Wahnsinnswoche 2016:50

In dieser Woche 127 Patientenkontakte und 8 Terminausfälle.


Seit geraumer Zeit biete ich ja für Erstgespräche keine festen Termine mehr an, weil zu viele Leute dazu nicht erschienen waren. Wenn Sie also Gesprächsbedarf haben, kommen Sie einfach in die offene Sprechstunde. Ich erkläre Ihnen das gern auch während meiner Telefonzeiten. Es bringt aber nichts, fünf Minuten vor Beginn und dann nochmal fünf Minuten nach Ende meiner Telefonzeit jeweils eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter zu hinterlassen.


Hatte ich nicht erst letzte Woche was über Datensammelei und Smartphoneüberwachung geschrieben? Diese Woche: Datenschutz als Forschungshemmnis. Im Ausland wird fortgeschrittene deutsche Technologie bereits verwendet, und alles, was mit Datensparsamkeit zu tun hätte, gehört „ins vergangene Jahrhundert“…

Stellen Sie sich mal folgendes Szenario der näheren Zukunft vor: Sie steigen morgens in ihren Horch (Markenname verfremdet), um zur Arbeit zu fahren. HUD hochfahren, Ihre Nanoimplantate an Bord anmelden, den Startbefehl geben. Es ertönt die sonore Stimme der Bordelektronik in Ihrem auditorischen Kortex: “Du hast dich diese Woche zu wenig bewegt. Dein BMI ist zu hoch. Geh zu Fuß, Fettsack.”

Ein Autobauer arbeitet an sowas und möchte das System sogar so weit ausbauen, dass Sie beim Fahren (wenn das Auto Sie denn lässt) mit Ihrem Arzt in einer Online-Sprechstunde chatten können (Meldung beim Hippokranet – paywall). So weit kommt das noch… da lasse ich lieber meinen Avatar für mich arbeiten.

Probieren Sie doch in der Zwischenzeit mal diese Depri-App aus und sagen Sie mir, was Sie davon halten.


Termin beim Familiengericht am Rhein. Auf dem Flur fiel mir auf, dass sich zwei Leute angeregt und kollegial unterhielten. Im Termin gingen sie sich dann gegenseitig ein bisschen an die Kehle. Bin immer wieder verblüfft, wie wandlungsfähig Anwälte doch sind.

Die Frage, warum ich vom Befundergebnis eines Vorgutachters abgewichen war, konnte ich mit der empirisch gestützten Hypothese begegnen, dass sich die psychische Symptomatik im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung möglicherweise in den letzten vier Jahren (wieder) verschlimmert haben könnte. So viel Zeit war nämlich seit der ersten Untersuchung vergangen.

Dann ging es noch um die Unterscheidung zwischen Verdeutlichungs- und Aggravationstendenzen. Nach M. Philipp: Verdeutlichung, Aggravation und Simulation in der sozialmedizinischen Begutachtung (MED SACH 112 3/2016; 91) handelt sich bei Verdeutlichungstendenzen um den mehr oder weniger bewussten Versuch, den Gutachter vom Vorhandensein der Beschwerden zu überzeugen. Aggravation beschreibt eine bewusst intendierte gravierendere Darstellung einer vorhandenen Störung zu bestimmten, klar erkennbaren Zwecken. Während sich der Nachweis von Aggravation bei der Beurteilung des Schweregrades der vorliegenden Gesundheitsstörung so auswirkt, dass das quantitative Leistungsvermögen höher bzw. der Behinderungsgrad niedriger einzuschätzen ist, als bei einem vom Untersuchten behaupteten Schweregrad zu erwarten wäre, führt der Nachweis einer Verdeutlichungstendenz nicht zu einer Korrektur der Schweregradeinschätzung der vorliegenden Gesundheitsstörung.

Nach konstruktiver Diskussion wurde ich nach 30 Minuten wieder entlassen. Hin- und Rückfahrt kosteten mich allerdings zusammen anderthalb Stunden (Hint: A46). Da wäre ein Chat via VPN vielleicht doch effizienter gewesen.


Rammstein: “Du Hast” als Bossa Nova Version. Als kleines Kontrastprogramm dazu: Mary Poppins Sings Death Metal. Genial.


Was ist eigentlich Desinformation?


Wenn Sie eine auf die Behandlung von Depressionen spezialisierte Klinik suchen, hilft Ihnen das Angebot der Deutschen Depressionsliga weiter.


Jeder zehnte Patient mit einer neu diagnostizierten Schizophrenie hat im Blut Antikörper gegen NMDA-Rezeptoren, die im Gehirn an der Pathogenese der Psychose beteiligt sind. Das kam in einer Studie in JAMA Psychiatry heraus, die auf neue, bisher ungeprüfte Therapieansätze hinweist. Der Nachweis der Antikörper allein belegt noch nicht, dass sie an der Pathogenese der Schizophrenie beteiligt sind. Bei zwei der Patienten änderten die Untersucher jedoch die Diagnose. Beide hatten auch im Liquor spezifische Antikörper. Sie waren tatsächlich an einer Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis erkrankt. Bei den anderen gehen die Forscher weiterhin von einer Schizophrenie aus. [1] [2]

Wenn ich die vorliegenden Informationen richtig verstehe, müsste sowohl eine Blut-, als auch eine Liquordiagnostik erfolgen, um eine mögliche Beteiligung des NMDA-Systems zu untersuchen.