Wer bezahlt mich in… den USA? Private Krankenversicherungen und ein Staat, der das Nötigste tut

Gesundheit ist ein wichtiges Gut, für das in jeder Gesellschaft gesorgt und bezahlt werden muss. Nicht jede Person könnte sich ohne weiteres eine angemessene Versorgung bei Krankheit leisten. Aus diesem Grund sind wir auf systematisierte Gesundheitssysteme angewiesen. Die meisten Gesundheitssysteme funktionieren nach dem Solidaritätsprinzip: Viele bezahlen einen überschaubaren Betrag, damit wenige sich teure Behandlungen leisten können. In diesem und in den nächsten Blogartikeln werden wir uns die Gesundheitssysteme diverser Länder anschauen und uns die jeweiligen Unterschiede bewusst machen.

gesundheitshelden-eu_ USA _qDabei sollen zentrale Fragen im Vordergrund stehen: Wie ist die Organisation gestaltet? Wer finanziert das System? Welche Vorteile gibt es und wo treten Probleme auf? Nach Dänemark, nehmen wir jetzt das Gesundheitssystem der USA unter die Lupe.

Das Land hinter dem Atlantik ist ein gutes Beispiel für ein privatfinanziertes Gesundheitssystem, das den Grundgedanken eines freien Marktes lebt.

Das Gesundheitssystem der USA bildet sich hauptsächlich aus privaten Krankenkassen. Private Krankenkassen haben ein Problem: Sie neigen zu Kostenexplosionen, denn niemand im System – weder die Versicherten, noch die Leistungserbringer, also Ärzte, Krankenhäuser oder Apotheken – haben Anreize sich in Sparsamkeit zu üben. Um das Schlimmste zu verhindern, werden von den Versicherungen drei Strategien verfolgt: Erstens sollen nur die günstigsten Leistungserbringer behandeln, Versicherungen schließen also mit ihnen Verträge. Patienten müssen zweitens außerdem häufig Zuzahlungen leisten; damit wird verhindert, dass jemand sich behandeln lässt, der es eigentlich gar nicht unbedingt nötig hat. Drittens sollen Patienten mit Blick auf ihre Vergangenheit behandelt werden. Alle drei Strategien sind kostensparend für die Krankenkassen.

Gesundheitsversorgung durch Organisationen

Um das Problem der Kostenexplosion zu umgehen, haben sich Health Maintenance Organizations gegründet. Sie versorgen ihre Mitglieder, für einen festen Beitragssatz und meistens ohne Zuzahlungen, mit den wichtigsten Leistungen bei festgelegten Krankenhäusern und Ärzten. In so einem Netzwerk entstehen Synergieeffekte, die für geringe und überschaubare Kosten sorgen. Die Vorteile für Versicherte liegen hier auf der Hand: Günstige Versicherungsbeiträge und kaum zusätzliche Zahlungen.

Wenn Krankenversicherung und Arbeitgeber verknüpft sind…

… dann kann es zu weiteren Problemen kommen. Über die Hälfte der US-Amerikaner sind über ihren Arbeitgeber versichert; in diesem Fall wählt also der Arbeitgeber die Versicherung aus.

Bei einer so genannten Gruppenversicherung teilen sich Arbeitgeber und –nehmer die Kosten, die dabei anfallen; in etwa so, wie es in Deutschland der Fall ist.

Große Unternehmen sind nicht auf Gruppenversicherungen angewiesen und können sich Eigenversichersicherungen leisten. Ohne die Unterstützung einer externen Versicherung erbringen sie die notwendigen Leistungen dann selbstständig. Kostentechnisch geht das nur, wenn sich genügend Mitarbeiter beteiligen.

