Adhärenz und Autonomie: beides ist notwendig für ein gutes Leben mit COPD. Erfolgreiches COPD-Management muß sowohl Adhärenz wie Autonomie fördern, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Eine integrative Kurzzeit-Intervention aus Italien zeigt verheißungsvolle Ergebnisse.
Adhärenz und Autonomie hängen von vielen Faktoren ab
Therapietreue und selbständiges Krankheits-Management sind eine gemeinsame Herausforderung für Patienten, Behandler und soziales Umfeld.
Einflußgrößen auf Patientenseite sind vor allem:
- Coping-Strategien
- Selbstwirksamkeits-Erwartungen
- Krankheitsüberzeugungen
- Persönlichkeitsfaktoren
Auf Behandlerseite spielt u. a. die Berücksichtigung der individuellen Patientenbedürfnisse eine zentrale Rolle. Ausreichende soziale Unterstützung beeinflußt die Adhärenz ebenfalls.
Für diese komplexe Herausforderung bietet das IARA-Modell eine Kurzzeit-Intervention an.
Was steckt hinter den vier Buchstaben „IARA“?
IARA ist ein Buchstabenwort (Akronym) aus vier italienischen Begriffen. Übersetzt lauten die vier Begriffe:
- Austausch
- Adhärenz
- Verantwortung
- Autonomie
Zum IARA-Modell legen die Entwickler eine ermutigende Pilot-Studie mit COPD-Patienten vor. Zuvor wurde dieser integrative Ansatz bereits erfolgreich bei Patienten mit Spannungskopfschmerzen und Refluxkrankheit getestet.
Mit inneren und äußeren Patientenbildern zu mehr Lebensqualität
Behandlungsgrundlage des IARA-Modells ist die Mind-Body-Medicine, deren Wirksamkeit beim Management von chronischen Krankheiten wie COPD in Studien nachgewiesen ist.
Aus dem Methodenkoffer der Mind-Body-Medicine entnimmt der Ansatz vor allem zwei Elemente:
- Geführte Imagination (Bilderreise)
- Evokationen (suggestive Erweckung von Bildern oder Vorstellungen)
Als innovatives Element werden Patientenzeichnungen zu den Themen Atmungssystem und zur Krankheitswahrnehmung eingeführt.
Das Modell arbeitet also mit äußeren und inneren Bildern – aktiv und rezeptiv. Es wählt bewußt einen integrativen Zugang und kombiniert kognitive, emotionale, achtsamkeitsbasierte und transpersonale Ansätze.
Ziel aller Interventionen ist es, den Patienten durch verbesserte Selbstwahrnehmung und erweiterte Kenntnisse zu mehr Autonomie und Adhärenz zu führen. Hierzu tragen auch Neubewertungen der eigenen Krankheitserfahrungen bei.
„Die Atem-Flasche“ – was ist das denn?
Die Methoden des IARA-Modells umfassen im einzelnen:
- Patientenschulung (klingt vertraut – ist aber keineswegs simpel!)
- Geführte Imagination: „Liebe und Licht atmen“ (Eine Bilderreise mit nachgewiesener Wirksamkeit bei chronischen Lungenerkrankungen)
- Anatomisches Modell: „Die Atem-Flasche“ (ein interaktives Modell zur Demonstration von gesunder und krankhafter Funktion des Atmungssystem)
- Evokationen (eine Methode aus der Psychosynthese)
- Patientenzeichnungen: Mein Atmungssystem und meine Krankheitswahrnehmung
Vier Treffen für mehr Adhärenz und Autonomie
Die Patienten treffen sich insgesamt viermal im Abstand von je einer Woche mit einer psychologisch geschulten Fachkraft. Für die Zeit zwischen den Treffen erhalten die Patienten Übungs- und Beobachtungsaufträge.
- 1. Austausch
Er dient der Schaffung einer positiven, nicht-wertenden Gruppenatmosphäre. Gegenseitiges Vertrauen und Verbundenheit werden angeregt. Die Patienten werden ermutigt, offen über ihr Leben und über ihre Krankheit zu sprechen.
