Wir befinden uns auf dem Rückweg aus unserem Frankreich-Urlaub. Wie üblich stecken wir in Paris im Stau, und ich denke daran, was meiner Tochter in so einer Situation vor einigen Jahren passiert ist.
Meine Tochter meinte nämlich damals, dass sie sich (aus purer Langeweile?) ein Mini-Smartie in die Nase stecken müsste. Ich hätte es wissen müssen: es war einfach verdächtig ruhig, und ich wäre auf dem Beifahrersitz fast eingeschlafen.
Plötzlich kam von hinten ein verzweifeltes: „Mama, ich krieg das Smartie nicht mehr raus!“. Ich drehte mich herum und sah etwas Blaues aus dem Nasenloch meiner kläglich dreinschauenden Tochter schimmern.
Meine Bewegungsfreiheit war leider ziemlich eingeschränkt, und es gab keine Möglichkeit, in der nächsten Zeit irgendwo an der Seite anzuhalten.
Was war in dieser Situation meine größte Sorge?
Genau: Dass das Smartie tiefer in die Atemwege hinein rutscht. Medizinisch nennen wir das „aspirieren“. In der Umgangssprache redet man vom Verschlucken und Sich-Verschlucken. Das kann manchmal etwas verwirrend sein.
Daher schreibe ich hier einmal ausführlicher darüber:
Was ist eigentlich mit Verschlucken gemeint, und wann ist Verschlucken gefährlich für mein Kind?
Wenn du sagst: „Mein Kind hat etwas verschluckt“, bedeutet das normalerweise, dass der verschluckte Gegenstand im Magen landet.
Eine verschluckte Batterie, Legosteine oder andere Gegenstände gehören naturgemäß nicht in den Magen. Man kann sagen, dieses Verschlucken bedeutet „etwas Falsches schlucken“.
Medizinisch redet man bei diesem Verschlucken von „Ingestion“.
Wenn du sagst: „Mein Kind hat sich verschluckt“, dann ist das eine Sache, die meistens beim Essen passiert. Das Essen rutscht in die Atemwege anstatt in die Speiseröhre. Dieses Verschlucken könnte man auch als „Ver-schlucken“ im Sinne von „falsch schlucken“ bezeichnen.
Dieses Ver-schlucken nennt man in Medizinersprache „Aspiration“. Ein Kind, das einen Fremdkörper eingeatmet hat, hat etwas „aspiriert“.
Beide Arten von „Verschlucken“ kommen häufig vor.
Wichtig für uns Eltern ist dabei: Wann wird es gefährlich, wann müssen wir den Notarzt rufen?
Erster Punkt: Dein Kind schluckt einen Gegenstand, der nicht zum Essen vorgesehen ist. Hier stellen sich folgende Fragen:
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Ist dein Kind unruhig, erbricht es, „sabbert“ es, verweigert es plötzlich die Nahrung?
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Greift es sich an den Hals?
Diese Fragen könnten darauf hinweisen, dass der Gegenstand in der Speiseröhre steckengeblieben ist, oder dass eine Verletzung stattgefunden hat. Steckt ein Gegenstand im oberen Bereich der Speiseröhre fest, besteht außerdem die Gefahr, dass die Atemwege verlegt werden könnten.
Das kann natürlich auch vorkommen, wenn es sich um normales Essen handelt, bei dem dein Kind vielleicht ein zu großes Stück geschluckt hat.
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Handelt es sich um etwas möglicherweise Giftiges oder Ätzendes?
Siehe hier auch den Artikel G wie Gift.
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Handelt es sich um eine Batterie oder um mehr als einen Magneten?
Aus Batterien könnten durch die Einwirkung von Magensäure giftige Substanzen austreten. Wenn mehr als ein Magnet verschluckt wird, können sich die Magnete im Darm gegenseitig anziehen. Dabei kann die Darmwand dazwischen geraten und schwer geschädigt werden.
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Ist der Gegenstand spitz, scharfkantig oder größer als 2 cm?
Hier besteht die Gefahr, dass der Gegenstand steckenbleibt oder Verletzungen hervorruft.
Beantwortest du eine der oben genannten Fragen mit „ja“, ist ärztliche Hilfe notwendig. Da möglicherweise ein Röntgenbild gemacht werden oder der Gegenstand unter Narkose herausgeholt werden muss, bist du hiermit im Krankenhaus an der richtigen Adresse.
Und ja, es gibt hier auch gute Gründe, einen Notarzt zu rufen. Wenn zum Beispiel der Gegenstand steckengeblieben ist, die Gefahr besteht, dass die Atemwege verlegt werden, oder etwas Giftiges geschluckt wurde. (Zu den verlegten Atemwegen und Erste-Hilfe-Maßnahmen liest du weiter unten mehr.)
Eine Batterie im Magen richtet erst nach etwa einem Tag Schaden an. Hierbei reicht es auch, wenn man mit dem eigenen Auto ins Krankenhaus fährt.
In den Fällen, in denen kleine, ungefährliche, nicht giftige Dinge geschluckt werden (wie kleine Legosteinchen, Murmeln,…) ist zu erwarten, dass sie innerhalb von wenigen Tagen auf natürlichem Wege wieder herauskommen.
Eine speziellerer Unfall, der beim Essen (häufig von Fleisch oder Würstchen) passieren kann, und der leider schnell tödlich endet, ist die sogenannte Bolusobstruktion. Das bedeutet, dass ein zu großes Stück des Essens (hier: Bolus) hinuntergeschluckt wird und in der Speiseröhre steckenbleibt (hier: Obstruktion).
Vielleicht fragst du dich: Warum ist das so gefährlich? Die Luftröhre ist doch frei und man kann daher noch atmen?
