Ein Beitrag von Peter Bechtel, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Pflegemanagement und Pflegedirektor am Universitäts-Herzzentrum Freiburg, Bad Krozingen.
Keine Frage:
Vom Grundsatz her eine gute Idee, aber nicht ganz ohne Tücken. Denn aus Personaluntergrenzen können schnell Personalobergrenzen werden, die dann keine Luft mehr für zusätzliches Personal lassen.
In besonders pflegeintensiven Bereichen bedarf es einer entsprechenden Personalausstattung. Und dennoch ist diese häufig nicht gegeben. Schlagzeilen machen immer wieder Fälle aus der Intensivversorgung im Bereich der Pädiatrie. Aber es gibt eine Vielzahl anderer nicht minder schwerwiegend gelagerter Fälle. Daher ist der Ansatz der Bundesregierung durchaus begründet, hier mit Vorgaben ein verstärktes Augenmerk der Kliniken einzufordern. Im Interesse der Patienten ebenso wie im Interesse des Pflegepersonals und seiner Arbeitsbelastung.
Voraussichtlich im Juli soll die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen beschlossen werden. Die Bundesregierung fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft und den GKV-Spitzenverband dazu auf, bis zum 30. Juni 2018 die Personaluntergrenzen zu definieren. Die Definition von Personaluntergrenzen setzt auch voraus, dass es überhaupt genügend qualifiziertes Personal am Markt gibt, um den Anforderungen an die Personalausstattung gerecht zu werden.
Durch eine Überführung der Mittel aus dem Pflegestellen-Förderprogramm in den Pflegezuschlag, sollen die die Krankenhäuser 830 Millionen Euro jährlich erhalten, um dauerhaft mehr Personal zu beschäftigen.
Die Frage ist nur:
Was helfen Personaluntergrenzen und finanzielle Mittel, wenn am Arbeitsmarkt ein dramatischer Fachkräftemangel im Bereich der Pflege herrscht. Wenn die hochtechnisierte Frühchen-Station trotz vorhandener Mittel und modernster Rahmenbedingungen einfach nicht das Personal findet, um die Abteilung in einen Vollbetrieb zu überführen? Wenn der Zeitplan von Chemo-Therapien sich nicht an der Verfügbarkeit der Betten, sondern sich an der Verfügbarkeit qualifizierten Personals ausrichtet. Muss die Definition von Personaluntergrenzen nicht mit einer grundlegenden Neustrukturierung der Berufsausbildung einhergehen? Mit der Schaffung eines Berufsbilds, dass in Sachen Attraktivität anderen Berufsbildern nicht länger hinterherhinkt. Warum schaffen wir es nicht, die Generalistik auf den Weg zu bringen, die Akademisierung der Pflege weiter voranzutreiben und die Verantwortlichkeiten der Pflege neu zu definieren? Zäumen wir mit Personaluntergrenzen das Pferd gar von hinten auf?
Oder stehen wir am Ende noch vor einer viel umfassenderen Herausforderung? Einer strukturellen Umgestaltung unseres Versorgungssystems? Ist es möglicherweise gar nicht realistisch, die Vielzahl der Kliniken jemals mit ausreichend Personal zu bestücken? Müssen wir noch mehr den Weg gehen, für den sich das Nachbarland Dänemark bereits entschieden hat? Die Bildung von hochtechnisierten, modernsten Versorgungszentren in den Großstädten und einer Stärkung der ambulanten, regionalen Versorgung. Würden wir damit nicht auch gleichzeitig die Attraktivität des Berufsbilds steigern?
Ein zu großer Gedankensprung von der „einfachen“ Definition von Personaluntergrenzen zu großen grundlegenden strukturellen Veränderungen? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Veranstaltungsempfehlung
Mittwoch, 21. Juni 2017 von 14:00 – 15:30 Uhr
Gesetzliche Personalvorgaben im Krankenhaus – ausreichend oder zu kurz gedacht?