Yoga für Kinder – was bringt das? Meine Sicht als Kinderärztin.

Wieso ich auch noch Yogalehrerin wurde“ – davon habe ich zuletzt an dieser Stelle berichtet. Und auch davon, welche – zum Teil lustigen –  Vorstellungen viele Menschen von Yoga haben.

Die Frage, was Yoga aber eigentlich genau ist, blieb noch offen. Das ist nämlich nicht so einfach in einem Satz gesagt.

An dieser Stelle möchte ich daher Yoga ein bisschen genauer erklären. Und zwar mit dem Blick darauf, welche positiven Seiten ich darin gerade auch als Mutter und Kinderärztin sehe.

„Ach, Kinder können auch schon Yoga machen? Wie denn das?“

wunderte sich kürzlich eine Kollegin. Ich hatte ihr gerade von meiner Yogalehrerausbildung erzählt, und auch, dass meine Kinder Yoga toll finden und immer wieder gerne üben.

Um darauf zu antworten, ist es wohl am einfachsten, wenn ich mit folgendem Punkt beginne:

Die körperlichen Übungen.

Im Erwachsenenyoga nimmst du mit deinem Körper eine Position nach der anderen ein, wobei je nach Yogastil die Positionen längere Zeit gehalten werden oder fließend ineinander übergehen. (In „Yogasprache“ heißt eine Position übrigens „Asana“.)

Die Positionen sind so aufgebaut, dass du nacheinander immer wieder andere Muskelgruppen des Körpers dehnst oder kräftigst, und du auf diese Weise den gesamten Körper trainierst.

Natürlich üben Kinder noch nicht so wie später als Erwachsene. Kinderyoga ist verspielter und nicht so „geordnet“.

Zum Beispiel wird eine Geschichte erzählt, bei der die Kinder passend zum Inhalt die entsprechenden Bewegungen machen. Kommt ein Baum in der Geschichte vor, können die Kinder die Yoga-Position „Baum“ einnehmen. Kommt ein Hund vor, machen die Kinder den Yoga-Hund.

Das ist nur eine von unzähligen Möglichkeiten, Yoga kindgerecht im Rahmen von Spielen zu gestalten.

Als Kinderärztin freue ich mich natürlich über Kinder, die sich sichtlich in ihrem Körper zuhause fühlen. Dazu kann Yoga eine Menge beitragen.

Bei vielen Sportarten trainieren Kinder ihre Beweglichkeit, ihre Ausdauer, ihre Kraft und Koordination.

Aber mir ist keine Sportart bekannt, bei der so wie im Yoga der gesamte Körper zum Einsatz kommt, und bei der Kinder ihren Körper so gut kennen und beherrschen lernen.

Zum körperlichen Teil gehört eine weitere Sache, die meiner Meinung nach im „normalen Sport“ oft vernachlässigt wird:

Die Atmung.

Zum Thema Atmung fallen mir als Kinderärztin spontan jene Mädchen im Teenager-Alter ein, die einfach nicht „richtig durchatmen“ können. Oft laufen sie mit dauerhaft eingezogenem Bauch herum (aus optischen Gründen…) und atmen nur flach über den Brustkorb.

Wie „richtige“ Atmung geht, nämlich über den Bauch, haben viele verlernt.

Oft brauche ich als Ärztin beim Abhören viele Tipps und Tricks, damit ein Kind mal wirklich tief atmet und ich das hören kann, was ich möchte.

Um noch ein wenig beim medizinischen Aspekt zu bleiben: Besonders bei Atemwegserkrankungen wie Asthma ist es sehr wichtig, dass richtig und tief geatmet werden kann. Wenn Kinder Medikamente inhalieren sollen, kann es manchmal wirklich ein langer Weg sein, bis sie gelernt haben, die Inhalationstechnik richtig durchzuführen.

Kinder mit Mukoviszidose (das ist eine Erkrankung, die mit der Zeit schwere Lungenschäden hervorruft) bekommen übrigens sogar „Atemgymnastik“ verordnet und können lernen, in die unterschiedlichen Bereiche ihrer Lunge hinein zu atmen und den zähen Schleim in ihrer Lunge besser heraus zu husten.

Übrigens: auch die körperliche Haltung trägt ihren Teil dazu bei, dass die Atmung gut funktioniert.

Beides, Haltung und Atemtechnik, ist Teil der Yogaübungen. Es wird ganz bewusst mit gerader Haltung oder auch mal im Liegen tief in den Bauch geatmet. Einige Kinder, vor allem aber auch Erwachsene, brauchen sehr lange, bis sie diese Atmung (wieder) gelernt haben.

In „Yogasprache“ heißen die Atemübungen übrigens „Pranayama“.

Erwachsene üben im Unterricht neben der Bauchatmung noch viele weitere Techniken, bei denen zum Beispiel die Luft angehalten oder in einem bestimmten Rhythmus ein- und ausgeatmet wird.

Das hilft nicht nur, die Gesundheit der Atemwege zu verbessern. Zusätzlich wird die Konzentration gefördert, und die Atmung kann je nach Technik einen beruhigenden oder aktivierenden Effekt haben.

Für Kinder gibt es viele lustige Spiele, mit denen sie ihre Atmung trainieren können. Zum Beispiel können sie einen Tischtennisball oder ein Papierschiffchen herumpusten. Aber auch ganz in Ruhe im Rahmen von Entspannungsübungen können sie bewusst auf die Atmung aufmerksam gemacht werden.

Wobei ich schon wieder beim nächsten Punkt bin:

Die Entspannung.

„Entspann dich einfach!“ – Leichter gesagt als getan.

