Sind Pflegepersonaluntergrenzen wirklich der „Bringer“?

Hedwig François-Kettner Wissenschaftliche Leiterin Deutscher Pflegekongress

Hedwig François-Kettner
Wissenschaftliche Leiterin, Deutscher Pflegekongress

Ein Beitrag von Hedwig François-Kettner, wissenschaftliche Leiterin des Deutschen Pflegekongresses.

Mit dem Auftrag der Bundesregierung vom März 2017 an die Selbstverwaltung, bis zum 30. Juni 2018 in Deutschland verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen festzulegen, die am 1. Januar 2019 wirksam werden, dankte Bundesgesundheitsminister Gröhe der Expertenkommission für ihre Arbeit.

Im Auftrag an die Selbstverwaltung sind mehrere Vorgaben definiert:

  • verbindliche Personaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen
  • auch in Intensiveinheiten
  • im Nachtdienst
  • Vermeidung von Personalverlagerungen aus anderen Bereichen
  • Formulierungen von Ausnahmetatbeständen und Übergangsregelungen
  • Anforderungen für Nachweise über die Mittelverwendung
  • bei Nichteinhaltung vorzusehende Vergütungsabschläge
  • parallel Beauftragung fachlich unabhängiger wissenschaftlicher Einrichtungen zur Sicherstellung wissenschaftlicher Verfahren sowie zur Ermittlung der Personaluntergrenzen
  • Vorgaben zur Beteiligung von Experten (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Deutscher Pflegerat, Gewerkschaften)
  • jederzeit Transparenz im Verfahren unter engmaschiger Beteiligung des BMG
  • bei Nichteinigung im vorgesehenen Fristablauf wird eine Rechtsverordnung vorgesehen, die nicht der Zustimmung der Bundesländer bedarf

Seit der Pressemitteilung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist der Ring freigegeben, die lange diskutierte Misere der Pflegepersonalbesetzung in der deutschen Krankenhauslandschaft nun endgültig zu regeln. Dabei wird schon hinter vorgehaltener Hand geflüstert, dass nunmehr alle Kraft darauf verwendet wird, die „schlimmsten Auswirkungen“ der Vorgaben zu verhindern. Die einen sehen die Gefahr, dass die unternehmerische Freiheit gefährdet wird und befürchten, dass zu enge Vorgaben die Häuser in ihrem Aktionsradius lähmen. Die anderen sehen in den Vorgaben weiterhin die Machtlosigkeit und Wirkungsarmut einer zu weit ausgelegten Regelung.

Fest steht, dass die vorhandenen Systemschwächen mit den Vorgaben nicht zufriedenstellend gelöst werden. Vielmehr sollen die Akteure das Problem lösen, die es mit verursacht oder zumindest nichts getan haben, dass vorliegende Dilemma zu verhindern. Was hört man sich nicht alles an: es gibt das Personal gar nicht auf dem Markt (wobei wenig getan wurde/wird, den Anreiz auf Vollbeschäftigung zu erhöhen – rund 40 % des Pflegefachpersonals arbeiten inzwischen Teilzeit). Jahrelang konnten ungestraft Ausbildungsplätze reduziert und die Gestaltungsmöglichkeiten zur attraktiveren Berufsausübung behindert werden. Die Pflegeprofession selbst ist inzwischen so frustriert, dass sie nur Ohnmacht sieht, wo eigentlich ein hohes Machtpotential liegt. Sie neigt dazu, nur andere für das Dilemma verantwortlich zu machen, und wehrt sich zu wenig. Wobei viele Sympathisanten – insbesondere die Patienten – durchaus für wirkungsvolle Aktionen vorhanden wären.

Mit dem Gesetz kann ein richtiger Schritt in die richtige Richtung getan werden, d. h. die Untergrenzen werden auf jeden Fall kommen! Ich empfehle jedoch allen sehr wachsam zu sein und die eigene Verantwortung im Prozess mit zu übernehmen.

 

Weiterführende Informationen und Stellungnahmen:

Drucksache 18/10938 18. Wahlperiode 23.01.2017 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten

sowie BT-Drs. 18/10938 Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten

Pressemeldung 7 Mrz 17 Deutscher Pflegerat e. V.

Pressemitteilung 9 Mrz 17 Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e.V.