Wenn ein Mitarbeiter aber seinen Job verliert, erlischt früher oder später auch der Versicherungsschutz. Denn der ist bei einer Versicherung über den eigenen Arbeitgeber an diesen gebunden. Vor dem Abschluss einer neuen Versicherung und der Aufnahme in eine Krankenkasse werden „Anwärter“ in der Regel auf Vorerkrankungen untersucht. Diese führten in der Vergangenheit – bis zur Reform „Obamacare“ – zu einer Ablehnung des Patienten, zu deutlich höheren Versicherungsprämien oder dem Ausschluss von Behandlungen einer etwaigen Vorerkrankung.

Im Notfall greift der Staat ein

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Krankenkassenbeiträge finanziell nicht zu unterschätzen sind. Für Menschen, die sich die hohen Beiträge nicht leisten können, gibt es verschiedene staatliche Fürsorgesysteme:

Mit dem System Medicare unterstützen die Staaten ältere (ab 65 Jahren) und behinderte Personen finanziell bei der Gesundheitsversorgung.

Medicaid dagegen kann von jüngeren Bewohnern der USA beansprucht werden, die sich die Beiträge nicht leisten können. Bis zur bereits erwähnten Reform „Obamacare“ durften die Bundesstaaten selbstständig festlegen, wer Anspruch auf die Leistungen erhält; das war nicht immer gerecht. Überdies sind Medicaid-Patienten bei Ärzten und anderen Leistungserbringern unbeliebt. Es soll vorkommen, dass sich Versicherte in Notfällen lieber als EMTALA-Patienten behandeln lassen.

EMTALA steht für Emergency Medical Treatment and Labor Act und stellt die Notfallversorgung sicher. Viele Krankenhäuser bieten freiwillig eine Notfallversorgung an, für die sie nicht entlohnt werden. Das ist nicht optimal, denn das Geld für die Behandlungen holen sie sich an anderer Stelle wieder. So werden beispielsweise die allgemeinen Behandlungskosten erhöht, was wiederum zu einem Anstieg der Versicherungskosten für jedermann und –frau führt.

Ergänzend zu den drei großen Systemen gibt es schließlich noch je ein Programm, das Kinder, Soldaten und amerikanische Ureinwohner absichert.

3 Gründe, auf eine Versicherung zu verzichten

  1. Das eigene Einkommen übersteigt die Grenze für die Hilfe durch Medicaid. Viele können sich die hohen Beiträge dennoch nicht leisten und verzichten daher ganz auf die Zahlung einer Versicherung.
  2. Eine Versicherung wird als nicht nötig angesehen. Kosten für die Gesundheitsversorgung werden selbst gezahlt, weil das möglich ist. In diesem Falle entgeht der Patient dem Solidaritätsprinzip, das in Gesundheitssystemen vieler Länder üblich ist.
  3. In Notfällen greift EMTALA ein. Das reicht einigen Bürgern und sie greifen auf die Notfallversorgung zurück. Es kann dann keine präventive Gesundheitsvorsorge geleistet werden.

Und dann kam Obama

„Obamacare“ ist eine Gesundheitsreform, die Präsident Obama im Jahr 2010 entgegen vieler Meinungen durchgesetzt hat. Sie setzt einige Schranken für Versicherungen und soll bestimmte Gesundheitsleistungen für jedermann sicherstellen.

Das Gesetz, welches eigentlich „Patient Protection and Affordable Care Act“ heißt, verfolgt als Hauptziel, jeden US-Bürger zu versichern; es beinhaltet damit also, kurz gesagt, eine Krankenversicherungspflicht.

Ab Ende 2013 wurden verschiedene Regelungen eingeführt. Es gibt nun zum einen ein Online-Portal der Regierung, auf dem Versicherungsangebote verglichen werden können. Versicherer wurden dazu aufgefordert, Leistungspakete zu schnüren und den Patienten zur Verfügung zu stellen. Die Leistungspakete gehören einer der drei Klassen Bronze, Silber oder Gold an, die verschiedene Leistungsstufen beschreiben. Zum anderen werden Arbeitgeber finanziell unter Druck gesetzt, wenn sie ihren Mitarbeitern keine Versicherung anbieten. Gleichzeitig werden auch Arbeitnehmer und alle anderen Bürger dazu aufgefordert, eine Krankenversicherung abzuschließen. Es drohen sonst auch für sie Geldstrafen. Dieser Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen wurde von Obamas politischen Gegnern besonders kritisiert.