Wenn sich ein Kind zur Untersuchung auf die Liege legen soll, sieht die „entspannte“ Haltung manchmal so aus, dass der Kopf hochgehalten wird und die Bauchmuskeln hart wie ein Brett sind.

Und ein entspannter Arm und ein entspanntes Bein sollte eigentlich locker nach unten fallen und nicht irgendwo in der Luft schweben.

Natürlich ist es verständlich, dass ein Kind in der Untersuchungssituation aufgeregt und angespannt ist. Aber ich merke schon Unterschiede darin, ob ein Kind sich prinzipiell eher entspannen kann, oder ob ihm das schwer fällt. Und Entspannung kann man lernen.

In einer Yogastunde ist die Entspannung ein fester Bestandteil. Dabei sollen sowohl Körper als auch Geist entspannen.

Eine Methode funktioniert so, dass erst einmal Muskeln fest angespannt und dann lockergelassen werden. Dadurch können die Muskeln besonders gut entspannen.

Außerdem ist es eine tolle Methode, um sich ganz bewusst darüber zu werden, wie es sich anfühlt, wenn ein Muskel angespannt oder entspannt ist.

Wie viele Menschen haben dauerhaft angespannte Muskeln in Schultern, Nacken, Rücken und leiden unter Schmerzen?

Im Yoga lernst du, diese Verspannungen bewusst loszulassen. Gut, wenn du das schon als Kind lernen kannst…

Auf die Entspannung des Körpers folgt dann eine geistige Entspannung. Auch hier gibt es viele verschiedene Techniken. Besonders schön für Kinder ist zum Beispiel, wenn eine Geschichte, eine Traumreise, erzählt wird.

Wir Erwachsenen wissen, wie schwer es ist, den Kopf einmal „richtig frei“ zu bekommen. Aber auch Kinder haben vieles, das ihren Geist beschäftigt. Das kann beim Kind zu Unruhe führen, im schlimmsten Fall aber sogar krank machen.

In unserer Zeit haben Kinder so viel zu tun, so lange Schule, so viel Programm, dazu die ständige Präsenz von Handy, Tablet und Co., der sie sich kaum entziehen können. Wann kann ein Kind mal einfach NICHTS machen? Zur Ruhe kommen?

Genau das ist eigentlich sogar der wichtigste Teil des Yoga. Womit ich zum nächsten Punkt komme, nämlich was Yoga eigentlich wirklich ist.

Zur Ruhe kommen.

„Yoga ist das Zur-Ruhe-Bringen der Gedanken im Geist.“

Dieser Satz stammt von Patanjali, einem indischen Yogameister, der etwa im 2.-4.Jh n. Chr. gelebt hat.

Patanjali sagt nicht: Yoga macht beweglich, fit und schlank. Zu Yoga gehören nämlich noch ganz andere Dinge als die, die du im üblichen Yogakurs lernst.

Die Übungen, Atemtechniken und Entspannung, wovon ich oben geschrieben habe, sind nur ein Teil von dem, was Yoga wirklich ausmacht.

Das Wort Yoga heißt übersetzt unter anderem „Einheit“ oder „Harmonie“. So kann man sich zum Beispiel vorstellen, dass Yoga ein Übungssystem ist, mit dem du eine Einheit, eine Harmonie von Körper und Geist herstellst.

Tatsächlich handelt es sich bei Yoga um ein indisches Philosophiesystem. Man könnte auch sagen, dass Yoga eine Art Lebenseinstellung ist.

Im Yoga kann man sich nämlich neben den körperlichen Dingen auch mit philosophischen Fragen und Wissenschaften beschäftigen, tiefere Meditation üben oder Mantras singen. Eine Form des Yoga besteht auch „einfach“ darin, anderen Menschen zu helfen, für andere da zu sein, ohne dass man selbst etwas für sich davon erwartet. Selbstlos handeln also.

All das hat schließlich nur einen Zweck, wie Patanjali sagt: seinen Geist zur Ruhe zu bringen. Das kann man also auch dadurch schaffen, indem man singt, meditiert oder etwas für andere tut. Das alles ist auch Yoga.

Dazu gibt es noch so viel mehr zu sagen. Ich möchte dieses weite Feld hier aber nur kurz anschneiden, um dir eine Vorstellung davon zu geben, was Yoga eigentlich ist – abgesehen davon was du im normalen Yogakurs lernst.

A propos „normaler Yogakurs“.

Jeder Kurs ist natürlich anders, wie ich im letzten Artikel auch schon geschrieben habe. Wenn dein Yogakurs im Fitness-Studio eher sportlich aufgebaut ist und du die Entspannung vermisst: schau dich weiter um.

Und wenn dein Kind keine Lust auf Yoga hat? Kann sein. Manche Kinder mögen vielleicht die Entspannung erst einmal nicht und finden Yoga langweilig. Ich würde nichts erzwingen wollen.

Bei uns zu Hause läuft es so, dass ich einfach Yoga für mich selbst übe. Die Kinder sehen das immer wieder und bekommen dadurch Interesse.

Manchmal haben sie dann Lust mitzumachen, manchmal üben sie sogar alleine. Sie freuen sich im Moment riesig darauf, dass wir in den kommenden Herbstferien einen gemeinsamen Yogaurlaub machen werden.

Das muss nicht unbedingt so sein. Das Schöne am Yoga finde ich auch, dass du im Alltag mit deinem Kind eine ganze Menge davon umsetzen kannst, auch wenn dein Kind gerade keinen Kurs besucht.

Ich merke, dass mich das sogar gerade auf die Idee für einen neuen Artikel bringt…

 

…noch mehr zu diesem Thema liest du auch hier: Was du vom Yoga lernen kannst, ohne dich zu verbiegen

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