Meine Arbeit auf einer Spezialstation für Depression im höheren Lebensalter
Die Diplom-Psychologin Corinna Leonhardt arbeitet in der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen auf einer Spezialstation für Depression im höheren Lebensalter. Hier berichtet sie von ihrem Arbeitsalltag:
Auf unserer Station können wir bis zu 25 Patienten behandeln, darunter sind etwas mehr Frauen als Männer. Die Patienten kommen aus allen Bevölkerungsschichten, ein Großteil aus dem ländlichen Raum rund um Gießen. Zu meinen Aufgaben gehören psychologische Einzelgespräche, die wir allen Patienten mindestens einmal wöchentlich anbieten. Es ist bei diesen Gesprächen wichtig, sich auf das Tempo der Patienten einzustellen. Manche haben vielleicht bereits einige kognitive Einschränkungen, auch der Bildungsstand ist durchaus sehr unterschiedlich – darauf gehe ich bei der Gesprächsführung ein: Ich vermeide Fremdwörter, wiederhole das Gesagte oft, erkläre Sachverhalte bildhaft und beziehe sinnliches Erleben ein.
Bei den psychologischen Gruppengesprächen, die zweimal wöchentlich stattfinden, nehme ich mich zurück. Meine Aufgabe liegt dann eher in der Moderation. Ich versuche, die Patienten zu motivieren, sich gegenseitig zu unterstützen – das ist für viele ein soziales Übungsfeld.
Gelegentlich bin ich in die neuropsychologische Diagnostik eingebunden. Dabei prüfen wir, ob die vorliegenden kognitiven Einschränkungen unserer Patienten tatsächlich mit einer Depression im Zusammenhang stehen oder Zeichen einer beginnenden Demenz sind.
Arbeiten im multiprofessionellen Team
Zu meinen Aufgaben gehört auch die Teilnahme an der Visite. Außerdem bin ich in die Behandlungsplanung eingebunden. Wir arbeiten hier auf der Station in einem multiprofessionellen Team, das aus Ärzten, Pflegern, Sozialarbeitern sowie Bewegungs- und Ergotherapeuten besteht. Die Behandlung erfolgt auf Basis eines multiprofessionellen verhaltenstherapeutischen Programms, das von allen Berufsgruppen getragen wird.
Ich arbeite gerne interdisziplinär und schätze die Zusammenarbeit im Team. Es ist mir sehr wichtig zu erfahren, welchen Blick ein Kollege auf den Patienten hat. Dem Bewegungstherapeuten fällt vielleicht auf, dass ein Patient seinen Schrittzähler gut nutzt. Die Schrittzähler setzen wir ein, um die Patienten zur Bewegung zu animieren. Ich selbst habe denselben Patienten vielleicht eher als etwas unmotiviert erlebt – die Einschätzung des Kollegen hilft mir dann, mein Bild zu überprüfen.
Ältere Patienten haben oft spannende Lebensgeschichten
Depression ist ein schweres Krankheitsbild, das bei manchen Patienten auch mit suizidalen Gedanken einhergeht. Nicht immer können wir den Patienten wirksam helfen. Das empfinde ich dann schon als belastend. Der kollegiale Austausch im Team, Supervision und auch mein familiäres Umfeld helfen mir dabei, mit belastenden beruflichen Erfahrungen umzugehen. Die Arbeit mit Menschen im höheren Lebensalter bedeutet auch, sich mit den Themen Krankheit und Tod zu befassen. Das liegt sicher nicht jedem. Andererseits bringen ältere Menschen sehr interessante Lebensgeschichten mit und haben viele Erfahrungen gesammelt – das finde ich sehr spannend.
Ursprünglich habe ich nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin gemacht und erst dann Psychologie studiert. Nach dem Studium habe ich zunächst eine Zeit lang in der Forschung gearbeitet. Vor allem die Mischung zwischen Medizin und Psychologie hat mich interessiert, das interdisziplinäre Arbeiten liegt mir einfach. An der Universität Marburg, am Institut für Medizinische Psychologie, habe ich mich mit den Themen chronischer Schmerz, Schmerz im Alter und Gesundheitsförderung beschäftigt. Seit März 2015 arbeite ich bei Vitos und absolviere parallel die Ausbildung zur Psychotherapeutin.
Ich empfinde meine Arbeit als sehr sinnstiftende Tätigkeit. Die Begegnung mit anderen Menschen macht für mich das Leben lebenswert. Wer in diesem Beruf arbeiten will, sollte neugierig auf andere sein und bereit, sich auf unterschiedliche Menschen einzulassen.