Wenn der Sex weh tut – körperliche Ursachen von schmerzhaftem Geschlechtsverkehr bei der Frau
Für Schmerzen während und nach dem Geschlechtsverkehr können bei Frauen zahlreiche körperliche Gründe verantwortlich sein. Nicht immer liegt diesen Schmerzen eine einzelne Ursache zugrunde. Vielmehr kann eine Störung aus einer ganzen Ursachengruppe weitere Störungen nach sich ziehen, die das Problem verschlimmern (Beispiel: eine durch Hormonmangel verdünnte und trockene Scheidenschleimhaut = hormonelle Ursache, bedingt stärkere Reibung = mechanische Ursache).
Die nachfolgende Einteilung gibt einen Überblick über alle wichtigen körperlichen Ursachen von schmerzhaftem Geschlechtsverkehr bei Frauen abhängig vom zugrunde liegenden Krankheitsmechanismus (Pathomechanismus).
Einteilung
1. mechanische Ursachen
2. Entzündungen
3. hormonelle Ursachen
4. spezifische Erkrankungen der Genitalorgane
5. Erkrankungen außerhalb der Genitalorgane
6. Formenkreis der Vulvodynien
Mechanische Ursachen
Bereits sehr heftige Bewegungen beim Geschlechtsverkehr, vor allem bei Positionen mit ungünstigem Winkel der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane zueinander können Schmerzen auslösen, hier spielen auch Senkungszustände des weiblichen Genitale (Descensus genitalis) eine Rolle. Eine solche Senkung kann altersbedingt eintreten, aber auch dann, wenn der Beckenboden – etwa nach Geburten – geschwächt ist.
Weiters kann eine hohe Muskelspannung der weiblichen Beckenbodenmuskulatur (erhöhter Beckenbodenmuskeltonus), die durch vorangegangene Schmerz -und/oder Gewalterfahrungen begünstigt wird, ebenfalls zu Schmerzzuständen während des Geschlechtsverkehrs führen.
Narbenbildungen an Vulva, Vagina und im Bereich des inneren Genitales entstehen durch operative Eingriffe, Bestrahlungen und durch (chronische) Entzündungsvorgänge und zeichnen sich durch straffe, unelastische Beschaffenheit aus, was zu Schmerzen führen kann.
Fehlendes Feuchtwerden (fehlende Lubrikation) führt, unabhängig von seiner Ursache, zu vermehrter (schmerzhafter) Reibung. Das gilt besonders für Frauen mit anlagebedingt (konstitutionell) dünner Haut/Schleimhaut im Genitalbereich.
Entzündungen
Diese unterteilen sich in
a.) Infektionen
b.) Hauterkrankungen (Dermatosen)
c.) Allergien/Irritationen
Infektionen
Infektionen des weiblichen Genitaltrakts sind häufig und werden durch verschiedene pathogene (krankmachende) Keime wie Pilze (z.B. Candidaarten), Bakterien (diverse Kokkenarten), Viren (z.B. Herpesviren) sowie spezielle Keime (z.B. Chlamydien, Trichomonaden) ausgelöst.
Je nach Keimart können äußerer Genitalbereich, Scheide sowie innere Genitalorgane betroffen sein. Daraus und auch durch die große Anzahl unterschiedlicher in Frage kommender Keime resultieren zahlreiche weitere unterschiedliche Symptome zusätzlich zu den Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
In der Regel steht für die Therapie genitaler Infektionen nach entsprechender Diagnostik eine breite Palette gut wirksamer lokal und/oder oral anwendbarer Medikamente zur Verfügung.
Ein grundsätzliches Problem besteht jedoch in der Tatsache, dass die Scheide neben den sogenannten Döderlein-Bakterien (Milchsäurebakterien), welche eine Schutzfunktion besitzen, immer in geringer Anzahl noch von zahlreichen anderen Keimarten besiedelt wird, was durch Anzucht in Keimkulturen auch nachweisbar ist. Diese Keime, wie Enterokokken oder Gardnerella werden erst dann zu Krankheitserregern, bzw. verursachen Beschwerden, wenn sie die Milchsäurebakterien in ihrer Menge übertreffen – das wird auch „überwuchern“ genannt, wenn also mehr krankmachende Bakterien als gesunde Milchsäurebakterien im Scheidenmilieu vorhanden sind.
