Der National Health Service (NHS) England will die HIV-PrEP im Rahmen einer groß angelegten Studie mit mindestens 10.000 Teilnehmer_innen finanzieren.
Das gab der englische Gesundheitsdienst am Sonntag in einer Pressemitteilung bekannt.
Die dreijährige Studie unter der Leitung des nationalen Gesundheitsinstituts Public Health England soll voraussichtlich im Frühjahr 2017 starten und grundlegende Fragen im Hinblick auf eine Implementierung der „Pille zum Schutz vor HIV“ in England klären, so der NHS weiter.
Dafür will der National Health Service laut dem HIV-Magazin Aidsmap bis zu 10 Millionen britische Pfund zur Verfügung stellen und dabei sowohl die Kosten für das PrEP-Medikament Truvada als auch die Kosten für Untersuchungen und die medizinische Betreuung übernehmen.
Näheres zum Aufbau und zur Durchführung der Studie ist bisher noch nicht bekannt – mit der detaillierten Planung wolle man nun beginnen, heißt es in der Pressemitteilung des NHS. Außerdem werde der NHS den Truvada-Hersteller Gilead sowie Generika-Produzenten, also Hersteller von Nachahmerprodukten, um Angebote hinsichtlich der Medikamentenkosten bitten. Gegenüber Aidsmap hätten Mitarbeiter_innen des NHS England und von Public Health England zudem geäußert, dass die Machbarkeit der Studie noch von den Preisverhandlungen abhänge, so das Magazin in seinem Bericht.
In einem Zeitraum von drei Jahren sollen mindestens 10.000 Personen an der Studie teilnehmen. Diese Zahl stimmt ungefähr mit der Bedarfsschätzung überein, die eine vom NHS eingesetzte Gruppe Anfang des Jahres vorgelegt hatte. Diese sprach sich für die Übernahme der HIV-Prophylaxe mit Truvada in die Regelversorgung aus und schätzte, dass 8.000 bis 12.000 Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), und 1.000 heterosexuelle Personen für die PrEP infrage kämen und dass etwa die Hälfte die PrEP in Anspruch nähme.
Laut Aidsmap werden sich die die Teilnahmekriterien der Implementierungsstudie wahrscheinlich ebenfalls an den Empfehlungen dieser Gruppe orientieren. In die Studie aufgenommen würden dann MSM, die vor Kurzem Analverkehr ohne Kondom praktiziert haben, trans* Menschen, die vor Kurzem Analverkehr ohne Kondom praktiziert haben, Heterosexuelle mit einem ähnlich hohen HIV-Risiko wie schwule Männer sowie Partner_innen von HIV-Positiven, die nicht in antiretroviraler Behandlung sind.
Gegen die Empfehlung der selbst eingesetzten Gruppe hatte der NHS England die breite Einführung der HIV-Prophylaxe im März dieses Jahres zunächst überraschend auf Eis gelegt und stattdessen eine PrEP-Studie mit 500 schwulen Männern angekündigt (die jetzt geplante Implementierungsstudie soll also 20-mal so vielen Menschen die PrEP zur Verfügung stellen und mit dem Zehnfachen des damals veranschlagten Budgets versehen werden). Kurz darauf erklärte der NHS zudem, nicht zur Finanzierung der PrEP befugt zu sein – mit der Begründung, dass diese in den Zuständigkeitsbereich der lokalen Behörden fiele. Der High Court of Justice entschied im August dieses Jahres allerdings, nachdem die britische HIV-Organisation National Aids Trust (NAT) geklagt hatte, dass der NHS die PrEP finanzieren dürfe. Vor Kurzem wurde dieses Urteil vom Berufungsgericht bestätigt.
„Wir freuen uns sehr, dass – nach unserem Sieg vor Gericht – der NHS England nun gemeinsam mit Public Health England und den lokalen Regierungen die PrEP auf breiter Basis und schnell denen zur Verfügung stellen wird, die sie brauchen“, sagte Deborah Gold, Leiterin des National AIDS Trust, gestern in einer Pressemitteilung.
Auch Ian Green, Leiter der britischen HIV-Organisation Terrence Higgins Trust, begrüßte die Ankündigung des NHS – sagte aber auch, dass der NHS verbindliche Zusagen für die Zeit nach der Studie machen müsse: „Diese Studie allein verschafft uns auf lange Sicht noch nicht die Beständigkeit, die hier gebraucht wird“, so Green. „Der NHS England muss sich jetzt dazu verpflichten, dass er nach Ende der Studie die PrEP für all diejenigen komplett finanzieren wird, die sie brauchen.“
(Christina Laußmann)
Quellen:
Pressemitteilung des NHS England vom 4.12.2016
Berichts des Magazins Aidsmap vom 4.12.2016