Mehrere hundert Männer haben sich in den letzten Monaten in Westeuropa beim Sex mit Männern mit Hepatitis A infiziert. Expert_innen raten zur Impfung – insbesondere, wenn man zu CSD/Pride-Veranstaltungen reist und dort Sex hat.
Seit Juni 2016 gab es laut dem European Center for Disease Control (ECDC) in 16 europäischen Ländern etwa 1.500 bestätigte Hepatitis-A-Infektionen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM).
Drei Gruppen von zusammenhängenden Fällen
Anhand genetischer Merkmale der Viren lassen sich drei Gruppen bilden, deren Fälle zusammenhängen. In allen Gruppen spielten offenbar auch Reisen eine Rolle bei der Weiterverbreitung.
Weitere 2.660 gemeldete Hepatitis-A-Fälle in Europa sind wahrscheinlich (35 %) oder möglicherweise (65 %) ebenfalls mit diesem Ausbruch verknüpft.
Schwerpunkte der Epidemie liegen in Spanien, Italien und Frankreich sowie Portugal und Großbritannien, doch zum Beispiel auch in den Niederlanden und in Deutschland steigt die Zahl der gemeldeten Infektionen seit etwa einem Jahr an.
Der Höhepunkt der Epidemie ist noch nicht erreicht
In Spanien sind etwa 800 und in Italien über 500 gemeldete Hepatitis-A-Infektionen sicher oder sehr wahrscheinlich durch Sex zwischen Männern zurückzuführen. Hinzu kommen in Spanien gut 1.330 und Italien fast 300 Fälle, die möglicherweise auf diesen Übertragungsweg zurückgehen.
Frankreich meldete von Januar bis einschließlich Mai 2017 fast 800 Hepatitis-A-Fälle (zum Vergleich: im ganzen Jahr 2016 waren es 693 Fälle), die zum großen Teil auf Sex zwischen Männern zurückgehen dürften (bei etwa 250 Fällen ist dies gesichert).
Aus Deutschland wurden bis Ende Juni über 40 Hepatitis-A-Infektionen ans ECDD gemeldet, die zu einer der drei Gruppen gehören; von Mitte November 2016 bis Mitte Januar 2017 waren es allein in Berlin mindestens 14 Fälle.
Der Höhepunkt der Epidemie sei noch nicht erreicht, so das ECDC. Man müsse zudem davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen weitaus höher liege als die Zahl der Meldungen.
Behörden und NGOs rufen zur Impfung gegen Hepatitis A auf
Die WHO und viele nationale Behörden haben auf die Ausbrüche hingewiesen und schwule sowie bisexuelle Männer zur Impfung aufgerufen.
Die Präventionskampagne ICH WEISS WAS ICH TU der Deutschen AIDS-Hilfe zum Beispiel informierte bereits im Februar 2017 schwule und bisexuelle Männer über das gestiegene Hepatitis-A-Risiko. Zudem konnte die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) im Vorfeld des schwulen Ledertreffens in Berlin im April 2017 eine entsprechende Nachricht an über 72.000 Nutzer des schwulen Datingportals PlanetRomeo schicken. Auch das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales informiert auf seiner Homepage.
„Die Hepatitis A-Impfung ist eine Präventionsmaßnahme, die nichts kostet und gut verträglich ist, die den Spaß beim Sex nicht verdirbt – und durch die sehr einfach eine möglichweise schwerwiegende Erkrankung verhindert werden kann“, sagt DAH-Medizinreferent Armin Schafberger.
Für schwule Männer und andere Menschen mit erhöhtem Risiko ist die Impfung gegen Hepatitis A grundsätzlich kostenfrei. Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten zudem im Rahmen von Reiseimpfungen.
Wichtig: Keine Dosis auslassen
Die Impfung erfolgt je nach Impfstoff meist mit zwei bis drei Dosen innerhalb von sechs Monaten; für Reisende, die einen raschen Schutz brauchen, ist auch ein Kurzimpfschema z. B. mit Impfdosen an den Tagen 0 – 7 – 21 und einer vierten Dosis nach 12 Monaten möglich.
„Auf keinem Fall sollte eine Impfdosis verpasst werden“, betont Armin Schafberger. Erst dann ist die Langzeitwirkung gewährleistet – der Schutz hält mindestens 12, wahrscheinlich eher 20 bis 25 Jahre an.
Die rasante Hepatitis-A-Ausbreitung zeigt, dass gerade innerhalb des sexuell sehr aktiven Teils der schwulen Szene viele Männer noch nicht (ausreichend) geimpft sind. Die CSD- und Reisesaison ist eine ideale Gelegenheit, dies im Zweifelsfalle nachzuholen.
(ascho/hs)
Weitere Informationen
ECDC Communicable Disease Threats Report (CDTR) Week 26, 25 June – 1 July 2017 (PDF-Datei)
Hepatitis A outbreak in gay and bisexual men in Europe is growing (Meldung auf aidsmap.com vom 05.07.2017)