Anfang Januar haben Hermione, Paul und ich Euch ja schon auf die Aktion hingewiesen und nun ist es endlich (etwas verspätet) soweit: Wir möchten Euch in dieser Woche und in diversen Beiträgen über Herzinfarkt und Co informieren, um das Thema wieder mehr in den Fokus zu rücken. Wer sich gerne durch eigene Beiträge im eigenen oder auch Gastbeiträgen in unseren Blogs oder bei Facebook, Twitter und Co beteiligen möchte, darf dies natürlich sehr gerne tun. Auch wenn Ihr Fragen zum Thema habt oder etwas bestimmtes wissen möchtet. Einfach bei uns melden. Je mehr Menschen sich beteiligen desto gut.
Fangen wir einfach mal mit einem Einsatzbericht an, der so oder ähnlich irgendwann in den letzten Monaten passiert sein könnte:
Nachtdienst. Später Abend, der Kollege und ich liegen auf der Couch und warten auf den nächsten Einsatz. Der lässt nicht lange auf sich warten, was uns die vibrierenden Melder und das Diensthandy lautstark verkünden. Ich schaue auf das Handy und lese dem Kollegen die Einsatzmeldung vor: „RTW solo, normale Fahrt, grippaler Infekt, jetzt zunehmend AZ-Verschlechterung mit Atemnot.“
Auf dem Weg zum Patienten frotzelt der Kollege: „Da ist doch bestimmt wieder jemand mit seiner Männergrippe überfordert. Worum wetten wir, dass der Patient zu Fuß zum RTW kommt?“ Als wir am Einsatzort, einem Mehrfamilienhaus, ankommen, bin ich kaum ausgestiegen, da geht auch schon die Haustür auf und unser Patient kommt uns entgegen. Mein Kollege grinst mich an.
Da der Patient ja quasi schon am Auto ist machen wir uns gar nicht erst die Mühe, wieder mit ihm ins Haus zu gehen. Auf Anweisung legt er sich bei uns im Auto auf die Trage und beginnt zu erzählen. Er wäre seit Tagen erkältet, hätte viel Stress, dafür wenig Schlaf, könnte es nicht auskurieren, würde sich stattdessen mit Medikamenten vollpumpen und hätte jetzt ein massives Engegefühl in der Brust und Probleme mit der Luft. Zusätzlich ist er kaltschweißig und ziemlich unruhig. Vorerkrankungen hat er bisher keine.
Der Kollege und ich sind ein eingespieltes Team, es bedarf nicht vieler Worte und die „Grundverkabelung“ (Pulsoxy, RR, kleines EKG) ist schon während der Anamneseerhebung erfolgt.
Nach dem Blick auf das EKG tauschen mein Kollege und ich nur kurz einen erstaunten Blick aus und fangen dann an, zügig und routiniert nach SOP vorzugehen. Für Fälle wie diesen hat unser Ärztlicher Leiter Rettungsdienst genaue Arbeitsanweisungen erlassen, was wann wie zu tun ist. So spaßig es auch im Vorfeld war, so auffallend ist nämlich nun das EKG des Patienten. Aus dem kleinen EKG wird ein großes, der Patient erhält einen venösen Zugang und Sauerstoff, zeitgleich wird der Notarzt mit Einsatzstichwort „ACS“ nachalarmiert. Entsprechend der SOP erhält der Patient noch vor Eintreffen des Notarztes und nach Aufklärung intravenös die Medikamente ASS und Heparin und der Kollege kümmert sich parallel bereits um ein Zielkrankenhaus. Bei Eintreffen des Notarztes wenige Minuten später ist der Patient von uns maximal versorgt. Vom Doktor gibt es erstaunte Blicke beim Anblick des EKG, für den Patienten noch flott etwas zur Beruhigung, dann geht es auch schon zügig und laut Richtung Krankenhaus.
Eigentlich ein ganz normaler Einsatz. Eigentlich. Denn was ihn so besonders machte war das Alter des Patienten. Anders als die „normalen“ ACS-Patienten war er nämlich nicht im eher gesetzten Alter, sondern gerade einmal Anfang 20. Seine Erkältung, vermutlich seit Wochen verschleppt, hatte nun wohl zu einer Entzündung des Herzmuskels, einer Myokarditis geführt, die, unbehandelt und im schlimmsten Fall, auch tödlich enden kann. Erschreckenderweise ein Bild, was wir in den vergangenen Wochen öfter gesehen haben. Viele junge Patienten, die vor lauter Stress ihre grippalen Infekte nicht richtig auskurieren und damit durchaus auch ihr Leben gefährden. Ein Hoch auf Zeitverträge, schlechtes Gewissen und immer mehr Stress im Job.
Was will ich also mit diesem Beitrag sagen? Herzinfarkt und Co finden nicht nur bei älteren Menschen statt. Wir leben in einer immer stressiger werdenden Gesellschaft, krank sein ist verpönt, man will ja nicht negativ auffallen und irgendjemand muss ja die Arbeit machen.
Das mag zwar alles sein, aber wie heißt es bei uns immer so schön? Eigenschutz geht vor! Es bringt niemandem, weder Chef noch Kollegen, etwas, wenn man sich zur Arbeit schleppt, die restlichen Kollegen noch mit Männergrippe, Freck, Influenza etc ansteckt und aus der eigenen Erkältung eine Lungenentzündung oder noch schlimmeres züchtet.
Nur wie erkenne ich, dass eventuell etwas nicht mit meinem Herzen stimmt? Das erfahrt Ihr morgen in einem neuen Beitrag