Der reine Nachweis solcher Keime in mikrobiologischen Kulturen, die zur Schmerzabklärung aus dem Scheidensekret angezüchtet werden, berechtigt daher noch nicht, eine entzündliche Ursache der Schmerzen zu diagnostizieren. Dazu müssen noch weitere Entzündungskriterien, z. B. gerötete Scheidenwände und der Nachweis von Leukozyten (Entzündungszellen) im Scheidensekret vorhanden sein.
Können derartige Krankheitszeichen nicht nachgewiesen werden, spricht man von transienter (vorübergehender) Keimbesiedelung ohne Krankheitswert. In einem solchen Fall ist auch keine Behandlung angezeigt. Dennoch werden nur allzu oft unkritisch Antibiotika zur Behandlung einer solchen Keimbesiedelung verordnet, was bei fehlender Wirkung, vor allem bei wiederholter Anwendung, erhebliche Nebenwirkungen verursachen kann.
Die eigentliche Schmerzursache wird damit außerdem nicht behandelt.
Hauterkrankungen am Genitale (Dermatosen)
Für schmerzhaften Geschlechtsverkehr bei Frauen sind hier in erster Linie die Krankheitsbilder des Lichen sclerosus und des Lichen (ruber) planus verantwortlich.
Lichen sclerosus
(griechisch lichen=Flechte,lateinisch sclerosus=hart)
Der Lichen sclerosus ist eine entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung jedes Lebensalters, die bevorzugt im Genitalbereich auftritt und Männer wie auch Frauen betrifft.
Die Ursache für den Erkrankungsausbruch ist bis heute ungeklärt, diskutiert werden infektiöse, hormonelle und auch vererbliche Faktoren, die zu einer Fehlregulation des Immunsystems führen. Über die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) gibt es sehr wenige Untersuchungen, neuere Daten geben sie aber mit bis zu 9 Prozent in der weiblichen Durchschnittsbevölkerung an. (Goldstein 2005, Eberz 2008).
Der Lichen sclerosus ist speziell in seinem fortgeschrittenen Stadium unter anderen Namen seit 125 Jahren als Erkrankung des äußeren Genitale mit juckenden weißlichen Hautveränderungen bei älteren Frauen beschrieben, was jedoch nur eine kleinen Teil der Bandbreite von Altersverteilung, Symptomen und Hautauffälligkeiten ausmacht.
Besonders die Diagnostik von Frühformen bereitet den behandelten ÄrztInnen bis heute Schwierigkeiten.
Altersverteilung
Der Krankheits/Beschwerdebeginn bei Frauen fällt im Durchschnitt ins junge bis mittlere Erwachsenenalter, teilweise auch erheblich früher. Es können bereits Mädchen im Kleinkindalter betroffen sein.
Krankheitsverlauf
Während bei Kindern speziell unter Lokaltherapie häufig eine völlige Rückbildung möglich ist, ist ab dem Jugendlichenalter mit einem chronischen, in Schüben verlaufendem Krankheitsgeschehen und selten mit einer (spontanen) Rückbildung zu rechnen. Eine besondere Bedeutung kommt hier der möglichst frühen Diagnose und daraus folgenden adäquaten Therapie zu, da damit in den meisten Fällen die Beschwerden gut unter Kontrolle sind und wahrscheinlich auch das Fortschreiten zu ausgeprägteren Hautveränderungen verhindert wird.
Krankheitssymptome
Betroffene Areale können grundsätzlich die großen und kleinen Genitallippen, der Scheideneingang, der Damm und die Afterumgebung sein.
Neben dem bereits erwähnten Juckreiz, der vor allem nachts quälend sein kann, klagen Frauen über Spannungsgefühle, Trockenheitsgefühl und Schmerzen der erkrankten Haut. Diese wird zunehmend unelastischer und unnachgiebiger, was speziell bei mechanischer Belastung (Geschlechtsverkehr, Stuhlgang) zu Einrissen führen kann, die dann bis zur Abheilung lange schmerzen können.