- 2. Austausch (7 Tage nach dem 1. Treffen)
Beim zweiten Treffen werden die Patienten zunächst aufgefordert, in einer Zeichnung ihre Vorstellung von Anatomie und Funktionsweise des Atmungssystems wiederzugeben. Danach kommt das anatomische Modell der „Atem-Flasche“ zum Einsatz. Mit einfachen mechanischen Manipulationen werden physiologische und pathologische Atemmuster demonstriert. Die Patienten sollen aufmerksam die unterschiedlichen Auswirkungen beobachten. Im Anschluß fertigen sie eine zweite Zeichnung an. Diese soll wiedergeben, wie der jeweilige Patient seine Krankheit erlebt. Daneben soll jeder Patient eine effektive individuelle Lösung für sein Krankheitsproblem notieren.
- 3. Austausch (14 Tage nach dem 1. Treffen)
Das dritte Treffen konzentriert sich auf die Geführte Imagination anhand der Anleitung „Liebe und Licht atmen“. Diese Übung ist in zwei Teile gegliedert:
- Vorbereitung der körperlichen, geistigen und emotionalen Schichten durch spezielle Begriffe und Visualisationen.
- Geführte Imagination anhand der Vorstellung der „Männchen bei der Arbeit“. Diese Vorstellung erlaubt eine spielerische, entspannte Haltung während der Übung und verstärkt die Trennung von Person und Krankheit.
Ziel des Austauschs ist eine gestärkte Selbstwirksamkeits-Erwartung. Deshalb werden die Patienten zusätzlich ermutigt, ihre individuellen „Evokationen“ zu bestimmen. Dazu sollen sie aus sieben persönlichen Stärken die zwei bedeutsamsten auswählen. Diese beiden Evokationen sollen den gesamten Behandlungsprozeß begleiten. Sie können im Verlauf je nach Bedarf durch zwei andere, treffendere Evokationen ersetzt werden.
Die Geführte Imagination soll bis zum nächsten Treffen täglich praktiziert werden.
- 4. Austausch (21 Tage nach dem 1. Treffen)
Beim letzten Austausch werden die Patienten ermutigt, die tägliche Praxis der „Evokationen“ und der Geführten Imagination fortzusetzen, um die Behandlungserfolgte zu festigen.
Ermutigende Ergebnisse der Pilot-Studie zum IARA-Modell
Die Vergleichsdaten der Pilot-Studie wurden vor dem ersten Treffen und drei Monate nach dem vierten Treffen erhoben.
Wegen der geringen Fallzahl besitzen die Ergebnisse zwar nur begrenzte Aussagekraft, sind jedoch verheißungsvoll:
- Es zeigt sich eine signifikante Reduktion des Gesamt-Scores im SGRQ, v. a. durch Reduktion der sozialen und psychologischen Krankheits-Belastungen.
- Die (nicht signifikante) Reduktion des täglichen Zigarettenkonsums ist ein möglicher Hinweis auf den „Einstieg in den Ausstieg“.
Fazit für die psychopneumologische Praxis
Durch eine integrative Herangehensweise läßt sich mit nur vier Treffen einiges für Adhärenz, Autonomie und Lebensqualität von COPD-Patienten erreichen. Welche Voraussetzungen sollten dafür geschaffen werden?
- Patienten dürfen die einzigartige Geschichte ihrer Krankheit in einem nicht-wertenden Rahmen erzählen.
- Behandler kennen dadurch die Patienten als Person – mit individuellen Krankheits-Überzeugungen, subjektiven Normen, charakteristischen Verhaltensweisen, emotionalen Krankheits-Belastungen.
- Kenntnisse zur Krankheit werden anschaulich vermittelt.
- Integrative Angebote werden spielerisch eingeführt und nachhaltig verankert.
- Krankheits-Wahrnehmung (z. B. anhand von Patientenzeichnungen) werden erfaßt und gegebenenfalls modifiziert.