Auf unsere Kampagne „Vielfalt gegen rechte Einfalt“ haben wir bisher viel positives Feedback bekommen – allerdings auch viele Kommentare, die uns selbst Diskriminierung, Verharmlosung von Gefahren oder Naivität vorwerfen. Wir haben deshalb die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin gebeten, drei der immer wiederkehrenden Argumente auseinanderzunehmen und auf ihren faktischen Gehalt zu prüfen.
„Wenn ihr euch gegen die AFD positioniert, diskriminiert ihr auch.“
In dieser Aussage finden sich verschiedene rechte Argumentationsmuster wieder. Zentral ist die Aufweichung des Begriffs Diskriminierung. Eine politische Positionierung gegen eine Partei wird gleichgesetzt mit Diskriminierung. Diskriminierung ist eine Ungleichbehandlung, die zu einer Benachteiligung führt und an bestimmte geschützte Identitätsmerkmale geknüpft ist: Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Identität, Behinderung, Alter, soziale Herkunft. Der Begriff Diskriminierung wird hier rechtspopulistisch ins Gegenteil verkehrt. Eine menschenrechtsorientierte Kritik an den Aussagen der AfD ist keine Ungleichbehandlung, schließlich müssen sich die Aussagen sämtlicher Parteien an denselben universellen Menschenrechten messen lassen. Dass hier die AfD von Kritik nicht ausgenommen wird, ist also tatsächlich eine Gleichbehandlung.
„So wird von tatsächlicher Diskriminierung, wie sie zum Beispiel von der AfD betrieben wird, abgelenkt“
Darüber hinaus steckt in der Aussage auch eine Täter-Opfer-Umkehr. Es wird vollkommen ausgeklammert, dass die AfD eine Politik vertritt und betreibt, die diskriminierend zum Beispiel gegenüber Muslimen oder LGBTI*Q ist. Stattdessen behaupten AfD und ihre Anhänger_innen von sich selbst‚ diskriminiert zu werden. So wird von tatsächlicher Diskriminierung, wie sie zum Beispiel von der AfD betrieben wird, abgelenkt. Die grundsätzliche gesellschaftliche und strukturelle Dimension von Diskriminierung wird von der AfD und ihren Anhänger_innen je nach Situation ignoriert oder geleugnet und dadurch schließlich verharmlost beziehungsweise legitimiert. Regelmäßig findet so auch eine Selbstinszenierung als Opfer statt.
„Wenn halb Afrika von unseren Krankenkassen ‚versorgt‘ wird, bleibt für die medizinische Versorgung der an Aids erkrankten deutschen Beitragszahler bald nichts mehr übrig.“
Auch in diesem Kommentar stecken gleich mehrere rechtspopulistische Argumentationsmuster beziehungsweise Strategien. Zum einen wird durch Übertreibung ein Katastrophenszenario gezeichnet, in dem „halb Afrika“ vor den Toren Deutschlands stehe beziehungsweise bereits hier „versorgt“ werde. Afrika ist ein Kontinent mit über 50 Staaten, darunter sowohl Diktaturen als auch stabile Demokratien. Nur etwa zehn Prozent aller in Deutschland Schutzsuchenden kommen aus afrikanischen Staaten. Die rechtspopulistische Darstellung ist also falsch, sie funktioniert aber. Sie funktioniert, weil sie auf den fruchtbaren Boden weit verbreiteter rassistischer Stereotype über Afrika fällt. Diese stereotypen Bilder über Afrika und schwarze Menschen als „arm“ und „aidskrank“ werden hier genutzt und reproduziert.
„Rassistische Stereotype werden genutzt und reproduziert“
In der Aussage steckt außerdem das Motiv „Flüchtlinge bekommen mehr als Deutsche“, das in den unterschiedlichsten Variationen in der gesellschaftlichen Debatte kursiert. Letztlich werden hier Gruppen von Bedürftigen gegeneinander ausgespielt. Ein Anrecht auf medizinische Versorgung wird vor allem oder allein für die „deutschen Beitragszahler“ gefordert. Die rechtspopulistische Wir-Gruppe wird als „deutsch“ von der Gruppe der anderen abgegrenzt, denen weniger Rechte zugesprochen werden. Dabei wird ignoriert, dass Beiträge zur Sozial- und Krankenversicherung in Deutschland auch von Menschen geleistet werden, die keine deutschen Staatsbürger_innen sind. Die rechtspopulistische Argumentation schürt ein diffuses Gefühl von Ungerechtigkeit, aber sie ist keine solidarische Kritik an wachsender sozialer Ungleichheit. Eine an den Menschenrechten orientierte Position setzt sich für menschenwürdige Bedingungen für alle ein.
„Ihr seid so ziemlich das Dümmste, was es gibt! Was glaubt ihr macht der Islam mit Schwulen, Lesben und Positiven?“
Besonders auffällig ist hier die Pauschalisierung „der Islam“. Diese impliziert, dass es nur eine Auslegung des muslimischen Glaubens geben würde. Wie bei jedem anderen Glauben gibt es jedoch auch im Islam sehr unterschiedliche Auslegungen und Strömungen. Die Aussage knüpft zudem an bestehende antimuslimisch-rassistische Stereotypen an, die „den Islam“ als besonders „rückständig“ und „gewalttätig“ darstellen.
Gleichzeitig wird hier versucht, Menschen, die schwul, lesbisch oder HIV-positiv sind, für die eigene Sache zu gewinnen, indem ein rassistisches Bedrohungsszenario aufgebaut wird. Damit soll Menschen, die von Diskriminierung bedroht oder betroffen sind, Angst gemacht werden, dass es ihnen unter „dem Islam“ noch schlechter gehen würde. Dieses Ausspielen von verschiedenen Minderheiten oder Gruppen, die häufig Diskriminierung erfahren, unternahm auch die AfD im Berliner Wahlkampf 2016. Sie fuhr mit einem Lastwagen mit einer großen Plakatwand durch Schöneberg, auf der zu lesen war: „Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist.“ Daneben war ein vermeintlich schwules Paar abgebildet.
„Es wird versucht, LGBT für die eigene Sache zu gewinnen, indem ein Bedrohungsszenario aufgebaut wird“
Ähnliche rechtspopulistische und rassistische Aussagen füllen tagtäglich die Kommentarspalten sozialer Netzwerke. Stets wird „den Anderen“, „den Fremden“ zugeschrieben, besonders sexistisch, homophob, antisemitisch zu sein. Begründet wird dies mit der vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer anderen Kultur. Genau hier wird die Argumentation rassistisch: wenn soziale Problemlagen und Ungleichwertigkeitsvorstellungen ethnisiert werden. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Homophobie oder der Feindlichkeit gegenüber HIV-Positiven und deren Ursachen findet dann gar nicht statt. Im Gegenteil, sie wird so geschickt verweigert.
Diesen Text hat das Team der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) verfasst. Herzlichen Dank!
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