Oben haben wir bereits darauf hingewiesen, dass Anwärter für eine Versicherung früher oftmals auf Vorerkrankungen geprüft und deshalb möglicherweise vom Versicherer abgelehnt wurden. Diese Problematik wurde ab 2014 ebenfalls entschärft. So dürfen Versicherungsanwärter mit Vorerkrankung weder aufgrund dieser abgelehnt werden, noch müssen sie höhere Versicherungsprämien bezahlen.

Zusätzlich setzt sich der Staat für finanziell schwache Personen ein. Wer die Leistungen von Medicaid erhält, wird fortan anhand einer festgelegten Armutsgrenze entschieden. Überdies gibt es Ermäßigungen für Personen, die Medicaid nicht erhalten, aber trotzdem zu den Geringverdienern zählen. Für sie übernimmt der Staat einen Teil der Gebühren.

Das dritte finanzielle Hilfsangebot des Staates betrifft schließlich Personen, deren Versicherungsbeiträge über 9,5 Prozent des Einkommens liegen. Sie haben die Möglichkeit, sich Gruppenversicherungen anzuschließen. Der Staat bietet zwei dergleichen an, eine von ihnen arbeitet gemeinnützig.

Die Zahl der nicht Versicherten ging zurück, aber…

Der Grundgedanke von „Obamacare“ dürfte vielen von uns zunächst zusagen. Die Leistungen einer „Obamacare“-Versicherung fallen jedoch meist minimal aus, sodass die Reform eher als „eine moderate Unterstützung für eine kleine Gruppe amerikanischer Bürger mit niedrigen Einkommen“ (siehe FR-online) zu betrachten ist. Aus dem zitierten Artikel geht weiterhin hervor, dass die Online-Portale für Versicherungsangebote Verluste bei den Versicherern verursachen. Dort schließen nämlich größtenteils alte und/oder kranke Menschen eine günstige Versicherung ab. Die Beteiligungsquoten junger oder weitestgehend gesunder Bürger sind gering, weswegen Versicherungen inzwischen langfristig den Ausstieg oder drastische Kostenerhöhungen planen.

Fazit

Krankenversicherungen sind teuer und lohnen sich für Versicherungen nur bei vielen Versicherten. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass sowohl häufig Erkrankte als auch gesündere Personen der Versicherung angehören, die sich gegenseitig finanzieren. Dieses Prinzip funktioniert in den USA nicht besonders gut, da gut betuchte oder meist gesunde Bürger häufig auf den Eintritt in eine Versicherung verzichten. Obamacare sollte dieses Problem lösen, hat aber bisher nur geringe Erfolge erzielt.

Auch zeigt das Beispiel der USA die Schwächen von privaten Krankenversicherungen auf, die als Unternehmen vor allem darauf ausgerichtet sind, Gewinne zu erzielen. Fragen der Gerechtigkeit und der Notwendigkeit einer ausreichenden Gesundheitsfürsorge treten bei diesen Systemen häufig in den Hintergrund. Abschließend muss außerdem erwähnt werden, dass die Kosten des US-amerikanischen Gesundheitssystems im Vergleich mit 16,4 Prozent des BIPs deutlich über dem OECD-Durchschnitt liegen.

Hast Du schon den ersten Teil unserer Reihe gelesen? Über diesen Link gelangst Du zum Artikel über das Gesundheitssystem Dänemarks.

Der Beitrag Wer bezahlt mich in… den USA? Private Krankenversicherungen und ein Staat, der das Nötigste tut erschien zuerst auf gesundheitshelden.eu – Deine Karriereplattform.