bei Patienten mit COPD und Fatigue finden sich vor allem

  • mehr Depressions-Symptome
  • mehr Schlafstörungen
  • höhere Atemnot

Daneben zeigen sie mehr Angst-Symptome und einen insgesamt schlechteren Funktions- und Gesundheitszustand.

 

Fatigue-Auswirkungen

Bei den Auswirkungen der Fatigue werden drei Dimensionen erfaßt:

  • Körperliche Dimension
  • Psychosoziale Dimension
  • Kognitive Dimension

Es zeigen sich vor allem Zusammenhänge mit

  • Depression
  • Schlafstörungen

Außerdem scheinen Angst, Atemnot und aktueller Raucherstatus eine Rolle zu spielen.

Depressivität zeigt als einziger Faktor einen Zusammenhang mit allen drei Fatigue-Dimensionen.

 

Fatigue bei COPD – eine Herausforderung für die Psychopneumologie

Fatigue ist ein belastendes Symptom für viele Patienten mit COPD und hat großen Einfluss auf Lebensqualität und Alltagsaktivitäten. Dabei scheinen psychologische Faktoren eine größere Rolle zu spielen als physiologische Parameter. Fast alle Patienten mit klinisch bedeutsamen Depressions- und Angst-Symptomen leiden unter Fatigue. Eine gezielte Therapie sollte deshalb die komplexen Wirkzusammenhänge bei Fatigue-Erleben und Fatigue-Auswirkungen berücksichtigen.

Für die Psychopneumologie gilt:

  • Fatigue-Erfahrung und Fatigue-Belastung möglichst konsequent und regelmäßig erfassen (Fatigue-Screening, z. B. mit der Fatigue Impact Scale oder der Manchester COPD Fatigue Scale).
  • Zusammenhänge beachten mit
    • Depressionen
    • Schlafstörungen
    • Atemnot
  • Die komplexen Zusammenhänge bei Fatigue erfordern individuelle, maßgeschneiderte Interventionen.
  • Es gibt Hinweise, daß gezieltes körperliches Training die Leistungsfähigkeit der Patienten verbessern und damit vor allem die Ausprägung von körperlicher Fatigue effektiv mindern kann. Hier kommt dem Lungensport eine zentrale Bedeutung zu.