Oft tritt ein zunehmendes Gefühl der Scheidenverengung auf, beim Geschlechtsverkehr werden vor allem das Einführen des Penis und die beginnenden Penisbewegungen in der Scheide am schmerzhaftesten gefunden. Im Extremfall ist Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich.
Sichtbare Veränderungen im Genital/Afterbereich
Am Beginn der Erkrankung fällt oft nur eine Rötung der betroffenen Areale auf, die typischerweise nach Abklingen von Schmerz-/Juckreizattacken bestehen bleiben kann.
Häufig kann man schon früh, allerdings sehr diskret und oft auch nur kleinflächig weißliche, glatte, „porzellanartige“ Hautveränderungen erkennen. Bevorzugte Stellen sind die Klitorisumgebung, die Falten zwischen großen und kleinen Genitallippen und der Damm. An den letzteren beiden Lokalisationen und um den After treten die Risse auf, die ebenfalls oft nur fein sind. Speziell nach häufigen Einrissen können die Falten zwischen den großen und kleinen Genitallippen mit der Zeit wie eingekerbt wirken. Manchmal finden sich auch Pigmentunregelmäßigkeiten, man sieht dann bräunliche Flecken. Durch Schrumpfungsprozesse machen die kleinen Genitallippen einen zunehmend stumpfen, abgerundeten Eindruck, sie können nach und nach ganz flach und letztendlich „verschwunden“ erscheinen. Auch die Klitoris kann durch Verwachsungs-und Verklebungsprozesse (sogenannte Synechien) unsichtbar werden, die Scheidenöffnung wird enger.
Mit zunehmenden Fortschreiten kann sich Haut stellenweise auch verdünnen (Atrophie), es kann zu sichtbaren kleinen oder größeren Einblutungsbezirken unter die Haut kommen. (Ekchymosen)
Im Endstadium sieht man dann einen weißlich glatten, fast flachen Scheideneingangsbereich ohne erkennbare kleine Genitallippen bzw. Klitoris mit sehr enger Scheidenöffnung, eventuell mit Pigmentflecken und Einblutungsarealen.
Therapie
Die moderne Standardtherapie besteht in einer Lokaltherapie mit speziellen hochwirksamen Cortisoncremes/salben, da Cortison eine der stärksten entzündungshemmenden Substanzen ist.
Nach internationalen Richtlinien wird ein Schema mit Clobetasolprodukten (z. B. Dermovate) über 3 Monate empfohlen, und zwar 4 Wochen 1x täglich abends, 4 Wochen alle 2 Tage abends und 4 Wochen 2x/Woche abends, dann sowenig wie möglich und so viel wie nötig.(Neal 2002)
Dieses Schema kann von erfahrenen ÄrztInnen aber durchaus individualisiert werden, oft ist es nötig, zur Vorbeugung von Rückfällen in bestimmten Abständen die Cortisonprodukte kurzfristig neuerlich anzuwenden.
Eine weitere Möglichkeit besteht im Einsatz sogenannter Zytokininhibitoren, das sind cortisonfreie Cremes/Salben, die in Österreich allerdings nur zur Behandlung von atopischer Dermatitis („Neurodermitis“) zugelassen sind. Eine solche Therapie wird als „off label use“ bezeichnet und gehört in die Hände von erfahrenen SpezialistInnen.
Veraltet ist die Anwendung von Testosteroncremes, welche männliche Hormone enthalten und heute nicht mehr empfohlen wird.
Über die ausschließliche Therapie mit etablierten komplementärmedizinischer Verfahren, wie zum Beispiel Homöopathie, gibt es zu wenig gesichertes Wissen. Als zusätzliche Unterstützung sind sie sicher geeignet.
Unterstützende Maßnahmen
Besonders hervorzuheben ist die herausragende Bedeutung einer fundierten Beratung betroffener Frauen bezüglich einer richtigen Intimhygiene -und Pflege, welche die Vermeidung aller reizenden und entfettenden Produkte sowie die Anwendung milder Waschlotionen, optimalerweise im sauren pH-Bereich und fettender Pflegecremes -und salben beinhaltet.
Mechanische Belastungen sollen soweit wie möglich vermieden werden (weiche Handtücher, Gel-Fahrradsättel), wegen der Abnahme der Hautelastizität kann die Anwendung von Gleitgel beim Geschlechtsverkehr hilfreich sein.
