Aufhebung der Urteile nach §175 und Entschädigung in Gefahr / Interessenvertretungen: Die Bundesregierung muss jetzt handeln – damit die Opfer ihre Rehabilitierung noch erleben
In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ) die Rehabilitierung schwuler Männer, die in der Bundesrepublik Deutschland nach §175 verurteilt wurden, „unbedingt noch in dieser Legislaturperiode“. Gleichlautende Schreiben gingen an die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU/CSU) und Thomas Oppermann (SPD).
Gerechtigkeit für die noch lebenden Opfer
„Wir erwarten von der Bundesregierung und dem Gesetzgeber, dass den noch lebenden Opfern der Homosexuellenverfolgung jetzt schnell Gerechtigkeit widerfährt“, heißt es in dem Brief weiter.
Ein Gesetzentwurf zur Rehabilitierung und Entschädigung aus dem Bundesjustizministerium liegt seit Oktober 2016 vor, wird zurzeit aber noch in der Koalition abgestimmt. Er soll Thema in der jüngst verschobenen Sitzung des Koalitionsausschusses werden.
Auch Antidiskriminierungsstelle des Bundes und schwule Senioren mahnen zur Eile
Zuletzt hat die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren zur Eile gemahnt: Die Aufhebung der Urteile und die Entschädigung seien in Gefahr, da das Gesetz sieben Sitzungswochen vor Ende der Legislaturperiode noch immer nicht in den Bundestag eingebracht worden sei.
Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, hatte die Verschiebung des Koalitionsausschusses vor diesem Hintergrund als „dramatisch“ bezeichnet: Es bestehe die Gefahr, dass das Vorhaben noch scheitere.
Klar ist dabei: Kommt die Rehabilitierung nicht in dieser Legislaturperiode, werden viele der hochbetagten Opfer des §175 sie nicht mehr erleben.
Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) unterstützt die Forderung nach umgehender Rehabilitierung der Opfer des §175, der das Leben zahlreicher Menschen ruiniert und unermessliches Leid hervorgerufen hat. Die Betroffenen gelten noch immer als vorbestraft. „Ihre Rehabilitierung ist ein Projekt von historischer Dimension, das aufgrund des Alters der Betroffenen keinen Aufschub mehr duldet“, sagt DAH-Vorstand Manuel Izdebski.
Offener Brief der Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ)
Pressemitteilung der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS)