Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert in ihren Positionen zur Bundestagswahl 2017 zukunftsgerichtete rechtliche Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser in Deutschland und eine in sich schlüssige ordnungspolitische Orientierung. „Gesundheits- und Krankenhauspolitik und deren Umsetzung in der Praxis müssen widerspruchsfreier werden“, betonte DKG-Präsident Thomas Reumann, der zugleich Landrat des Landkreises Reutlingen ist.
„Im Mittelpunkt aller Überlegungen muss die Personalsicherung stehen, denn Personal ist der Schlüssel für alles. Wer eine optimale Versorgung von Patienten haben möchte, und das ist Anspruch der Krankenhäuser, muss dafür das notwendige, gut qualifizierte Personal haben“, erklärte Reumann. Alle Regelungen müssten sich letztlich daran messen lassen, in wie weit sie zur Unterstützung des Personals beitrügen, dies gelte sowohl für die Finanzierung, die Investitionen als auch beispielsweise für die Digitalisierung. „Es geht um den Dreiklang, Personaleinsatz sichern, Rationalisierungsdruck vom Personal nehmen und attraktiv für das Personal bleiben“, so Reumann weiter. „Der öffentlich bekundete Anspruch und die realen Rahmenbedingungen klaffen auseinander.“
Personal von Bürokratie entlasten – Digitalisierung fördern
Wenn Politik und Kostenträger mehr Personal und mehr Zeit für die Patienten forderten, dürften die Krankenhäuser nicht mit immer neuer Bürokratie belastet werden. Deshalb fordert die DKG ein bundesweites Programm zum Abbau von bürokratischem Aufwand mit dem Ziel, die Dokumentationslast um 50 Prozent zu reduzieren und den Anteil der Arbeitszeit für Dokumentation und Bürokratie auf maximal 20 Prozent zu begrenzen. „Jede Minute, die unser Personal nicht mit unnötiger Bürokratie vergeuden muss, kommt den Patienten zugute“, so Reumann. Auch würden von Politik und Kostenträger gut qualifizierte und gut entlohnte Arbeitsverhältnisse gefordert, die Mehrkosten von Tarifvereinbarungen aber nicht ausfinanziert. Es würden Entlastungen für die Mitarbeiter durch moderne Arbeitsbedingungen verlangt und höchste Ansprüche an Qualität und Patientensicherheit einschließlich Infektionsprophylaxe gestellt, die dafür erforderlichen Investitionsmittel aber nicht gewährt. Darüber hinaus betonten Bund und Länder Nutzen sowie Chancen der Digitalisierung für die medizinische Versorgung, stellten den Krankenhäusern die dazu erforderlichen Investitionsmittel aber nicht bereit und ließen die Krankenhäuser an der telematischen ambulanten Versorgung nicht teilhaben. „Wer das Thema ernst nimmt, muss ein mehrjähriges Sonderprogramm „Digitales Krankenhaus“ des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro pro Jahr einrichten und zusätzlich über einen Digitalisierungszuschlag in Höhe von zwei Prozent eine nachhaltige Situation schaffen“, machte Reumann deutlich.
Pauschale Personalanhaltszahlen falscher Weg
Das Instrument allgemeiner Personalanhaltszahlen für die Pflege oder den ärztlichen Dienst lehnte Reumann strikt ab. „Der tatsächliche Personalbedarf hängt maßgeblich von den baulichen Strukturen, der technischen Ausstattung und den Erkrankungen der Patienten vor Ort ab“, so Reumann. Starre bundeseinheitliche Personalvorgaben würden den individuellen Gegebenheiten vor Ort nicht gerecht, stünden einem flexiblen Personaleinsatz, der sich am jeweiligen Versorgungsbedarf orientieren müsse, entgegen und behinderten eine effizientere Arbeitsorganisation und Aufgabenverteilung. Angesichts der Realitäten im Alltag seien Mindestpersonalvorgaben kontraproduktiv: „Fachkräftemangel, kurzfristige Personalausfälle und plötzlich steigender Versorgungsbedarf sind Einflussfaktoren, die in festen Vorgaben nicht abbildbar sind“, erklärte Reumann. Personalanhaltszahlen könnten deshalb nur als Strukturqualitätsmaßnahmen in spezifischen Versorgungsbereichen infrage kommen. Probleme der arbeitsmarktbedingten Verfügbarkeit und objektive Besetzungsunmöglichkeiten dürften nicht zum Ausschluss aus der Versorgung oder zu Haftungsrisiken führen. Ansonsten drohten unkoordinierte Abmeldungen der Kliniken von der Versorgung zu Lasten der Patientinnen und Patienten.
Der Bund habe zwar mit der Krankenhausreform wichtige und richtige Weichenstellungen vorgenommen. Das sei ausdrücklich anzuerkennen. „Deutliche Personalkostensteigerungen ohne ausreichende Gegenfinanzierung, völlig unzureichende Investitionsmittelbereitstellung durch die Länder und hohe Defizite in den Notfallambulanzen. Das sind nach wie vor die zentralen Problempunkte“, unterstrich Reumann. An dieser Stelle habe die Reform im Jahr 2016 so gut wie nichts verbessert. „Kosten und Preise kommen nicht zusammen.“ Rund ein Drittel der Krankenhäuser würden sich aber unverändert in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befinden, stellte der DKG-Präsident fest. Diese Finanzierungslücke könnten die Krankenhäuser selbst durch intensivste Spar- und Rationalisierungsbemühungen nicht schließen. Denn dies müsste zwangsläufig zulasten der Personalausstattung gehen. Die DKG fordert ein widerspruchsfreies Bekenntnis der Politik zur Personalsicherung in den Kliniken.
Versorgung aus einem Guss – Letztverantwortung der Länder
Auch im Hinblick auf die ambulante Notfallversorgung in den Kliniken kritisierte Reumann die nach wie vor unzureichende Vergütung. Es sei nicht länger hinnehmbar, dass den Krankenhäusern Verluste von rund einer Milliarde Euro pro Jahr entstünden. Jährlich suchten rund elf Millionen Patienten das Krankenhaus zur ambulanten Notfallbehandlung auf – mit steigender Tendenz. „Ohne die Kliniken wäre die Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit nicht mehr zu gewährleisten“, sagte der DKG-Präsident. Die in der letzten Krankenhausreform beabsichtigten Verbesserungen seien bei der Umsetzung durch die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) abgeblockt oder sogar ins Gegenteil verkehrt worden. In der ambulanten Notfallversorgung sei daher eine sektorenübergreifende, extrabudgetäre Vergütung unabdingbar. Reumann: „Die Vergütung der Notfallleistungen muss direkt zwischen Krankenhaus und Krankenkasse erfolgen, das heißt ohne Einbeziehung der KVen.“ Dort, wo die Krankenhäuser die Versorgung sicherstellen, müssten sie unabhängig von KVen handeln können.
Die ambulante Notfallversorgung mache zudem deutlich, dass man dauerhaft eine veränderte Leistungsplanung benötige. „Wir müssen die Letztverantwortung der Länder stärken“, so der DKG-Präsident. Die Länder müssten neben den stationären auch die ambulanten Strukturen aktiv mitgestalten können. Sie brauchten zusätzlich zum bestehenden Recht zur Planung und Steuerung der stationären Krankenhauskapazitäten aktive Mitwirkungsrechte im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgungssteuerung. „Insbesondere müssen die Länder das Recht haben, Krankenhäuser dauerhaft zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung, einschließlich Notfallversorgung, zu ermächtigen.“
Gemeinsame Selbstverwaltung weiterentwickeln
Insgesamt fordert die DKG die politischen Akteure auf, ihrer eigenen Verantwortung besser gerecht zu werden. Wer dauerhaft die Akzeptanz von Beschlüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung sichern wolle, dürfe Grundsatzentscheidungen nicht delegieren. „Die Politik muss Weichenstellungen der Daseinsvorsorge selbst bestimmen und darf dies nicht aus der Hand geben“, forderte Reumann. Deshalb müsste auch die Umsetzung von Aufgaben, die an die Selbstverwaltungspartner delegiert worden sind und die zu wesentlichen Veränderungen der medizinischen Versorgung führen, einer politisch-parlamentarischen Überprüfung unterzogen werden. Reumann: „Wir fordern deshalb Beratungen dieser Umsetzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags. Nur so kann dauerhaft Legitimität der Entscheidungen sichergestellt werden. Zudem muss sich die Selbstverwaltung dem Konsensprinzip verpflichten.“
Weiterentwicklung der Finanzierungsinstrumente
Auch die Weiterentwicklung der Finanzierungsinstrumente der Betriebskosten sei unabdingbar. „Wir brauchen die vollständige Abbildung der Tarifentwicklung in den Landesbasisfallwerten“, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Bis dato seien nur lineare Bestandteile abgebildet, doch auch strukturelle Tarifentwicklungen müssten refinanziert werden. Zudem benötige man flankierende Maßnahmen zum DRG-System. „In Deutschland haben wir ein DRG-System, das nicht alle Kosten sachgerecht abbildet. Regionale und strukturelle Besonderheiten müssen krankenhausindividuell vereinbart werden können“, so Baum. Dauerhaft solle das DRG-System durch weitere krankenhausindividuelle Budgetkomponenten flankiert werden. Als konkreter Beitrag zur Bürokratieminderung solle der DRG-Katalog nur alle zwei Jahre erneuert werden müssen. „Wir benötigen auch ein Umdenken bei den Sicherstellungszuschlägen. Die Nicht-Berücksichtigung der Geburtshilfen durch den Beschluss des G-BA ist falsch und muss korrigiert werden. Nach derzeitigem Stand können nur eine Handvoll Kliniken Sicherstellungszuschläge bekommen, weil die Bedingungen auf Verhinderung angelegt sind. Der Sicherstellungszuschlag wird in den Parteiprogrammen auch zur Gewährleistung medizinscher Daseinsvorsorge im ländlichen Raum gefordert. Ohne Nachbesserungen wird das nicht erreicht“, stellte Baum fest.
Ende des „Schwarzer-Peter-Spiels“ bei der Investitionsförderung
Wichtig für die Weiterentwicklung der Medizin und für die Patientensicherheit nannte Reumann zudem eine zeitgerechte apparative Ausstattung und eine moderne bauliche Infrastruktur der Kliniken. Dafür seien allerdings entsprechende Investitionen der Länder nötig. „Fakt ist jedoch: Dem jährlichen Investitionsbedarf der Krankenhäuser in Höhe von über 6,5 Milliarden Euro steht eine Investitionsförderung der Länder von nur rund 2,8 Milliarden Euro gegenüber“, kritisierte der DKG-Präsident. Die bestehende Investitionslücke von 3,7 Milliarden Euro im Jahr erschwere den notwendigen Erhalt und Ausbau der bestehenden Substanz und begrenze dringend erforderliche Investitionen der Krankenhäuser, zum Beispiel in Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit vor Cyberangriffen oder zur Verbesserung des Infektions- und Brandschutzes. Zwar seien die Länder für eine auskömmliche Investitionsfinanzierung der Kliniken zuständig, das „Schwarzer-Peter-Spiel“ zwischen Bund und Ländern helfe den Kliniken jedoch nicht weiter. Reumann: „Aufgrund der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung ist der Bund jedoch in der Pflicht zu unterstützen, wenn die Länder ihrer Verantwortung nicht nachkommen.“
Der DKG-Präsident betonte abschließend, dass eine an den Bedürfnissen der Patienten ausgerichtete Gesundheitspolitik den Anspruch haben müsse, die beschriebenen Widersprüche und Beschränkungen zu überwinden. Reumann: „Bürokratie, Misstrauenskultur, Gängelung, überzogene Kontrollen und Unterfinanzierung müssen ein Ende haben.“ Knapp 40 Millionen Patienten würden jährlich in den Kliniken behandelt. Die Krankenhäuser leisteten damit täglich einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung und seien der ideale Ort für eine Versorgung aus einer Hand. Um diese Versorgung der Menschen langfristig und flächendeckend auf einem hohen Qualitätsniveau zu sichern, müssten alle Beteiligten buchstäblich an einem Strang und in die gleiche Richtung ziehen. „Damit das gelingt, müssen die Rahmenbedingungen für ein faires Miteinander noch deutlich verbessert werden“, so Reumann.
Die DKG-Positionen für die 19. Legislaturperiode sind als Anlage beigefügt.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland. Sie vertritt die Interessen der 28 Mitglieder – 16 Landesverbände und 12 Spitzenverbände – in der Bundes- und EU-Politik und nimmt ihr gesetzlich übertragene Aufgaben wahr. Die 1.956 Krankenhäuser versorgen jährlich 19,2 Millionen stationäre Patienten und rund 20 Millionen ambulante Behandlungsfälle mit 1,2 Millionen Mitarbeitern. Bei 97 Milliarden Euro Jahresumsatz in deutschen Krankenhäusern handelt die DKG für einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor im Gesundheitswesen.
Pressemitteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V.
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