Tipps zum Umgang mit dementen Menschen

Demenz Tipps

Angehörigengruppe von Vitos Haina trifft sich regelmäßig

Nichts ist mehr, wie es einmal war. An Demenz zu erkranken, ist ein tiefer Einschnitt im Leben eines Betroffenen. Auch für die Angehörigen ändert sich alles. Unsere Angehörigengruppe demenzkranker Menschen von Vitos Haina trifft sich regelmäßig, um sich gegenseitig zu unterstützen. Der Austausch von Erfahrungen sowie konkreten Alltagstipps und das Gefühl, mit seinen Sorgen nicht allein zu sein, stehen dabei im Mittelpunkt.

Über die Arbeit unserer Gruppe möchte ich nun berichten. Vor allem aber möchte ich diesen Beitrag nutzen, um Angehörigen hilfreiche Tipps zum Umgang mit dementen Menschen zu geben.

Regelmäßige Treffen in Korbach und Frankenberg

Das Angebot unserer Angehörigengruppe richtet sich an alle Personen, die Umgang mit einem Demenzkranken haben, also zum Beispiel Ehepartner, Kinder oder Enkel der Betroffenen.

Bereits seit 2014 bin ich in der Angehörigengruppe aktiv. Gegründet wurde sie 2010.

Die Gruppe fand in der Regel einmal im Monat in den Räumen der Ambulanz am Standort in Haina statt. Haina ist jedoch mit öffentlichen Verkehrsmittel – besonders abends – nur sehr eingeschränkt erreichbar. Im Herbst letzten Jahres bekamen wir eine Anfrage vom Fachdienst Gesundheit des Landkreises Waldeck-Frankenberg, ob wir Interesse an einer Zusammenarbeit hätten.

Es kam zu gemeinsamen Treffen mit Bettina Jost aus der Betreuungsbehörde und wir erarbeiteten zusammen ein neues Konzept für die Angehörigengruppe.

Seit Juni 2017 trifft sich die Gruppe jeden ersten Montag im Monat in unserer Tagesklinik in Korbach und jeden dritten Montag im Monat am Kreiskrankenhaus Frankenberg. Seit dem Start in Frankenberg und Korbach freuen wir uns über eine große Nachfrage. Circa zehn Personen nehmen regelmäßig teil.

In erste Linie geht es darum, dass sich die Angehörigen untereinander austauschen. Wer hat welche Fragen, Sorgen oder Probleme? Und wer hat diese Situationen schon erlebt und kann Tipps oder Ratschläge geben? Wie ist es in den letzten vier Wochen zuhause gelaufen? Was ist passiert, was wurde erlebt und durchlebt?

Demenz ist ein schleichender Prozess

Ein Laie kann die Entstehung einer Demenz nicht sofort erkennen, da es sich um einen schleichenden Prozess handelt und nicht um eine plötzlich eintretende Erkrankung. Die Betroffenen „versuchen“ teilweise auch die aufkommenden Symptome zu „überspielen“ und finden Ausreden oder entschuldigen sich. Häufig fällt auf, dass die Erkrankten an Stimmungsschwankungen leiden. Sie sind entweder gereizter als sonst, bis hin zu aggressiven, verbalen Ausbrüchen oder reagieren gekränkt, beleidigt und ziehen sich vermehrt zurück. Demenzerkrankte „vergessen“ auf einmal Dinge oder Erlebnisse, die ihnen wichtig sind. Sie wirken sehr zerstreut, Fragen häufig nach, wissen nicht mehr, was sie vor Kurzem getan oder gesagt haben.

Was sind die typischen ersten Anzeichen für eine Demenz?

Die ersten Zeichen einer beginnenden Demenz können sein:

  • neue Informationen aufnehmen und behalten, fällt dem Betroffenen schwer
  • er wiederholt sich oft
  • er hat Mühe, sich an Gespräche, Ereignisse oder Verabredungen zu erinnern, selbst wenn diese nicht lange zurückliegen
  • er findet abgelegte Gegenstände nicht wieder
  • er hat Mühe, einem komplexeren Gedanken zu folgen oder eine Aufgabe zu erledigen, die mehrere Schritte beinhaltet (z. B. eine Mahlzeit kochen, ein Scheckbuch führen oder eine Tür mit kompliziertem Öffnungsmechanismus öffnen)
  • er hat Mühe, vernünftig und praktisch mit alltäglichen Problemsituationen umzugehen (beispielsweise anbrennendes Essen oder überlaufendes Badewasser)
  • er kann schlechter einschätzen, welches Verhalten in sozialen Situationen angebracht ist
  • er versteht Witze und Ironie nicht mehr so gut wie früher
  • er hat Schwierigkeiten beim Autofahren (verfährt sich häufiger, Bagatellschäden treten vermehrt auf, z. B. bei der Einfahrt in die Garage)
  • er findet sich in unvertrauter Umgebung nicht mehr gut zurecht (z. B. im neuen Einkaufszentrum oder im Parkhaus)
  • er hat Wortfindungsstörungen
  • er ist passiver und reagiert langsamer als früher
  • er ist misstrauischer und leichter erregbar
  • er missinterpretiert visuelle oder akustische Reize
Konkrete Verhaltenstipps im Umgang mit dementen Menschen
  • Richtig kommunizieren
Im Umgang mit dementen Menschen ist viel Geduld gefragt