Bei bereits aufgetretenen Rissen wird die Abheilung durch Wund-/Heilsalben-und cremes unterstützt.
Diagnostik
Fortgeschrittene Formen von Lichen sclerosus können zwar in der Regel auf einem Blick erkannt werden („Blickdiagnose“), dennoch ist eine möglichst rasche Abklärung möglicher früher Fälle wegen der noch wesentlich besseren Therapierbarkeit dringend zu empfehlen.
Dafür eignet sich die Entnahme einer Gewebeprobe (Stanzbiopsie) aus den betroffenen Hautarealen in Lokalanästhesie, welche einen kurzen und schmerzarmen Eingriff darstellt.
Die so gewonnenen, in der Regel knapp 4 mm großen Hautstückchen sollten unbedingt von einem auf Hauterkrankungen im Genitalbereich spezialisierten Pathologen/einer Pathologin untersucht und befundet werden.
Zuletzt muss noch erwähnt werden, dass speziell bei fortgeschrittenen unbehandelten Erkrankungsfällen ein erhöhtes Risiko besteht, an den betroffenen Arealen Hautkrebs (Plattenepithelcarcinom) zu entwickeln (das Risiko liegt zwischen zwei und sechs Prozent), was nochmals die Wichtigkeit einer frühen Diagnose und Therapie unterstreicht.
Lichen (ruber) planus
griechisch lichen=Flechte, lateinisch ruber=rot, planus=flach)
Der Lichen (ruber) planus ist ebenso wie der Lichen sclerosus eine entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung beider Geschlechter.
Er betrifft aber zumeist Areale der Körperhaut (Beugeseiten der Handgelenke, Unterschenkel) und kann zusätzlich oder ausschließlich die Haut und Schleimhäute (Scheideneingang/Scheide) des Anogenitalbereiches befallen. Weiters ist ein Vorkommen an der Mundschleimhaut, in der Speiseröhre, an Kopfhaut und Haaren, den Nägeln und an der Bindehaut der Augen möglich.
Auch hier ist die Entstehungsursache unklar, diskutiert werden unter anderem Lebererkrankungen, bakterielle und virale Infektionen, allergische Reaktionen und Erbfaktoren.
Es scheint gesichert zu sein, dass ein Teil der Fälle auch durch Medikamente ausgelöst werden kann (Blutdruck- und Herzmedikamente z.B. Beta-Blocker und ACE-Hemmer, orale Medikamente gegen Pilze z.B. Ketokonazol, Antibiotika z.B. Tetrazykline und Schmerzmittel z.B. NSAR= nicht steroidale Antirheumatika). In weiterer Folge kommt es auch beim Lichen planus zu einer Fehlregulation des Immunsystems.
Über die Erkrankungshäufigkeit (Prävalenz) existieren wenige Daten, sie wird mit 0,14-0,8 Prozent der Durchschnittsbevölkerung ohne exakte Aufschlüsselung nach Geschlecht und Lokalisation angegeben.
Altersverteilung und Krankheitsverlauf
Auch der Lichen planus beginnt bei Frauen meist im jungen bis mittleren Erwachsenenalter. Da die Möglichkeit des Auftretens dieser Erkrankung im Genitalbereich vielen ÄrztInnen nicht bekannt ist, kommt es häufig zu erheblichen Verzögerungen von Diagnose und Therapie. Das ist besonders fatal, da der Lichen planus im Scheideneingangsbereich und in der Scheide in eine sogenannte erosive Form übergehen kann, die durch oberflächliche Schleimhautdefekte („offene Stellen“) gekennzeichnet ist und zu massivsten Schmerzen führen kann. Gleichzeitig kann es durch Entzündungsprozesse im oberen Scheidendrittel zu einer Verklebung der Schleimhäute kommen, wodurch sich die Scheide zusätzlich noch verkürzt.
Hier ist dann eine Behandlung der Beschwerden nur mehr eingeschränkt möglich, außerdem geht damit wie bei jedem langandauernden intensiven chronischen Entzündungsprozess ein erhöhtes Krebsrisiko einher (einher (Kirtschig 2005)
Krankheitssymptome
Der Lichen planus kann im weiblichen Genitalbereich die großen und kleinen Genitallippen, den Damm, die Afterumgebung, den Scheideneingang, aber auch den inneren Scheidenbereich befallen.
