Kaum eine Erkrankung ist so umstritten und wird so misstrauisch beäugt wie die Unverträglichkeit gegen Gluten. Fast jeder hat mindestens einen Betroffenen im Freundeskreis, der angibt, das Klebe-Eiweiß aus Getreide nicht vertragen zu können. Viele halten die Leidenden für Hypochonder, die eigentlich gesund sind und sich ihre „Allergie“ nur einbilden.
Aber was ist dran an dieser Erkrankung?
Tatsächlich kommt die Unverträglichkeit gegen Gluten in der Bevölkerung sehr oft vor. In Deutschland liegt die Häufigkeit bei 1:100. Allerdings zeigen nur 10% der Betroffenen das Vollbild einer Glutenunverträglichkeit. In 90% der Fälle dominieren sehr untypische Symptome oder die Menschen sind absolut beschwerdefrei.
Die einheimische Sprue, wie die Glutenunverträglichkeit von Medizinern genannt wird, kann bereits im Kindesalter auftreten und wird dann als Zöliakie bezeichnet. Beim Verzehr von Getreideprodukten wie Brot oder Kuchen wird die Nahrung im Magen-Darm-Trakt in ihre Einzelteile zerlegt, damit die wichtigen Stoffe in den Körper aufgenommen werden können. Verschiedene Getreidesorten wie Weizen und Gerste enthalten das Klebe-Eiweiß Gliadin, das in den Zellen des Dünndarms von einem Enzym, der Gewebetransglutaminase, gespalten wird. Die entstehenden Bruchstücke aktivieren bei genetisch vorbelasteten Personen Immunzellen des Körpers, die dann in den Darm einwandern und eine Entzündungsreaktion auslösen.
Bei Kindern äußert sich die Glutenunverträglichkeit erst, wenn außer der Muttermilch noch getreidehaltiger Babybrei zugefüttert wird. Die Säuglinge leiden dann an Durchfällen mit hohem Flüssigkeits- und Gewichtsverlust und wachsen häufig nicht gut.
Die Glutenunverträglichkeit kann aber auch erst den erwachsenen Menschen treffen. Auch diese klagen über Durchfälle, fettglänzenden übelriechenden Stuhlgang und Bauchschmerzen. Viel häufiger ist jedoch die untypische Sprue. Hierbei können Durchfälle auch gänzlich fehlen. Die Betroffenen berichten stattdessen über Schlappheit und Müdigkeit, sie sind oft blutarm, da eine Eisenmangelanämie besteht. Es können sich rote Schuppen und kleine Bläschen auf der Haut bilden, vor allem an den Streckseiten der Unterarme und der Beine. Manche klagen über Zungenbrennen und viele haben starke Gelenkschmerzen im Sinne einer Arthritis.
Da dieses Beschwerdebild nicht auf eine Ursache im Darm vermuten lässt, werden viele Leidenden zum Orthopäden geschickt. Die Gelenkschmerzen können dort aber nicht angemessen behandelt werden und so kommt es häufig zu einem ständigen Ärztewechsel, einem wachsenden Misstrauen in die Medizin, die Frustration steigt und die Schmerzen nehmen zu.
Falls Sie diese Symptome bei sich erkennen oder Angehörige haben, deren Beschwerden zur Beschreibung passt, setzen Sie den zahlreichen Therapieversuchen ein Ende und fragen Sie bei Ihrem Arzt nach einem Test auf Glutenunverträglichkeit.
Um dieser Erkrankung bei Ihnen oder Ihrem Angehörigen auf die Schliche zu kommen, wird zunächst der D-Xylose-Test durchgeführt, bei dem der Arzt nur herausfinden kann, ob der Betroffene ein Problem mit der Nahrungsstoff-Aufnahme aus dem Darm hat. Hierzu wird Xylose, eine Zuckerart, in 500ml Wasser gelöst, getrunken. Anschließend wird die Konzentration des Zuckers im Blut gemessen. Wenn der Darm gut funktioniert, wird der Zucker in die Blutbahn aufgenommen. Steigt die Konzentration der Xylose im Blut nicht an, kann davon ausgegangen werden, dass der Darm nicht ganz richtig funktioniert.
Bei der Sprue können zudem Auto-Antikörper im Blut nachgewiesen werden. Das sind von Immunzellen des Körpers gebildete Stoffe, die Zellen des eigenen Organismus angreifen. Deshalb ist die Glutenunverträglichkeit eine Autoimmunerkrankung.
Die letzte Maßnahme, die der Arzt ergreifen kann, um eine Sprue bei Verdacht nachzuweisen, ist die Probeentnahme aus dem Dünndarm. Dem Patienten werden unter Narkose kleine Gewebsproben aus dem Zwölffingerdarm entnommen und untersucht. Eine Sprue kann somit zweifelsfrei entdeckt werden.
Was kann nun gegen die starken Schmerzen unternommen werden?
Zunächst sollte mit dem Arzt Rücksprache gehalten werden, ob bis dahin eingenommene Medikamente gegen Schmerzen abgesetzt werden können. Ibuprofen, Paracetamol und Aspirin helfen bei Sprue nicht weiter.
Hier kann nur die konsequent eingehaltene Diät Linderung bringen: Lebenslang sollten Getreide vermieden werden, die reich am Klebe-Eiweiß Gliadin sind. Dazu gehören Weizen, Gerste, Roggen, Dinkel, Grünkern und Kamut. Auch Produkte aus diesen Getreidesorten sollten nicht gegessen werden.
Stattdessen kann folgendes verzehrt werden: Kartoffeln, Mais, Reis, Hirse, Sojabohnen, kleine Mengen Hafer und noch einiges mehr. Informieren Sie sich zu den „erlaubten“ Nahrungsmitteln bei Ihrem Arzt.
Sehr häufig wird eine Assoziation der Glutenunverträglichkeit mit der Laktoseunverträglichkeit beobachtet. In diesem Fall sollten beide Erkrankungen ärztlich abgeklärt werden.
Auch Schilddrüsenerkrankungen werden gehäuft bei Betroffenen der Sprue bemerkt. Natürlich müssen auch diese entsprechend behandelt werden.
Falls Sie bereits mit der Sprue leben oder von sich vermuten, die Erkrankung zu haben, empfiehlt sich dringend eine enge Rücksprache mit Ihrem behandelnden Hausarzt. Gemeinsam können Sie eine ernährungsmedizinische Beratung beschließen oder Therapiemöglichkeiten diskutieren. Falls die Glutenunverträglichkeit tatsächlich Urheber Ihrer Schmerzen sein sollte, verschwinden die Beschwerden in den meisten Fällen durch die Diät und die Dünndarmschleimhaut kann sich erholen.
Es wird im Allgemeinen nicht empfohlen, von sich aus und ohne Diagnosestellung durch einen Arzt eine glutenfreie Diät einzuhalten. Der Stress, den die Vermeidung der vielen Lebensmittel auslöst und die Unsicherheit, ob die Diät wirklich zur erhofften Schmerzfreiheit verhilft, können durch ein Beratungsgespräch mit dem Arzt vermieden werden.
Ich hoffe, dass dieser Artikel hilfreich für Sie ist und wünsche Ihnen viel Erfolg auf Ihrem Weg in die Schmerzfreiheit!
Dieser Beitrag wurde im Original auf www.meinschmerzbuch.de/blog veröffentlicht.