Im Umgang mit dementen Menschen ist viel Geduld gefragt

Zu einer guten Demenzbetreuung gehört die richtige Kommunikation mit den Betroffenen. Diese wird aber im Verlauf der Erkrankung zunehmend schwierig – die Demenzerkrankten sind immer vergesslicher, können sich an Namen, Daten oder Wortbedeutungen nicht mehr erinnern und oft nur noch langsam Sätze formulieren. Das erfordert viel Verständnis und Geduld von den Mitmenschen.

Erinnerungsstützen können hier hilfreich sein: Man kann zum Beispiel auf kleinen Zetteln Informationen zum Tagesablauf oder Antworten auf häufige Fragen des Betroffenen (etwa nach dem Wochentag, dem Wohnort etc.) notieren. Diese Zettel klebt man dann an frequentierte Stellen wie die Kühlschrank- oder Badezimmertür.

Eine weitere Erinnerungsstütze, welche die Kommunikation bei Demenz erleichtern und fördern kann, ist ein Erinnerungsbuch. Dort klebt man Fotos von wichtigen Ereignissen und Menschen aus dem Leben des Erkrankten ein und schreibt jeweils einen kurzen Hinweis (Art des Ereignisses, Namen etc.) darunter.

Im Gespräch mit Demenzkranken sollte man folgende Tipps beherzigen:

  • Den Demenzkranken loben, wenn er etwas richtiggemacht hat. Für Fehler nicht kritisieren.
  • Geduldig warten, bis der Betroffene auf Fragen antwortet oder einer Aufforderung nachkommt.
  • Fragen möglichst so formulieren, dass er darauf mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann.
  • Vor jedem Gespräch Blickkontakt herstellen und den Betroffenen mit Namen ansprechen.
  • Langsam, deutlich und in kurzen Sätzen sprechen.
  • Ironische oder satirische Bemerkungen vermeiden – der Demenzkranke versteht sie meist nicht.
  • Wichtige Informationen mehrmals wiederholen, etwa die Uhrzeit, zu der man zu einem Arzttermin oder Spaziergang aufbrechen möchte.
  • Diskussionen vermeiden.
  • Anschuldigungen und Vorwürfe möglichst ignorieren – sie sind oft nicht persönlich gemeint, sondern spiegeln nur Angst, Frustration und Hilflosigkeit wider.
  • Nicht mehr als zwei Angebote (etwa beim Essen oder bei Getränken) zur Auswahl stellen – alles andere verwirrt Demenzkranke.

Ein wichtiges Modell für die Kommunikation mit dementen Menschen nennt sich Validation: Demenzpatienten werden dort zu erreichen versucht, wo sie gewissermaßen stehen. Man belässt sie in ihrer eigenen Welt und zweifelt ihre Meinungen und Ansichten nicht an. Es geht also um Wertschätzung und Ernstnehmen (= Validation) des Demenzkranken.

  • Ruhig bleiben

Misstrauen und aggressives Verhalten des Demenzkranken sollte man nicht persönlich nehmen. Um angemessen auf Aggression bei Demenzkranken zu reagieren, sollte man sich zunächst bewusst machen, woher diese Verhaltensweise rührt. Wenn Angehörige die Ursachen nachvollziehen können, fällt es ihnen leichter, damit umzugehen. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) sind Angst, Wut, Unruhe, Enttäuschung und Nervosität die häufigsten Gründe. Ihre Erkrankung hindert sie dann daran, diese Gefühle in geregelte Bahnen zu lenken. Stattdessen mündet die Unsicherheit häufig in einer harschen Wortwahl und in selteneren Fällen sogar in körperlicher Gewalt.

