In den letzten fünf Jahren hat sich die HIV-Rate unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), auf den Philippinen verzehnfacht – in elf Städten liegt sie bei über fünf Prozent, in Cebu, der zweitgrößten Stadt, sogar bei 15 Prozent.
Diese Zahlen hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch heute in ihrem Bericht „Fueling the Philippines‘ HIV Epidemic“ (Wie die HIV-Epidemie auf den Philippinen befeuert wird) veröffentlicht.
Die Zahl neuer HIV-Infektionen unter Jugendlichen von 10 bis 19 Jahren ist nach Regierungsangaben zwischen 2011 und 2015 um 230 Prozent gestiegen, bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen von 15 bis 24 Jahren in den Jahren 2001 bis 2015 um 780 Prozent.
Gefährdet sind vor allem junge Männer, die Sex mit Männern haben
Pro Tag infizierten sich im Juni 2016 auf den Philippinen 26 Menschen mit HIV – 2014 waren es noch 14, 2008 nur eine Person. Insgesamt haben sich nach offiziellen Angaben seit 1984 rund 35.000 Menschen mit HIV infiziert – davon allein fast 29.000 (etwa 83 %) zwischen Januar 2011 und Juni 2016.
Besonders betroffen sind Männer, die Sex mit Männern haben: Von den rund 35.000 bisher diagnostizierten Infektionen entfallen etwa 81 Prozent auf diese Gruppe.
HRW macht dafür die Politik und die Katholische Kirche mitverantwortlich, die Sexualaufklärung sowie den Zugang junger Menschen (insbesondere junger MSM) zu Kondomen und HIV-Tests behinderten:
Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nur mit Zustimmung eines Erziehungsberechtigten Kondome kaufen oder einen HIV-Test machen – das wahre Ausmaß der Epidemie ist daher gar nicht bekannt. Auch für über 18-Jährige sind die Hürden oft hoch: Zwar gibt es staatliche Kliniken, die kostenlos Kondome abgeben, doch sind diese Kliniken aufgrund ihrer Tätigkeit für Sexarbeiter_innen stigmatisiert. Und der für den Kauf von Kondomen erforderliche Altersnachweis schreckt viele ab.
Politik und Katholische Kirche sind mitverantwortlich
Hinzu kommt: Kondomwerbung kommt auf den Philippinen so gut wie nicht vor. Ein von der Regierung beauftragtes Gremium zur Kontrolle der Werbung, der privatwirtschaftliche Ad Standards Council, wendet sich schon allein gegen die Verwendung des Wortes „Kondom“, ganz zu schweigen von Abbildungen.
Häufig werden Jugendliche auch nicht sexuell aufgeklärt – und schon gar nicht über den Schutz vor HIV. Zwar schreibt ein Gesetz aus dem Jahr 1998 eine dem Alter und dem Entwicklungsstand angemessene Sexualaufklärung vor, doch wird dieses Gesetz häufig nicht befolgt – insbesondere nicht an Schulen, die von der Katholischen Kirche getragen werden.
Offen ist, wie die HIV-Politik des seit Juni 2016 amtierenden Präsidenten Duterte ausfallen wird. Auf der einen Seite wird er international wegen seiner tödlichen Verfolgung von Drogenkonsument_innen kritisiert, die keinen Spielraum für Maßnahmen zur Schadensminimierung und HIV-Prävention lässt und so die Zahlen weiter in die Höhe treiben dürfte. Auf der anderen Seite hat Duterte sich gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* und inter* Personen ausgesprochen – Aktivist_innen hoffen deshalb, dass er zumindest in diesem Bereich eine faktenbasierte Politik verfolgen wird.
Der HRW-Bericht beruht auf Recherchen und Interviews in Städten mit besonders weiter HIV-Verbreitung sowie auf offiziellen Statistiken und Angaben.
(hs)