Bei der Zahngesundheit pflegebedürftiger Menschen liegt einiges im Argen. Sie werden deutlich seltener zahnmedizinisch versorgt als nicht Pflegebedürftige. Das ist das zentrale Ergebnis des neuen BARMER GEK Pflegereports, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Während nicht Pflegebedürftige zum Beispiel konservierende, chirurgische und Röntgenleistungen zu 30,4 Prozent je Quartal im Jahr 2012 nutzten, waren es bei Pflegebedürftigen 9,8 Prozentpunkte weniger. Dieser Unterschied variiert noch nach Versorgungsart und Pflegestufe. Mit Pflegestufe I bei familiärer Pflege beträgt der Unterschied lediglich 5,1 Prozentpunkte. Pflegeheimbewohner mit Pflegestufe III haben hingegen eine um 16,5 Prozentpunkte verringerte Behandlungshäufigkeit. „Vor allem Menschen in Pflegeheimen benötigen einen noch leichteren Zugang zur zahnmedizinischen Versorgung, gerade weil ihnen die Mitwirkung insbesondere wegen ihrer Bedürftigkeit schwer fällt“, forderte Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK. Hilfreich seien zum Beispiel mehr Schwerpunktpraxen für Pflegebedürftige. Außerdem müsse die aufsuchende Behandlung ausgebaut werden. Schlenker begrüßte, dass der Gesetzgeber im Versorgungsstärkungsgesetz Verbesserungen der zahnmedizinischen Prävention für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen plane. Der Pflegereport vergleicht erstmals anhand von Routinedaten die zahnmedizinischen Leistungen für Pflegebedürftige mit denen Nicht-Pflegebedürftiger gleichen Alters, Geschlechts und gleicher Morbidität. Auch bei Erkrankungen des Zahnhalteapparates, sogenannten Parodontopathien, sind Pflegebedürftige offenbar schlechter versorgt. Während 0,35 Prozent der nicht pflegebedürftigen Versicherten deswegen behandelt werden, liegt bei den Pflegebedürftigen die Inanspruchnahme um mehr als zwei Drittel niedriger (- 0,25 Prozentpunkte). Auch unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Region und Morbidität bleibt noch eine Differenz von – 0,14 Prozentpunkten bestehen. In der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen schneiden vor allem Menschen in der Pflegestufe III schlechter ab. Bekommen unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Morbidität und Region 3,2 Prozent der Nicht-Pflegebedürftigen diese Leistungen, so verringert sich die Behandlungsquote für Schwerstpflegebedürftige unter gleichen Maßstäben um 2,8 Prozentpunkte. Im Pflegeheim sinkt der Anteil noch weiter. Zahnmedizinische Leitlinien blenden Pflegebedürftige aus Vor allem die Pflegebedürftigen in Heimen sind laut Reportergebnissen zahnmedizinisch unterversorgt. „Aus Studien wissen wir, dass für einige Pflegebedürftige der letzte Zahnarztbesuch schon Jahrzehnte zurückliegt“, betonte Studienautor Professor Heinz Rothgang vom Zentrum für Sozialpolitik der Uni Bremen. Für mehr als 50 Prozent der Betroffenen liegt der letzte Gang zum Zahnarzt knapp zwei Jahre oder länger zurück. Eine mögliche Ursache der Unterversorgung könne sein, dass die aktuellen zahnmedizinischen Behandlungsleitlinien kaum auf ältere und pflegebedürftige Menschen eingingen. „Auch häufige psychische Störungen, insbesondere Demenz, werden nicht erwähnt“, so der Versorgungsforscher. Zudem sei die Möglichkeit der Patienten zur Mitarbeit gerade bei Pflegebedürftigen eingeschränkt. „Umso wichtiger ist sicherzustellen, dass bei diesen Menschen die Zahngesundheit stetig beobachtet wird“, forderte Rothgang. Routinedaten des