Erkrankte Frauen klagen oft über Juckreiz der betroffenen Areale, dessen Intensität von mild bis massiv quälend mit Kratzzwang reichen kann. Damit kann ein deutliches Trockenheitsgefühl einhergehen. Ein häufiges Symptom ist aber vor allem ein (meist starker) Berührungsschmerz von brennendem Charakter, der bei jeglicher Berührung (beim Abwischen, bei Tamponanwendung und natürlich beim Geschlechtsverkehr), teilweise auch in der Scheide empfunden wird. Es kann ein Gefühl des „Offenseins“ auch größerflächiger Bezirke inklusive des Scheideninneren auftreten, bei stärkerer mechanischer Belastung/Reibung kann es durchaus auch zu leichten Blutungen kommen.
Im weiteren Verlauf empfinden viele Frauen den Scheideneingang, aber auch den Scheideninnenbereich als zunehmend enger, den letzteren auch oft zunehmend kürzer, was zum Beispiel durch Tasten mit einem Finger selbst überprüfbar ist.
Ist das Krankheitsbild ausgeprägt, kann bereits die bloße Berührung des Scheideneingangs mit dem Penis des Partners massive Schmerzen auslösen, ein Einführen des Penis und Geschlechtsverkehr ist unmöglich.
Sichtbare Veränderungen im Genital/Afterbereich:
Speziell juckende Stellen erscheinen bei Betrachtung oft weißlich mit unebener, „geriffelter“ Oberfläche, die unter Vergrößerung auch netzartig aussehen kann. Häufig sieht man derartige weißliche „Netze“ oder Streifen, die als Wickham Striae (Striae = lateinisch Streifen) bezeichnet werden, recht deutlich an den Innenseiten der kleinen Genitallippen.
Berührungsschmerzhafte Areale erscheinen oft als scharf begrenzte Rötungen, bei starker Ausprägung fehlt die oberste Haut/Schleimhautschicht („Erosion“= oberflächliches „Offensein“). Auch hier erkennt man im Randbereich häufig weißliche Netzchen.
Teilweise können Hautbezirke stellenweise bräunlich gefärbt sein (hyperpigmentierte Areale), was Ausdruck einer chronischen Entzündung ist.
Durch massive Schrumpfungsprozesse können bei fortschreitendem Krankheitsverlauf die kleinen und großen Genitallippen immer mehr verflachen, anfangs erscheinen die Falten zwischen ihnen wie verklebt, zuletzt sind die Genitallippen oft überhaupt nicht mehr erkennbar. Auch die Klitoris kann durch Verklebungsprozesse unsichtbar werden, der Scheideneingang kann sich stark verengen.
Erosionen und Verklebungen betreffen bei Mitbeteilung des inneren Scheidenbereichs bevorzugt das obere Scheidendrittel, erkennbar sind diese Veränderungen dann in erster Linie bei der frauenärztlichen Untersuchung. Der Gynäkologe/die Gynäkologin kann den äußeren Muttermund, von dem üblicherweise der Krebsabstrich entnommen wird, oft zunehmend schlechter einsehen, nicht selten ist dann auch das Ergebnis des Abstrichs auffällig.
Im Endstadium ist der Teil des Gebärmutterhalses, der in die Scheide ragt und an dem sich der äußere Muttermund befindet überhaupt nicht mehr sichtbar.
Sichtbare Veränderungen außerhalb des Genitalbereichs:
In manchen Fällen von genitalem Lichen planus sind auch Areale der Körperhaut betroffen. Insbesonders an den Innenseiten der Handgelenke und der Unterarme, sowie an den Unterschenkeln findet man dann rötliche, über das Hautniveau etwas erhabene Stellen, mit weißlich-schuppiger Oberfläche, die häufig jucken.
Auch ein Befall der Mundschleimhaut, speziell der Wangen, der Lippeninnenseiten, des Zahnfleischs, der Zungenkanten ist nicht selten. Hier sind es wieder die weißlichen Netze und Streifen, in fortgeschrittenem Stadium auch gerötete, offene Stellen, die für diese Krankheit typisch sind.
