48 Stunden, Teil I

Da wären sie also. Die 48 Stunden Dienst, die vor mir liegen. Menschenhandwerkerin als einzige chirurgische Oberärztin im Hause, und weil es bei den KollegInnen der Unfallchirurgie Personalmangel gibt, bin ich für die Verunfallten so nebenbei auch die Ansprechperson.

Sieben Uhr. Ich stehe noch zuhause, am Zähneputzen, kurz davor mich auf das Rad zu schwingen um in die hiesige Klinik zu radeln. Das Telefon klingelt, oh, die Nummer kommt mir bekannt vor. Die Assistenzärztin ist am Telefon, Frau Darmkrebs gehe es nicht gut, die Angehörigen sind verständigt und kommen vorbei. Frau Darmkrebs wurde schon mehrmals operiert und jenseits der 80. In der Klinik angekommen beginnt der Dienst also mit einem Tod. Frau Darmkrebs hat sich verabschiedet. Es folgen Visite, Bäuche werden untersucht, zwischendurch Angehörigengespräche geführt (Was hat meine Mutter nun genau? Wann darf er nachhause? Was wurde genau bei der Operation gemacht?), Drainagen gezogen, Wunden kontrolliert und Lungen abgehört. Das Telefon läutet, Konsile angemeldet (liegen PatientInnen für Konsile absichtlich immer am anderen Ende des Hauses? Ich bin rechts unten, wo liegt Frau Bauchweh? Achso, links oben!) und sonstige Fragen beantwortet. Es ist Mittag. Auf der Notaufnahme häufen sich die wehen Bäuche und Perianalabszesse und inkarzerierten Hernien. Dort angekommen läutet das Telefon, ein Patient könne nicht mehr urinieren, habe massive Schmerzen und sei generell am dekompensieren. Leider ist der besagte Patient geschätzte 500kg schwer (okay, 120 waren es wirklich), der Bauch ist durch die Fettschicht schwer zu beurteilen, ein Katheter lässt sich nicht legen bei einem Tumor der auf die Harnröhre drückt, machen wir halt einen Zystofix! Ein Blick auf die Medikamentenliste verscherzt es sich mit meiner Laune: Clopidogrel. Grml. Da sticht man nicht gerne mit einer riesigen Kanüle durch die Bauchdecke. Na gut, fragen wir halt mal den Urologen. So so, wir sollen es einfach mit einem doppelt so dicken Katheter probieren und ordentlich vorschieben, nicht so zimperlich, und gleichzeitig den Katheter anspülen. Da könne man nicht perforieren. Huaaaa. Angst. Letztendlich funktioniert es so aber doch. Der Katheter liegt, alle sind zufrieden, weitere Arbeit ruft. Fünf Minuten später meldet sich die Pflege, der Patient habe nun einen Blutdruck von 60 auf 30. Und reagiere nicht mehr so wirklich. Trotz großzügiger Volumengabe. Hmpf. Intensivstation. Irgendwann ein Blick auf die Uhr, es ist später Nachmittag. Der nächste Blick: es ist Abend. Es wird ruhiger, die PatientInnen sind versorgt, die Fragen geklärt, die Notaufnahme ruhig. Ich entschließe mich, den Nachhauseweg anzutreten. Duschen, essen, schlafen. Um 3 Uhr nachts klingelt das Telefon, die Fragen der Assistenzärztin sind gottseidank schnell geklärt. Ich gehe wieder schlafen. 4 Stunden später klingelt nicht nur der Wecker, sondern auch wieder das Telefon.