aktuellen Pflegereports Die Zahl der Pflegebedürftigen ist auch im Jahr 2013 gestiegen und zwar um weitere 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Inzwischen sind somit 2,5 Millionen Versicherte pflegebedürftig. Diese Zahl wird laut Rothgangs Schätzung bis zum Jahr 2050 auf mehr als 4,5 Millionen ansteigen. Die Prognosen je Region seien jedoch sehr unterschiedlich. Während sich die Zahl der Pflegebedürftigen in den Jahren 2010 bis 2050 in Sachsen-Anhalt um 57 Prozent erhöhen werde, liege diese Steigerungsrate in Baden-Württemberg knapp doppelt so hoch (113 Prozent). Pflegestärkungsgesetz verbessert Bedingungen BARMER GEK Vorstandsvize Schlenker verwies auf die ab 2015 deutlich verbesserten Leistungen für Pflegebedürftige. So werde durch das vom Bundesrat Anfang November gebilligte erste Pflegestärkungsgesetz der Zuschuss für barrierefreies Wohnen für Pflegebedürftige auf 4.000 Euro steigen. Zuvor waren es lediglich rund 2.500 Euro. Schlenker begrüßte es, dass ab 2015 zudem sogenannte Alltagsbegleiter durch die Pflegekassen finanziert werden. Sie sollen zum Beispiel bei Behördengängen oder beim Einkaufen helfen. „Diese praktische Lebenshilfe verhindert, dass Menschen zu früh aus ihrer Wohnung ins Heim wechseln müssen.“ Daten aus dem BARMER GEK Pflegereport 2014 Regionale Unterschiede Die maximale Zahl der Pflegebedürftigen wird in den einzelnen Bundesländern bis 2060 zu unterschiedlichen Zeitabschnitten erreicht. Während in Bayern und Baden-Württemberg sowie den Städten Berlin, Hamburg und Bremen es zwischen 2050 und 2060 noch zu einer Erhöhung der Zahl der Pflegebedürftigen kommen wird, sind in den ostdeutschen Bundesländern ausnahmslos deutliche Rückgänge zu verzeichnen, so etwa minus 12,4 Prozent in Brandenburg (Report S. 72 ff.). Spezifische Leistungen Die spezifischen Leistungen im Sozialgesetzbuch XI, die Pflegebedürftigen beim selbständigen Wohnen zuhause helfen sollen, werden immer noch selten genutzt. So haben 2,8 Prozent der Pflegebedürftigen im Jahr 2013 bundesweit knapp 72.000 Leistungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes erhalten. Nur 0,48 Prozent – das entspricht rund 12.000 Pflegebedürftigen – wurden für das Leben in einer ambulant betreuten Wohngruppe unterstützt (S. 140 ff.). Geriatrische Reha Der Report berichtet über starke regionale Unterschiede bei der geriatrischen Rehabilitation. In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern gibt es besonders ausgeprägte Angebote. Zugleich erhalten Patienten mehr Reha, insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg. In diesen Ländern kann die Pflegebedürftigkeit verzögert werden – ein Hinweis auf die Wirksamkeit der geriatrischen Reha (S. 186 ff.). Pflegekapazitäten Regionale Unterschiede kennzeichnen die Kapazitäten ambulanter Pflegedienste. Sie liegen in Berlin, Hamburg und Bremen sowie in Ostdeutschland höher als der Bundesschnitt von 7,5 Vollzeitkräften je 100 Pflegebedürftigen. Der Westen liegt darunter. Die Kapazitäten der Heime sind im Norden und Süden besonders ausgeprägt, die höchste Kapazität weist Schleswig-Holstein auf, die geringste Hessen (S. 92 ff.). Ähnliche regionale Unterschiede gibt es auch im stationären Bereich. Dabei zeigt sich, dass eine höhere Kapazität zu einer häufigeren Inanspruchnahme der vollstationären Pflege im Vergleich zu ambulanter Pflege führt (S. 98ff.). Pressemitteilung der BARMER GEK
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