Auch wenn es manchmal schwerfällt: Wenn sich Aggression bei Demenzkranken Bahn bricht, sollte man unbedingt ruhig bleiben. Das Verhalten sollte man nicht auf sich persönlich beziehen, sondern sich daran erinnern, dass die Krankheit die eigentliche Ursache ist. Wichtiger Tipp: Auf keinen Fall sollte man den Betroffenen mit Aggressivität begegnen. Wer in solchen Situationen Drohgebärden an den Tag legt, verschlimmert sie meist. Der Betroffene könnte diese als Angriff auslegen. Ein Festhalten ist meistens nicht möglich, da der Betroffen oft noch sehr viel Kraft besitzt, was häufig unterschätzt wird. Oft reicht in solch einer Situation eine Ablenkung, um den Betroffenen aus der Phase der Aggression raus zu holen.

Ein besonders wichtiger Tipp für Angehörige: Sobald sich die Situation wieder beruhigt hat, sollten Sie analysieren, ob es für das aggressive Verhalten einen konkreten Auslöser gab. Durch vermeiden der auslösenden Situation lassen sich solche Ausbrüche gut verhindern.

  • Erinnerungen an schöne Zeiten wachrufen
Biografiearbeit

Biografiearbeit

Viele Menschen mit Alzheimer oder einer anderen Form der Demenz erinnern sich lange Zeit noch gut an ihre frühe Vergangenheit. Angehörige können diese Erinnerungen bei gemeinsamen Aktivitäten wecken. Um gemeinsam Schönes zu erleben – zum Beispiel beim Tanzen, Singen oder Backen. Fotos spielen in der Biografiearbeit mit Demenzkranken eine besonders wichtige Rolle.

  • Ein geregelter Tagesablauf und eine bekannte Umgebung

Durchaus kann man einen Betroffenen auch fordern in Form von Tätigkeiten, die immer zu seinen Aufgaben gehört haben. Das wären zum Beispiel die Wäsche zusammenlegen oder Gartenarbeiten. Werden die Arbeiten nicht ordentlich durchgeführt, ist der Betroffene meist überfordert. Dann kann man die Arbeiten zur Seite legen und später einen neuen Versuch starten. Da die Demenz mit Tageschwankungen einhergeht, kann es vielleicht in einer Stunde besser funktionieren.

Ein geregelter Tagesablauf und immer wiederkehrende Alltagssituationen geben dem Betroffenen Sicherheit. Vertraute Personen geben ihm das Gefühl von Geborgenheit.

  • So viel Hilfe wie nötig – nicht mehr

Im Umgang mit Demenzpatienten sollten Angehörige und Betreuer Geduld haben: Bei Tätigkeiten wie Anziehen, Kämmen oder Blumengießen sind Demenzkranke oft recht langsam. Aus Ungeduld oder übertriebener Fürsorge versuchen Angehörige und Betreuer dann oft, mehr Hilfestellung zu leisten als notwendig. Besser ist es aber, dem Patienten nicht alles abzunehmen, sondern ihm Zeit zu geben, die Dinge selber zu erledigen. Das trainiert nicht nur das Gehirn, sondern verhindert auch, dass sich der Demenzkranke wie ein Kind behandelt fühlt.

Wenig hilfreich ist es auch, wenn man ungeduldig danebensteht. Dann fühlen sich Demenzkranke zusätzlich unter Druck gesetzt.

Kann der Betroffene zuhause betreut werden, wirkt sich das grundsätzlich positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus und ist natürlich für ihn selbst immer erstrebenswert.

Jedoch ist die Betreuung eines Demenzerkrankten ein 24-Stunden-Job. Dies muss erst mal gewährleistet sein. Oft werden die Betroffenen von Ehepartnern gepflegt, die meist ähnlich oder gleich alt sind. Das führt häufig zu einer schnellen Überforderung, denn nichts ist mehr so wie es mal war.

Eine Betreuung beziehungsweise Versorgung des Demenzerkrankten in einem entsprechenden Heim ist dann erforderlich, wenn die Betreuung zuhause durch Angehörige oder Pflegedienste nicht mehr gewährleistet ist.

Eine stationäre Krankenhaus-Behandlung kommt in Betracht, wenn eine ausführliche Diagnostik durchgeführt wird oder eine Medikamentenumstellung erfolgen soll. Genauso, wenn Eigen- und oder Fremdgefährdung vorliegt.

Weitere Informationen zu unserer Angehörigengruppe finden Sie hier.

Tipps bei Demenz

Bettina Jost (Fachdienst Gesundheit des Landkreises Waldeck-Frankenberg), Manuela Kummer (Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina) und Dirk Weißberg (Vitos psychiatrische Ambulanz Korbach) Bildquelle: Vitos