Es ist so, dass es bei der Bolusobstruktion zu einem Reflex kommt, der einen Herzstillstand auslösen kann. Das bedeutet: Notarzt rufen und mit der Wiederbelebung (Herzmassage) anfangen! (Siehe auch hier weiter unten.)
Kommen wir nun zum zweiten Punkt:
Mein Kind hat sich verschluckt.
Es ist also irgendetwas in die Atemwege gelangt, das da nicht hingehört.
Bester Fall: dein Kind hustet und der Fremdkörper kommt wieder heraus.
Kommt er durch Husten allein nicht heraus, können ein paar Schläge auf den Rücken weiterhelfen. Achtung: nicht ununterbrochen drauflosschlagen, dein Kind muss zwischendurch auch mal Luft holen können.
Kleinere Kinder/Säuglinge kann man gut mit dem Kopf etwas tiefer gelagert in Bauchlage über das Bein legen und dabei zwischen die Schulterblätter klopfen. Dabei darauf achten, dass der Kopf mit der anderen Hand gestützt und der Hals nicht eingedrückt wird.
Achtung: Wenn ein Fremdkörper in den Atemwegen deines Kindes feststeckt, muss der Notarzt gerufen werden.
Ein Kind unter einem Jahr legst du dann – wenn die Rückenschläge nicht weitergeholfen haben – auf einer festen Unterlage auf den Rücken und drückst etwa 5x auf den Brustkorb im Bereich des unteren Teils des Brustbeins (siehe hier). Bleiben die Atemwege verlegt, das Kind wird möglicherweise bewusstlos: Mit Wiederbelebungsmaßnahmen weitermachen, bis der Notarzt eintrifft.
Bei größeren Kindern kannst du im Notfall den sogenannten Heimlich-Handgriff versuchen. Dabei umfasst du von hinten den Oberbauch deines Kindes und drückst mit beiden Händen den Bauch zwischen Nabel und Rippen in einer Aufwärtsbewegung etwa 5x kräftig ein.
Wenn das nicht hilft, das Kind wird eventuell bewußtlos, gilt auch hier: auf den Rücken legen und mit Wiederbelebungsmaßnahmen weitermachen.
Achtung: der Heimlich-Handgriff kann zu Verletzungen der inneren Organe führen. Daher nicht einfach so üben, und auch nicht bei Säuglingen anwenden.
Kommen wir zu einer weiteren Variante des Verschluckens:
Dein Kind bekommt einen Gegenstand unbemerkt in die Atemwege.
Gerade bei Kleinkindern kommt es vor, dass sie sich etwas in den Mund stecken, das irgendwo herumliegt (Erdnüsse!) und sie sich daran verschlucken.
Wenn dieser Gegenstand tiefer in die Atemwege gelangt, zum Beispiel in die Bronchien auf der rechten Seite, dann bekommt dein Kind über die linke Seite genug Luft, um nicht daran zu ersticken. Vielleicht bemerkst du, dass dein Kind kurz hustet, aber dann ist es auch wieder vorbei.
So kann der Fremdkörper über lange Zeit in den Atemwegen stecken. Bemerkbar kann er sich dadurch machen, dass sich dort eine Entzündung entwickelt, dein Kind immer mal wieder hustet (was aber anders klingt als wenn es sich gerade frisch verschluckt hat) oder andere Veränderungen in der Atmung/im Atemgeräusch auftreten.
Nicht selten ist es dann so, dass ein Kind wegen ständigem Husten beim Kinderarzt vorgestellt wird, der beim Abhören den Verdacht auf einen eingeatmeten Fremdkörper feststellt.
Ein Röntgenbild kann weitere Hinweise liefern, ist aber auch nicht unbedingt ein sicherer Beweis. Der nächste Schritt wäre eine Bronchoskopie. Dabei wird unter Narkose mit einem Gerät in die Atemwege geschaut. Falls ein Fremdkörper gefunden wird, kann er dabei auch entfernt werden.
So viel zu den verschiedenen Möglichkeiten des Verschluckens.
Was tun wir also, um es gar nicht erst zum Verschlucken kommen zu lassen?
- Langsam essen, kleine Bissen nehmen, sorgfältig kauen
- (soll ich jetzt schreiben, dass die Kinder sich beim Essen nicht gegenseitig zum Lachen bringen sollen und nicht mit vollem Mund reden sollen…. hat eh keinen Zweck, oder…?)
- Eltern mit kleinen Kindern achten darauf, dass keine verschluckbaren Gegenstände in Kindernähe herumliegen
- Was auch bei größeren Kinder und Erwachsenen passieren kann und zu vermeiden ist: mit Gegenständen im Mund herumlaufen (Nägel, Lutscherstiele,…), die beim Stolpern oder Erschrecken verschluckt werden könnten
- Fällt dir noch etwas ein? Ich bin gespannt auf deine Ideen…
Zum Schluss möchte ich dir natürlich noch erzählen, wie bei uns die Smartie-Geschichte ausgegangen ist.
Glücklicherweise konnte ich meiner Tochter ganz gut erklären, dass sie durch den Mund einatmen und dann kräftig durch die Nase ausatmen sollte („Wie beim Naseputzen“).
Dabei konnte ich ihr beim Ausatmen das freie Nasenloch zuhalten (mit einigen Verrenkungen von meinem Beifahrersitz aus…) und das Smartie ist herausgeflogen.
Puh. Meine Tochter war glücklich, hat sich nie wieder etwas in die Nase gesteckt, und ich war um eine Erfahrung reicher.
PS.: Vielen Dank an meine Tochter für die Gestaltung des Titelbildes, und dafür, dass ich diese Geschichte von ihr erzählen darf…
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