Therapie
Die Standardtherapie entspricht der Therapie des Lichen sclerosus und besteht in der lokalen Anwendung von speziellen hochwirksamen Cortisoncremes/salben (Cooper 2006). Allerdings ist hier besonders anzumerken, dass in den meisten Fällen der Beginn mit dem drei Monate dauernden Anfangstherapieschema unbedingt zu empfehlen ist, und eine eventuelle individuelle Therapie im Sinne eine Reduktion von Therapiedauer oder Cortisondosis nur von sehr erfahrenen SpezialistInnen vorgenommen werden sollte. Dies betrifft auch Fälle mit schlechtem Therapieerfolg, bei denen eine Einstellung auf eine Cortisontherapie in Tablettenform oder andere Medikamente (z.B. Antibiotika, Antimalariamittel, Pilzmedikamente, Substanzen, die das Immunsystem hinunterregulieren) nötig sein kann.
Ist der innere Scheidenbereich mitbetroffen, so steht ein cortisonhaltiger Schaum zum Einführen zur Verfügung, der in Österreich allerdings nur zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen zugelassen ist (sogenannter „off label use“).
Da der Lichen planus vor allem in seiner erosiven Form eine sehr ernstzunehmende Erkrankung ist, deren Therapie mit fortschreitendem Verlauf zunehmend schwierig bzw. sehr eingeschränkt möglich wird, ist von einem ausschließlichen Therapieversuch mit komplementärmedizinischen Verfahren dringend abzuraten.
Es gibt keine exakten Daten über das Risiko einer Krebsentwicklung auf Boden eines genitalen Lichen planus inklusive des inneren Scheidenbereiches, man muss aber aufgrund von Fallberichten speziell bei unbehandelten langjährigen Krankheitsverläufen mit einem erhöhtem Krebsrisiko rechnen.
Unterstützende Maßnahmen
Der korrekten Intimhygiene- und Pflege sowie den weiteren unterstützenden Maßnahmen kommt die gleiche wichtige Bedeutung zu wie beim Krankheitsbild des Lichen sclerosus.
Beim Lichen planus ist es darüber hinaus oft hilfreich, wenn möglich, die fettenden Pflegeprodukte im Sinne von sanften Dehnmassagen des Scheideneingangs anzuwenden, um der drohenden Verengung frühzeitig entgegenzuwirken.
Diagnostik
Wie beim Lichen sclerosus sollte die Diagnose, auch wenn die sichtbaren Veränderungen den Verdacht auf Lichen planus nahe legen, möglichst rasch (!) durch die Entnahme von Gewebeproben aus den erkrankten Hautarealen bestätigt werden. Sicher bietet das Auftreten von Veränderungen auch an anderen Körperstellen oft eine zusätzliche diagnostische Hilfestellung, aber auch hier wird von den behandelnden Haut– und ZahnärztInnen oft eine Absicherung durch Gewebeentnahmen bevorzugt.
Allergien/Irritationen
Sehr viele verschiedene Stoffe (sogenannte „Allergene“) können bei entsprechender Veranlagung bei Kontakt mit dem weiblichen Genitalbereich Allergien auslösen. Das körpereigene Abwehrsystem reagiert dann auf derartige Substanzen im Sinne einer Überreaktion mit einer Entzündung.
Anfangs im akuten Stadium äußert sich diese mit einer Rötung, es können Bläschen auftreten, die nach Aufplatzen nässen, die betroffenen Stellen jucken und brennen.
Durch länger fortgesetzten Allergenkontakt kann die Entzündung in ein chronisches Stadium übergehen, das dann eher durch gerötete, verdickte, trockene, teilweise auch schuppende Haut gekennzeichnet ist. Die Beschwerden bleiben in diesem Fall oft über sehr lange Zeit weiter bestehen, durch Reiben und Kratzen kann die Haut noch zusätzlich beschädigt werden.
In jedem Fall sind Schmerzen eher äußerlich dann schon bei Kontakt des Penis mit der entzündeten Haut von Beginn des Geschlechtsverkehrs an möglich.
