Zulassungsentzug bei Abrechnungsmanipulationen

Eine aktuelle Entscheidung  des SG Marburg (Beschl. v. 4.4.2016 – S 12 KA 827/15) zum Zulassungsentzug zeigt einmal mehr auf, dass die Bewertung von ärztlichen Abrechnungsmanipulationen sowohl auf sozial- als auch strafrechtlichem Sektor zu erfolgen hat. Hierfür sind aber nicht zwangsläufig die gleichen Maßstäbe anzulegen.

Der Fall:

Im Mittelpunkt des Geschehens stand ein klagender Zahnarzt, der sich dem Vorwurf mehrfacher Abrechnungsmanipulationen ausgesetzt sah. Infolge staatsanwaltschaftlicher Durchsuchungsmaßnahmen hatte der Arzt die falschen Abrechnungen teilweise eingeräumt. Daraufhin wurde ihm die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung gemäß § 27 Zahnärzte-ZV i. V. m. § 95 VI SGB V entzogen. Gegen diese Entscheidung legte der Arzt Widerspruch ein und stellte maßgeblich darauf ab, dass er mit der genutzten Abrechnungssoftware überfordert gewesen sei. Er habe nur fahrlässig gehandelt und mittlerweile auch den entstandenen Schaden in erheblichen Ausmaß ausgeglichen. Da der Ausschuss den Widerspruch zurückwies, reichte der Arzt Klage ein und beantragte parallel die Aussetzung des Verfahrens, in welchem es um den Zulassungsnetzug ging.

Er war der Ansicht, eine Entscheidung nach § 95 SGB V wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich gewesen, da ihm der Abrechnungsbetrug im strafrechtlichen Verfahren noch nicht nachgewiesen worden sei. Jedoch müsse nach seinem Dafürhalten der im Raum stehende Verstoß gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung zwangsläufig zu einer Verurteilung gemäß § 263 StGB führen. Solang dies nicht geschehe, könne auch keine Zulassungsentziehung erfolgen.

Der sozialrechtliche Hintergrund:

Beim Zulassungsentzug nach § 95 Abs. 6 SGB V handelt es sich um einen einschneidenden Schritt. Er führt dazu, dass der Betroffene nicht mehr an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmen darf und dementsprechend seinen Vertragsarztsitz aufgeben muss. Aufgrund dieser schwerwiegenden Folgen muss das Fehlverhalten gemäß § 95 Abs. 6 S. 1 Var. 4 SGB V eine gröbliche Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten darstellen, die den Arzt als ungeeignet für die vertragsärztliche Versorgung ausweist (so z.B. BVerfG, NJW 1985, 2187). Davon ist nur auszugehen, wenn das zu missbilligende Handeln des Arztes mehrfach auftritt und einen solchen Schweregrad erreicht, dass das Vertrauensverhältnis zu Krankenkassen und Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen nachhaltig gestört und eine weitere Zusammenarbeit innerhalb der GKV nicht mehr zumutbar ist.

Nach der seit 2012 geänderten Rechtsprechung des BSG kann sich der Arzt dieser Sanktion auch nicht mehr dadurch entziehen, dass er nachträglich sein Verhalten wieder ändert und nunmehr den Gepflogenheiten der GKV entspricht. Stattdessen ist dies erst bei einem Verfahren auf Wiederzulassung zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall besteht die Pflichtverletzung in dem Verstoß gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung. Hinter diesem steht der Gedanke, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen aufgrund der Vielzahl eingehender Abrechnungen nicht in der Lage sind, jede auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen und sich daher auf diesen Umstand verlassen können müssen. Eine Missachtung liegt stets dann vor, wenn – wie hier – nicht erbrachte Leistungen abgerechnet werden, wobei es auf ein Verschulden des Arztes nicht ankommt. Es ist demnach nicht von Bedeutung, dass der betroffene Mediziner die Kontrolle über die Abrechnungen verloren hat oder die Abrechnungen teilweise durch die Software selbst ausgelöst worden sind. Aus der hierfür maßgeblichen sozialrechtlichen Perspektive ist nur entscheidend, ob er objektiv die erforderlichen Abrechnungsprämissen verletzt hat. Dies ist fraglos der Fall, da der Vertragsarzt die reibungslose Organisation seiner Praxis und Funktion der Abrechnungssoftware gewährleisten muss.

Den Aussetzungsantrag hat das SG Marburg mit seinem Beschluss daher konsequenterweise zurückgewiesen. Es geht davon aus, dass die sozialrechtliche Beurteilung der Abrechnungsmanipulationen unabhängig von der strafrechtlichen Einordnung als Abrechnungsbetrug zu erfolgen hat und „ein zwingender Zusammenhang zwischen einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem Zulassungsentzug weder im Sinne einer Vorgreiflichkeit noch im Sinne einer rechtlichen Bedeutung besteht“.

Ob die Zulassung zu entziehen ist, richtet sich demnach allein nach vertragsarztrechtlichen Maßstäben. Auf diese Weise betont die Kammer die grundsätzliche Autonomie sowohl des Sozial– als auch des Strafrechts.

Praxistipp:

Jeder Arzt muss gewährleisten, dass die Abrechnung reibungslos funktioniert, um sich sowohl einem Verdacht des Abrechnungsbetruges zu entziehen, als auch keine Anhaltspunkte für ein Verfahren zum Zulassungsentzug zu liefern. Kommt es aber zu einem solchen, hilft der Einwand eines nicht abgeschlossenen Strafverfahrens nicht weiter. In einem solchen Fall bedarf es intensiver Beratung, um einschneidende Folgen ggf. vermeiden zu können.

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