Häufige Allergene sind Metalle wie Nickel (Achtung billiger Intimschmuck!), Duftstoffe (Achtung Duftöle!), sowie zahlreiche Substanzen wie Wollwachsalkohole, Perubalsam oder Neomycinsulfat, die als Wirksubstanzen oder Trägerstoffe auch in Salben und Cremes enthalten sein können.
Manchmal werden Allergene auch unabsichtlich über die Hände nach a
nderen Tätigkeiten wie Haarpflege/färben, Maniküre, Schminken usw. an den Genitalbereich gebracht.
Oft rufen Substanzen keine Allergie im engeren Sinne, wohl aber Hautreizungen (Irritationen) hervor, die sich dann ebenfalls durch Jucken vor allem aber durch teilweise sehr unangenehmes Brennen der betroffenen Stellen äußern. Die sichtbaren Veränderungen (Rötungen, leichte Schwellungen) sind meist weniger stark ausgeprägt.
Die Therapie besteht hier in erster Linie im Vermeiden der allergie- bzw. reizauslösenden Stoffe, eine Allergietestung zum Herausfinden derselben kann hilfreich sein.
Schwache bis mittelstarke cortisonhältige Cremes/Salben lindern die Beschwerden meist rasch, wichtig ist auch hier eine korrekte Intimhygiene/pflege.
Leider trägt ein weitverbreitetes Verständnis von „Schönheit und Sauberkeit“ des weiblichen Intimbereichs, das radikale Enthaarung, häufiges Waschen mit parfümierten Waschlotionen, Anwendung von Intimsprays etc. beinhaltet, zum Entstehen von Allergien und Irritationen, aber auch zum Entstehen von mechanischen Hautbeschädigungen bei.
Hormonelle Ursachen
Tritt bei Frauen ein Mangel des Hormons Östrogen auf, so kann dies neben zahlreichen anderen Beschwerden auch zur Verdünnung und Trockenheit (sogenannte Atrophie) der Schleimhäute in Scheide (und Harnröhre) führen. Die häufigste Ursache dafür ist das natürliche Nachlassen der Eierstockfunktion im weiblichen Klimakterium („Wechseljahre“), wobei dieses Symptom aber nicht bei allen klimakterischen Frauen gleichermaßen auftritt.
Bei Vorhandensein kann es aber zu sehr belastenden Reibungsschmerzen durch die Penisbewegungen in der Scheide führen.
Achtung: Auch Anti-Baby-Pillen, die gelbkörperhormonbetont sind und einen geringen Östrogenanteil enthalten, können zu einer Atrophie der Scheidenschleimhaut führen!
FrauenärztInnen können bei der gynäkologischen Untersuchung eine vaginale Schleimhautverdünnung erkennen. Es sind mehrere östrogenhaltige Präparate in Zäpfchen-, Creme- und Scheidentablettenform zur Lokalanwendung verfügbar, die die Beschwerden rasch beheben.
Bei Wunsch nach einer hormonfreien Alternative können zum Beispiel befeuchtende Zäpfchen auf Aloe-vera-Basis versucht werden.
Spezifische Erkrankungen der Genitalorgane
Natürlich können spezielle Krankheitsbilder, die Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcke betreffen, neben anderen Symptomen auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr verursachen.
Dazu zählen vor allem Myome (gutartige knotige Gewächse des Gebärmuttermuskels unterschiedlicher Größe, Anzahl und Lokalisation an der Gebärmutter), aber auch Eierstockszysten (meist gutartige flüßigkeitsgefüllte Hohlraumbildungen an den Eierstöcken unterschiedlicher Größe und Ursache).
Eine häufige, aber oft lange verkannte Erkrankung ist die Endometriose, bei der sich aus noch unbekannter Ursache die Schleimhaut, die die Gebärmutterinnenwand auskleidet, auch an zahlreichen anderen Stellen ansiedeln kann, insbesonders im Gebärmuttermuskel, an Eileitern, Eierstöcken, Bauchfell, aber auch im Blasen-und Darmbereich.
Bei all diesen Krankheitsbildern werden die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oft tief innen im Becken empfunden.
Die Therapie muß sich in diesen Fällen natürlich nach der jeweiligen Ursache richten.